Volljährige Nichte, die für Zwecke des Studiums zu ihrer Tante in das Inland übersiedelt, ist kein Pflegekind iSd FLAG.
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100699.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der Bf., Wien, vom 11.10.2016, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom 06.09.2016, mit dem der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Juli 2012 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf), eine österreichische Staatsbürgerin, stellte am 07.07.2016 für ihre Nichte N., geb. März1992, den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe rückwirkend ab Juli 2012.
Auf dem Formular Beih 1 wurde bei Verwandtschaftsverhältnis "Pflegekind" angekreuzt.
Das Finanzamt (FA) stellte folgenden Sachverhalt fest:
N. wurde auf Grund ihres Antrages vom 05.06.2012 vom Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, der Aufenthaltstitel für Studierende zuerkannt.
Sie begann im Wintersemester 2012 an der Universität Wien mit dem Bachelorstudium Bildungswissenschaft. Die erforderlichen ECTS-Punkte für das erste Studienjahr wurden im Mai 2015 erreicht.
N. ist im Zentralen Melderegister seit 26.04.2012 mit einem Hauptwohnsitz an der Adresse der Bf und seit 23.01.2017 bei "Studentenwohnheim" mit einem Nebenwohnsitz gemeldet.
Die Eltern von N., Eltern, wohnen in Bosnien/Herzegovina.
Mit "Aussage" vom 02.08.2016 (beglaubigte Übersetzung) erklärten sich die Eltern von N. einverstanden, dass sich die Tante um ihre Tochter kümmert und diese betreut.
Das FA wies den Antrag unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes mit Bescheid vom 06.09.2016 mit der Begründung ab, dass unter "Kinder einer Person" iSd Familienausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) deren Nachkommen, deren Wahlkinder und deren Nachkommen, deren Stiefkinder, deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches) zu verstehen seien.
Gegen den Abweisungsbescheid wurde von der Bf mit Beschwerde (Schreiben vom 07.10.2016) erhoben und zusammengefasst, bzw soweit relevant, Folgendes vorgebracht:
Die Eltern von N. seien derzeit beide arbeitslos und ohne jegliche Einkünfte. Der Vater von N. beziehe erst seit kurzem eine Pension. Ihre Schwester habe wegen der Betreuung ihres schwer kranken Sohnes nicht arbeiten können, weshalb sie ihre Nichte finanziell unterstützt und ihren Bildungsweg gefördert habe. Die Eltern seien dankbar, dass sie alle Schulkosten für N., zu der sie immer schon ein sehr inniges Verhältnis gehabt habe, übernommen habe. Sie sei zwar nicht ihre biologische Mutter, aber sie sehe sich als Pflegemutter von N.. Sie sorge, seitdem sie 2012 nach Wien gekommen sei, gänzlich für ihre Unterkunft, den Unterhalt und die Krankenversicherung. Nebenbei habe N. geringfügig gearbeitet. Nach ihrem und N. Verständnis würden hier alle wichtigen, relevanten, sozialen und menschlichen Aspekte erfüllt, um eine positive Entscheidung für die Familienbeihilfe zu treffen.
Weiters zitierte die Bf Pkt 02.03. FLAG RL zum Begriff "Kinder".
Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 03.02.2017 mit der Begründung ab, dass gemäß § 2 FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder iSd Gesetzes bestehe. § 2 Abs 3 FLAG 1967 normiere Kinder einer Person, deren Nachkommen, deren Wahlkinder und deren Nachkommen, deren Stiefkinder und deren Pflegekinder gemäß §§ 186 und 186a des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB).
Voraussetzung für die Anerkennung als Pflegekind sei ein Bescheid vom zuständigen österreichischen Pflegschaftsgericht bzw. vom Jugendwohlfahrtsträger.
Da es sich bei der Nichte nicht um ein Pflegekind iSd oben genannten gesetzlichen Bestimmungen handle, könne keine Familienbeihilfe gewährt werden.
Die Bf stellte mit Schreiben vom 10.03.2017 einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und brachte vor, dass sie ihrer Nichte - mit dem Einverständnis von deren Eltern - den erfolgreichen Abschluss ihres Studiums ermöglicht habe. Die Behörde sei auf die gesamte Begründung ihrer Beschwerde nicht eingegangen.
Die weiteren Ausführungen sind ident mit dem Beschwerdevorbringen.
Das FA legte mit Vorlagebericht vom 07.02.2019 die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor.
Auf Grund eines Vorhalts des BFG legte die Bf am 15.03.2019 ein Konvolut an Unterlagen vor, darunter Versicherungsdatenauszug, Kontoauszüge, Einkommensnachweise, Zahlungsbestätigungen etc.
Über die Beschwerde wurde erwogen
Sachverhalt:
Die verheiratete Bf ist österreichische Staatsbürgerin und hat seit 02.06.2000 in Österreich einen Hauptwohnsitz.
N., geboren am März1992, ist die Nichte der Bf und die Tochter von Eltern. NB ist die Schwester der Bf.
Die Eltern von N. wohnen in Bosnien/Herzegowina.
N. wurde in Sarajevo geboren, wohnte in Bosnien/Herzegowina bei ihren Eltern, besuchte dort die Schule und absolvierte in XX** die Matura. Sie besitzt auch die Staatsbürgerschaft Kroatiens. Nach Erreichen der Volljährigkeit übersiedelte sie nach Wien und stellte am 05.06.2012 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Studierender“.
N. erhielt vom Amt der Wiener Landesregierung eine Aufenthaltsbescheinigung für EWR Bürgerinnen mit dem Titel "Ausbildung“ nach § 51 Abs 1 Z 3 NAG.
Nach der Übersiedlung nach Wien wohnte sie bei der Bf. Sie ist seit 26.04.2012 mit einem Hauptwohnsitz an der Adresse der Bf und seit 23.01.2017 bei "Studentenwohnheim" mit einem Nebenwohnsitz gemeldet. Sie hat seit 2012 auch eigene Einkünfte iHv ca. EUR 3.500 (2012) und etwas über EUR 8.000 (2013 – 2015).
N. begann im Wintersemester 2012/13 (Oktober 2012) an der Universität Wien mit dem Bachelorstudium Bildungswissenschaft.
Sie erreichte im Wintersemester 2012/13 0 ECTS-Punkte, im Sommersemester 2013 0, im Wintersemester 2013/14 10, im Sommersemester 2014 0, im Wintersemester 2014/15 10 und im Sommersemester 2015 25 ECTS-Punkte. Sie ist im ersten Studienjahr und im Sommersemester 2014 – jeweils mit negativem Erfolg – zweimal zur Prüfung der STEOP 1 und einmal zur Prüfung der STEOP 2 angetreten, welche sie dann jeweils im nächsten (3. bzw. 5. Semester) positiv absolvierte.
Die erforderlichen ECTS-Punkte für das erste Studienjahr wurden erst im Mai 2015 erreicht.
Die Bf kümmert sich um die bei ihr wohnende Nichte und betreut diese. Sie unterstützt diese auch finanziell.
Die Eltern von N. sind einverstanden, dass sich die Bf um N. während deren Studiums in Wien kümmert und sie betreut.
Die Bf hat in den Jahren 2012 bis 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv durchschnittlich ca EUR 16.000 jährlich.
Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem vom FA vorgelegten Familienbeihilfenakt, insbesondere dem Vorbringen der Bf, ihrem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe, diversen Datenbankabfragen (Melderegister, AIS, SV) sowie den von der Bf beim FA und dem BFG vorgelegten Unterlagen.
Die Höhe der nichtselbständigen Einkünfte der Nichte der Bf ist durch den im Akt befindlichen Versicherungsdatenauszug erwiesen.
Das Studium an der Universität Wien ist durch die Inskriptionsbestätigungen belegt. Die dargestellten Erfolgsnachweise (ECTS-Punkte) sind aus dem vorgelegten Sammelzeugnis der Universität Wien vom 02.06.2016 ersichtlich, ebenso wie nichterfolgreiche Prüfungen.
Dass N. im Mai 2015 die erforderlichen ECTS Punkte erreichte, ist dem Sammelzeugnis zu entnehmen und wird auch vom FA so vorgebracht.
Im Hinblick darauf, dass N. durchgängig Bildungswissenschaft studierte, in den beiden ersten Semestern zur STEOP 1 angetreten ist, welche sie dann im dritten Semester positiv absolvierte und dass sie nach Absolvierung der STEOP 2 ab dem 6. Semester wesentlich mehr ECTS Punkte als vorher erreichte, kann – auch unter Berücksichtigung der zu Beginn ihres Aufenthalts möglicherweise fehlenden Sprachkenntnisse – nicht davon ausgegangen werden, dass N. im ersten Studienjahr keine ernsthafte Ausbildung iSd FLAG 1967 ausübte, zumal gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 die Aufnahme als ordentlicher Hörer an der Universität grs. als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr gilt.
Dass die Nichte der Bf bei dieser wohnt und dort ihren Hauptwohnsitz hat, ist erwiesen. Dass die Bf ihre Nichte betreut und auch finanziell unterstützt, hat sie nachgewiesen. Da N. bei ihrer Übersiedlung in das Inland bereits volljährig war, kann es keinen gerichtlichen Obsorgebeschluss bzw Pflegebescheid geben, da eine Obsorge für ein Pflegekind nur für minderjährige Kinder begründet werden kann.
Das Einverständnis der Eltern, dass sich die Bf während des Studiums ihrer Tochter um diese kümmert und sie betreut, haben die Eltern mit dem als "Aussage" betitelten Schreiben, datiert mit 02.08.2016 (beglaubigte Übersetzung), erklärt.
Im Hinblick auf die Einkünfte der Bf und die Einkünfte von N. ist davon auszugehen, dass N. selbst nicht unwesentlich zu ihrem finanziellen Auskommen beiträgt. Ob sie selbsterhaltungsfähig iSd FLAG 1967 ist, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben.
Rechtliche Würdigung:
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob es sich bei der Nichte der Bf um ein Kind im Sinne des FLAG 1967 handelt.
Die Bf betrachtete ihre haushaltszugehörige Nichte auf Grund der von ihr gewährten Unterkunft, Betreuung und materiellen Unterstützung sowie der Vermögens- und Einkommenslosigkeit der leiblichen Eltern als ihr Pflegekind und erhob auf dieser Grundlage den Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLA G 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 2 Abs 2 FLAG 1967 hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs 3 FLAG 1967 sind Kinder einer Person im Sinne dieses Abschnittes
a) deren Nachkommen
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen
c) deren Stiefkinder
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches)
Nach Abs 5 leg cit gehört ein Kind zum Haushalt einer Person dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
§ 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 verweist bezüglich der den Beihilfenanspruch begründenden Pflegekinder auf das ABGB.
Verbindet der Gesetzgeber wie hier im § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 nach der Methode der rechtlichen (formalen) Anknüpfung abgabenrechtliche Folgen unmittelbar mit Kategorien und Institutionen anderer Rechtsgebiete, so übernimmt er auch den Bedeutungsinhalt, der den Begriffen in der Heimatdisziplin zukommt (VwGH 20.4.1995, 95/13/0071).
Gemäß § 184 ABGB in der seit 01.02.2013 geltenden Fassung des BGBl I Nr 15/2013 sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll.
Diese Bestimmung entspricht wörtlich dem bis 31.01.2013 in Geltung gestandenen § 186 ABGB idF BGBl I Nr 135/2000. Die zu dieser Bestimmung entwickelte Lehre und Rechtsprechung ist daher weiterhin für die Qualifikation eines Kindes als Pflegekind maßgeblich.
Seit dem KindRÄG 2001 bietet § 186 ABGB (alt) zwei Definitionsmerkmale, nämlich erstens die faktische – gänzliche oder partielle – Besorgung von Pflege und Erziehung des Kindes und zweitens das Bestehen oder die beabsichtigte Herstellung einer persönlichen Beziehung zwischen dem Kind und diesen seinen Betreuern, die an Intensität dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommt (Stabentheiner in Rummel, ABGB, 3. Auflage, § 186 Tz 1). Die Pflegeelterneigenschaft setzt weder einen rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsakt voraus, sondern ist bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale kraft Gesetzes gegeben (Stabentheiner, a.a.O., Tz 2). Dass die Pflegeelterneigenschaft auch einer Einzelperson zukommen kann, wurde von der herrschenden Meinung auch schon zur Rechtslage vor dem KindRÄG vertreten (Stabentheiner, a.a.O., Tz 4b mwN).
Ein gerichtlicher Obsorgebeschluss bzw. Pflegebescheid ist daher nicht erforderlich (BFG 21.10.2016, RV/5101747/2015). Bei Vorliegen der zwei gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Pflegeelternschaft, nämlich der tatsächlichen Betreuung und einer bestimmten Qualität der Bindung ist die Pflegeelternschaft kraft Gesetzes ohne Notwendigkeit eines rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsaktes gegeben (VwGH 04.03.2009, 2008/15/0314; OGH 14.12.2011, 3Ob165/11b)
Das Pflegekindschaftsverhältnis iSd ABGB weist als Wesensmerkmal die eindeutige Lebensschwerpunktverlagerung des Kindes zu den Pflegeeltern auf, wobei sich diese Verlagerung im Wechsel des Kindes in den Haushalt der Pflegeeltern auf nicht bloß vorübergehende Dauer ausdrückt.
Allerdings ergibt sich bereits aus § 178 ABGB und der Gegenüberstellung von Eltern einerseits und Pflegeeltern andererseits die Abgrenzung zueinander, dass nur ein minderjähriges Kind von Pflegeeltern tatsächlich gepflegt und erzogen werden kann; dies ergibt sich aus dem ex-lege Erlöschen der Obsorge (und damit der Verpflichtung zur Pflege und Erziehung) mit dem Eintritt der Volljährigkeit nach § 183 ABGB (vgl Weitzenböck in Schwimann/Kodek [Hrsg], ABGB Praxiskommentar, 5. Aufl. 2018, § 184 ABGB, Seite 720).
Wie den Regelungen der §§ 186 und 186a ABGB (alt) entnommen werden kann, hatte der Gesetzgeber bei diesen Bestimmungen nämlich den Schutz Minderjähriger im Auge. Nachdem das ABGB die Bestimmungen betreffend Pflegekinder gerade im Rahmen jenes Teiles des Personenrechts regelt, das vor allem den besonderen Schutz Minderjähriger beabsichtigt, beziehen sich auch die Bestimmungen betreffend Pflegeverhältnisse auf minderjährige Kinder, die in Pflege und Erziehung genommen werden (UFS 09.03.2009, RV/2025-W/08).
Nach Ansicht des BFG kann daher nur dann von einem Pflegekind im Sinne des § 2 Abs 3 FLAG iVm §§ 186 und 186a ABGB (alt) gesprochen werden, wenn das Kind noch im minderjährigen Alter in Pflege genommen worden ist und sich dessen Pflege nicht nur im materiellen Unterhalt erschöpft, sondern stets auch die Erziehung und Aufsicht des Kindes mit umfasst. Nach Eintritt der Volljährigkeit und der damit üblicherweise verbundenen Eigenberechtigung kann ein Pflegeverhältnis im Sinne der §§ 186ff ABGB (alt) nicht mehr begründet werden, weil die eingetretene Eigenberechtigung einer derartigen Obsorge entgegensteht (UFS 09.03.2009, RV/2025-W/08; UFS 24.06.2011, RV/1321-W/11 ).
„Kümmern“ und „betreuen“ einer volljährigen Nichte kann nicht der „Erziehung und Aufsicht“ (Obsorge) eines minderjährigen Kindes entsprechen.
Die Nichte der Bf ist erst nach Erreichen ihrer Volljährigkeit nach Österreich eingereist, um hier ein Studium zu absolvieren. Bis zum Erreichen der Volljährigkeit befand sich N. in der Obsorge ihrer leiblichen Eltern und absolvierte im Rahmen dieser Obsorge auch die Schulausbildung. In dieser Zeit wurde demnach kein Pflegeverhältnis zwischen der Bf und ihrer Nichte begründet.
Da sich N. bis zu ihrer Volljährigkeit in der Obsorge ihrer leiblichen Eltern befand und erst nach Erreichen der Volljährigkeit in Österreich eingereist ist, kann daher im Sinne des Bedeutungsinhaltes der §§ 186 und 186a ABGB (alt) gemäß der obigen Ausführungen im vorliegenden Fall bei der großjährigen Nichte nicht von einem Pflegekind ausgegangen werden, das einen Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen vermag. Eine allfällige Vermögenslosigkeit der leiblichen Eltern und eine finanzielle Unterstützung durch die Bf sind dabei nicht von Relevanz, weil die Kostentragung bei einer volljährigen, eigenberechtigten Person kein Pflegeverhältnis zu begründen vermag.
Auch der Hinweis auf die (das BFG nicht bindenden) FLAG Richtlinien vermag der Beschwerde nicht zum Durchbruch zu verhelfen.
Es wird dort unter Verweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage in 310 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP vom 09.05.1972 zur Änderung des § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 („deren Pflegekinder [§ 186 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs])“ ausgeführt, „dass die Neufassung bestehende Härten beseitigen und die Pflegekinder den übrigen Kindern völlig gleichstellen soll. Diese Neufassung verfolgt offenkundig die Absicht, den Kreis der anspruchsvermittelnden Kinder auszuweiten und weitgehend für jedes Kind, für dessen Pflege und Erziehung einer Familie gesorgt wird, eine Familienbeihilfe zu gewähren. … Das Pflegkindschaftsverhältnis wird nicht durch den Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes aufgehoben. Bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen ... besteht daher auch für volljährige Pflegekinder Anspruch auf Familienbeihilfe. …“
Selbst wenn man dieser Auslegung folgte, ist sie im ggstdl Fall nicht anwendbar, denn gedankliche Voraussetzung auch nach den zit. FLAG Richtlinien ist die Begründung des Pflegkindschaftsverhältnisses vor Eintritt der Volljährigkeit, denn nur dann kann dieses „nicht durch die Volljährigkeit des Pflegekindes aufgehoben“ werden.
Da es sich bei der Nichte der Bf somit nicht um ein Kind im Sinne des § 2 Abs 3 FLAG 1967 handelt, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass N. im Hinblick auf ihre Einkünfte allenfalls einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe im ersten Studienjahr bzw. ab Mai 2015 bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres hat, ist im ggstdl Beschwerdeverfahren nicht zu beurteilen.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Wien, am 16. Jänner 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise: | VwGH 04.03.2009, 2008/15/0314 |