BFG RV/7103025/2019

BFGRV/7103025/20195.10.2021

Gegenverrechnete AMS-Leistungen als Werbungskosten bei Auszahlung von Rehabilitationsgeld

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103025.2019

 

Beachte:
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/13/0018. Zurückweisung mit Beschluss vom 06.04.2022.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Unger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 3. Jänner 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom 3. Dezember 2018 betreffend Einkommensteuer 2017 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr neben Krankengeld vom zuständigen Versicherungsträger auch Leistungen vom Arbeitsmarktservice Österreich. Zusätzlich wurde dem Beschwerdeführer im Streitjahr auch rückwirkend zuerkanntes Rehabilitationsgeld ausbezahlt.

Mit dem hier angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2017 vom 3.12.2018 setzte die belangte Behörde - nach Vornahme einer Kontrollrechnung gemäß § 3 Abs 2 EStG - ein Einkommen iHv 58.185,93 € und eine Abgabennachforderung iHv 6.209 € fest.

In seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer erkennbar gegen die steuerliche Erfassung des ausbezahlten Rehabilitationsgeldes im Jahr 2017.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.4.2019 wies die belangte Behörde die Beschwerde ab und begründete dies wie folgt:

"Laut den direkt bei der NÖ Gebietskrankenkasse Leistungsabteilung/Leistungsfeststellung, 3100 St.Pölten, Kremser Landstraße 3 angeforderten Unterlagen, handelt es sich bei dem übermittelten Lohnzettel, gemäß § 69 (2) EStG 1988 mit Bezugszeitraum 01.01.2017 bis 01.01.2017 in Höhe von € 26.001,00 (Kennzahl 245 steuerpflichtige Bezüge) um ein rückwirkend zuerkanntes Rehageld ab 01.03.2016, das am 29. 03.2017 ausbezahlt wurde.

Gemäß § 19 EStG 1988 erfolgt ein Zufluss von Einnahmen in jenem Jahr, in dem der Steuerpflichtige rechtlich und wirtschaftlich die Verfügungsmacht über die Einnahme erhält.

Da die Auszahlung des Rehageldes erst am 29.03.2017 erfolgte, wurde der Lohnzettel gemäß § 69 (2) EStG 1988 der NÖ Gebietskrankenkasse in Höhe von € 26.001,00 korrekt im Kalenderjahr 2017 übermittelt.

Die restlichen Lohnzettel der NÖ Gebietskrankenkasse für die Zeiträume 02.01.2017-28.02.2017, 01.03.2017-31.03.2017, 01.04.2017- 30.04.2017, 01.05.2017- 31.05.2017, 01. 06.2017-30.06.2017, 01.07.2017 - 31.07.2017, 01.08.2017 - 31.08.2017, 01.09.2017 - 30.09.2017, 01.10.2017 - 31.10.2017 wurden ebenfalls korrekt übermittelt.

Die Beschwerde musste daher abgewiesen werden."

In seinem Vorlageantrag vom 16.5.2019 wendete sich der Beschwerdeführer dagegen, dass das ausbezahlte Rehabilitationsgeld zur Gänze steuerlich erfasst wurde, ohne dabei jedoch seine im Wege der Legalzession an das AMS rückerstatteten Beträge iHv 14.867,58 € als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Mit Vorlagebericht vom 29.5.2019 nahm die belangte Behörde die Beschwerde- und Aktenvorlage gemäß § 265 f BAO vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Dem Beschwerdeführer wurde im Jahr 2017 rückwirkend für den Zeitraum 1.3.2016 bis 31.3.2017 Rehabilitationsgeld iHv 30.859,01 zuerkannt. Von diesem Betrag wurden jedoch erhaltene Leistungen vom Arbeitsmarktservice iHv 14.867,58 € abgezogen und tatsächlich nur der Differenzbetrag iHv 15.991,43 € an den Beschwerdeführer im Jahr 2017 überwiesen.

Beweiswürdigung

Zu dieser Sachverhaltsfeststellung gelangt das Bundesfinanzgericht aufgrund folgender Beweiswürdigung:

Betrag und Anspruchszeitraum des Rehabilitationsgeldes, sowie der Umstand und die Höhe der abgezogenen Leistung vom Arbeitsmarktservice sind der aktenkundigen "Information über die Anweisung Ihres Rehabilitionsgeldes" vom 29.3.2017 der NÖGKK zu entnehmen, die der Beschwerdeführer als Beilage zu seinem Vorlageantrag an die belangte Behörde übermittelt hat.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsstellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung zu Gunsten des Beschwerdeführers)

Gemäß § 19 Abs 1 EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Abweichend davon gelten Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug mit Bescheid abgesprochen wird, in dem Jahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht. Diese Sonderregelung wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 2000/142, (erstmals) in § 19 Abs 1 EStG 1988 eingefügt.

Durch das AbgÄG 2011, BGBl I 2011/76, sollten ab der Veranlagung für das Jahr 2011 darüber hinaus sämtliche Nachzahlungen, über die bescheidmäßig abgesprochen wird, unabhängig vom Zahlungsfluss nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfasst werden. Die schon bisher geregelten bescheidmäßigen Pensionsnachzahlungen wären von dem verallgemeinerten Tatbestand mitumfasst gewesen (vgl Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG13, § 19 Anm. 35a).

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2012, BGBl I 2011/112, erfolgte jedoch eine erneute Änderung dahingehend, dass die Sonderbestimmung des § 19 Abs 1 (nunmehr untergliedert in) Z 2 EStG 1988 wiederum auf die Nachzahlung von Pensionen eingeschränkt wurde, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird. Zufolge § 124b Z 204 EStG 1988 ist die Bestimmung bereits ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2011 anzuwenden.

Somit gelten nach der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung des § 19 Abs 1 EStG 1988 weiterhin nur mit Bescheid zuerkannte Nachzahlungen von Pensionen in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht.

Im Zuge der Abschaffung der befristeten Zuerkennung der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wurden mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012, BGBl I 2013/3, für Versicherte, die am 1. Jänner 2014 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation bei vorübergehender Invalidität/Berufsunfähigkeit sowie die neuen Leistungen des Rehabilitations- und des Umschulungsgeldes eingeführt. Im Vergleich zur bis dahin geltenden Rechtslage ist nunmehr für jüngere Versicherte eine differenzierte Behandlung von Fällen geminderter Arbeitsfähigkeit vorgesehen, je nachdem, ob diese geminderte Arbeitsfähigkeit dauerhaft oder nur vorübergehend vorliegt. Versicherte, deren Arbeitsfähigkeit nicht dauerhaft gemindert ist, erhalten keine Pensionsleistung mehr, sondern berufliche und/oder medizinische Maßnahmen der Rehabilitation einschließlich Geldleistungen (vgl. ErläutRV 2000 BlgNR XXIV. GP 2, 24; Födermayr in SV-Komm § 143a, Rz 1).

Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG wurde systematisch der Krankenversicherung zugeordnet und zwar als Leistung "aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder der geminderten Arbeitsfähigkeit" (§ 117 Z 3 ASVG).

Das Rehabilitationsgeld ist der anspruchsberechtigten Person zu entziehen, wenn sie sich nach Hinweis auf diese Rechtsfolge weigert, an den ihr zumutbaren medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation mitzuwirken (§ 99 Abs 1a ASVG idF BGBl I 2015/2).

Nach § 8 Abs 1 Z 2 lit c ASVG in der ab 2014 geltenden Fassung besteht für Bezieher von Rehabilitationsgeld im Sinne des § 143a ASVG eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung.

Der Steuergesetzgeber hat das Rehabilitationsgeld mit der Begründung, dass das anstelle einer befristeten Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension getretene Rehabilitationsgeld durch den Krankenversicherungsträger geleistet wird und es zudem funktional als eine Fortsetzung des Krankengeldbezuges anzusehen ist, in § 69 Abs 2 EStG 1988 idF BGBl I 2014/13 dem Krankengeld gleichgestellt (vgl AA 14 XXV. GP - Abänderungsantrag). Solcherart ist das Rehabilitationsgeld iSd § 143a ASVG dem § 25 Abs 1 Z 1 lit c EStG und nicht dem § 25 Abs 1 Z 3 lit a EStG zu subsumieren.

Dass das Rehabilitationsgeld vom Pensionsversicherungsträger zuerkannt und finanziert wird, kann für die steuerliche Beurteilung des Rehabilitationsgeldes als "Pension" dabei schon deshalb nicht maßgebend sein, weil der Leistungskatalog der Pensionsversicherung nach § 222 Abs 1 und 3 ASVG nicht nur die Gewährung von Pensionen umfasst, sondern auch Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge und der Rehabilitation.

In der Textziffer 22 führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.12.2018 (VwGH 19.12.2018, Ro 2017/15/0025) aus:

"Bemerkt wird, dass das eigentliche Beschwerdebegehren (laut Vorlageantrag) offenbar auf die Berücksichtigung der einbehaltenen "AMS-Gelder" als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 gerichtet war. Nach § 23 Abs. 8 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 idF BGBl. I Nr. 68/2014, AlVG 1977, gilt der Vorschuss für den Fall, dass Rehabilitationsgeld nicht zuerkannt wird, als Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Wird hingegen - wie im Revisionsfall - Rehabilitationsgeld zuerkannt, ist die Leistung des Arbeitsmarktservice gemäß § 23 Abs. 1 AlVG 1977 als steuerpflichtiger Vorschuss auf die beantragte Leistung zu beurteilen. Dessen Rückzahlung (im Wege der Legalzession nach § 23 Abs. 6 AlVG 1977) ist gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zu berücksichtigen."

Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Beschwerdefall die im Wege der Legalzession vorgenommene Rückzahlung des erhaltenen Vorschusses gemäß § 16 Abs 2 EStG zu berücksichtigen und daher antragsgsgemäß im Streitjahr der zuerkannte Betrag an Rehabilitationsgeld um die gegenverrechneten Leistungen des Arbeitsmarktservice zu kürzen.

Dabei ist zu beachten, dass gemäß § 16 Abs 3 letzter Satz EStG 1988 ua Werbungskosten iSd § 16 Abs 2 EStG 1988, ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag abzusetzten sind. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass insgesamt ein Betrag iHv 14.999,58 € (Werbungskosten gemäß § 16 Abs 2 EStG 1988: 14.867,58 € + Pauschbetrag gemäß § 16 Abs 3 EStG 1988: 132 €) als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 19.12.2018, Ro 2017/15/0025), weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.


 

Wien, am 5. Oktober 2021

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 19 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 99 Abs. 1a ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
§ 23 Abs. 6 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977
§ 8 Abs. 1 Z 2 lit. c ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
§ 69 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 143a ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
§ 117 Z 3 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
§ 23 Abs. 8 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977
§ 23 Abs. 1 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977
§ 222 Abs. 1 und 3 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
§ 124b Z 204 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

VwGH 19.12.2018, Ro 2017/15/0025

Stichworte