BFG RV/7100674/2018

BFGRV/7100674/20189.5.2018

Hauptwohnsitzbefreiung gem. § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 im Fall eines "Mietkaufmodells"

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2018:RV.7100674.2018

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. RA, vom 7. Juli 2014 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom 25. Juni 2014 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2013, zu Recht erkannt:

I.  Der Beschwerde wird Folge gegeben
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bildet einen Bestandteil dieses Spruches.

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig .

Entscheidungsgründe

Im Vorverfahren war strittig, ob im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Hauptwohnsitzbefreiung gem. § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 erfüllt sind.

 

Im fortgesetzten Verfahren ist lt. VwGH-Erkenntnis vom 24.1.2018, Ra 2017/13/0005, von folgendem Sachverhalt auszugehen.

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat mit 1. Februar 2007 mit einer gemeinnützigen Bauvereinigung (BAU AG) einen Mietvertrag über eine Wohnung in einer im Jahr 2002 erstmals bezogenen Wohnhausanlage in Wien, wobei u.a. ein Finanzierungsbeitrag festgesetzt wurde, abgeschlossen.

Vereinbarungen über einen späteren Eigentumserwerb des Bf. wurden im Mietvertrag nicht getroffen.

 

Am 25. April 2013 schlossen der Bf. und die Bauvereinigung im Hinblick auf die beabsichtigte Begründung von Wohnungseigentum an sämtlichen Wohnungen der Anlage rückwirkend zum Ablauf des 31. Dezember 2012 einen Vertrag über den Verkauf von mit Wohnungseigentum an der dem Bf. vermieteten Wohnung zu verbindenden Liegenschaftsanteilen unter gleichzeitiger Auflösung des bisherigen Mietverhältnisses.

Der bis dahin noch nicht „verwohnte“ Teil des Finanzierungsbeitrages wurde auf den Kaufpreis von rd. 160.000 € angerechnet. Auf die Ausübung einer Kaufoption wurde im Vertragstext nicht Bezug genommen.

 

Mit Vertrag vom 13. September 2013 verkaufte der Bf. die mit Wohnungseigentum an seiner bisherigen Wohnung zu verbindenden Liegenschaftsanteile zum 1. November 2013 (Räumung der Wohnung mit Ausnahme bestimmter Möbel und Geräte, die in das Eigentum des Käufers übergingen) um ca. 250.000 € an einen Interessenten.

 

Im Einkommensteuerbescheid 2013 vom 25. Juni 2014 wurde vom Finanzamt die vom Bf. beantragte Hauptwohnsitzbefreiung gem. § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 nicht berücksichtigt, da nach Ansicht des Finanzamtes keine der Befreiungsbestimmungen nach § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 im gegenständlichen Fall erfüllt gewesen seien, da Mietzeiten für die Hauptwohnsitzberechnung nicht miteinzubeziehen seien.

 

Dieser Ansicht schloss sich auch das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom 27. Oktober 2016 an, wogegen der Bf. Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhob.

 

Mit Erkenntnis vom 24.1.2018, Ra 2017/13/0005, hob der Verwaltungsgerichtshof das BFG-Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, da Zeiten der Nutzung der Wohnung als Mieter bei der Berechnung der Fristen für die Befreiung gem. § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 einzuberechnen sind.

 

Mit Schriftsatz vom 4. April 2018 nahm der Bf. seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem gesamten Senat zurück.

 

 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

 

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bf. hat mit 1. Februar 2007 mit einer gemeinnützigen Bauvereinigung einen Mietvertrag über eine Wohnung in einer im Jahr 2002 erstmals bezogenen Wohnhausanlage in Wien abgeschlossen, in dem u.a. ein Finanzierungsbeitrag festgesetzt wurde.

Vereinbarungen über einen späteren Eigentumserwerb des Bf. wurden im Mietvertrag nicht getroffen.

 

Am 25. April 2013 schlossen der Bf. und die Bauvereinigung im Hinblick auf die beabsichtigte Begründung von Wohnungseigentum an sämtlichen Wohnungen der Anlage rückwirkend zum Ablauf des 31. Dezember 2012 einen Vertrag über den Verkauf von mit Wohnungseigentum an der dem Bf. vermieteten Wohnung zu verbindenden Liegenschaftsanteilen unter gleichzeitiger Auflösung des bisherigen Mietverhältnisses.

Der bis dahin noch nicht „verwohnte“ Teil des Finanzierungsbeitrages wurde auf den Kaufpreis von rd. 160.000 € angerechnet. Auf die Ausübung einer Kaufoption wurde im Vertragstext nicht Bezug genommen.

 

Mit Vertrag vom 13. September 2013 verkaufte der Bf. die mit Wohnungseigentum an seiner bisherigen Wohnung zu verbindenden Liegenschaftsanteile zum 1. November 2013 (Räumung der Wohnung mit Ausnahme bestimmter Möbel und Geräte, die in das Eigentum des Käufers übergingen) an einen Interessenten.

 

Dies ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere den Kaufverträgen vom 25. April 2013 und 13. September 2013.

 

Dieser Sachverhalt war rechtlich folgendermaßen zu würdigen:

§ 30 EStG in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 22 lautet auszugsweise wie folgt:

Abs. 1: Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.

Abs. 2: Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:

1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer

a) ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

 

§ 30b EStG 1988 lautet auszugsweise:
Abs. 1: Für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen ist im Falle der Selbstberechnung gemäß § 30c Abs. 2 eine auf volle Euro abzurundende Steuer in Höhe von 30% der Bemessungsgrundlage zu entrichten (Immobilienertragsteuer). Die Immobilienertragsteuer ist spätestens am 15. Tag des auf den Kalendermonat des Zuflusses zweitfolgenden Kalendermonats zu leisten.

 

Abs. 2: Mit der Entrichtung der selbstberechneten Immobilienertragsteuer durch Parteienvertreter gilt die Einkommensteuer für Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß § 30 als abgegolten. Dies gilt jedoch nicht, wenn die der Selbstberechnung zugrunde liegenden Angaben des Steuerpflichtigen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Die Abgeltungswirkung der Immobilienertragsteuer entfällt im Falle einer späteren Umwidmung gemäß § 30 Abs. 4 Z 1 letzter Satz.

 

Abs. 3: Auf Antrag sind die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß § 30, für die eine selbstberechnete Immobilienertragsteuer entrichtet wurde, mit dem besonderen Steuersatz gemäß § 30a zu veranlagen (Veranlagungsoption). Dabei ist die Immobilienertragsteuer auf die zu erhebende Einkommensteuer anzurechnen und mit dem übersteigenden Betrag zu erstatten.

In der Regierungsvorlage zum 1. Stabilitätsgesetz 2012, 1680 BlgNR 24. GP 7 f, wurde die Neugestaltung der „Hauptwohnsitzbefreiung“ wie folgt erläutert:

„Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken und anderen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, sollen grundsätzlich der Steuerpflicht unterliegen, wenn die Veräußerung nach dem 31. März 2012 stattfindet. […] Von der Besteuerung ausgenommen sind wie bisher Eigenheime und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), die zwischen Anschaffung und Veräußerung durchgehend für mindestens zwei Jahre den Hauptwohnsitz des Veräußerers darstellen.

Ergänzend soll aber die Veräußerung auch dann befreit sein, wenn das Objekt dem Veräußerer innerhalb der letzten 10 Jahre für mindestens 5 Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat. Diese Ergänzung ist insbesondere deshalb erforderlich, weil eine ununterbrochene Aufrechterhaltung des Hauptwohnsitzes bei einer unbegrenzten Steuerhängigkeit als unverhältnismäßige Anforderung für eine Steuerbefreiung erscheint.

Daher soll die Hauptwohnsitzbefreiung auch dann greifen, wenn der Hauptwohnsitz zumindest für einen erheblichen Zeitraum vor der Veräußerung bestanden hat.

Die Hauptwohnsitzbefreiung ist wie bisher vorrangig zur Herstellerbefreiung.

Daher ist beispielsweise eine Vermietung innerhalb der letzten zehn Jahre nicht schädlich, wenn die Fünfjahresfrist für den Hauptwohnsitz erfüllt ist.

 

Da der Hauptwohnsitz nicht unmittelbar vor der Veräußerung gegeben sein muss, besteht die Befreiung auch für jene Steuerpflichtige, die vor der Veräußerung den Hauptwohnsitz bereits aufgegeben haben. Daher ist z.B. im Zuge einer Scheidung auch jener Ehepartner begünstigt, der noch vor der Veräußerung des im Eigentum beider Ehepartner stehenden Eigenheimes, aus dem gemeinsamen Ehewohnsitz ausgezogen ist.

 

Entsprechend dem Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung, der darin besteht, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht, soll klargestellt werden, dass die Steuerbefreiung nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn der Hauptwohnsitz in diesem Eigenheim oder dieser Eigentumswohnung auch tatsächlich aufgegeben wird.“

 

Das Gesetz spricht somit von Einkünften aus der Veräußerung von „Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden“, verweist zu diesen Arten von Immobilien auf § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 und sieht die Befreiung der Einkünfte von der Besteuerung für den Fall vor, dass „sie“ (die Eigenheime oder Eigentumswohnungen) dem Veräußerer innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend „als Hauptwohnsitz gedient“ haben.

Auf einen Rechtstitel (Eigentum) wird dabei nicht Bezug genommen.

 

Dass ein Mieter einer fremden Eigentumswohnung, die er schließlich erwirbt, besser gestellt sein sollte als ein Mieter einer Wohnung, die er im Zuge der Begründung von Wohnungseigentum erwirbt, wäre nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt des in den Erläuterungen umschriebenen Gesetzeszwecks schwer zu rechtfertigen. In beiden Fällen macht der Mieter von einer Gelegenheit Gebrauch, Eigentum an der ihm als Hauptwohnsitz dienenden Wohnung zu erwerben, und in beiden Fällen ist die wirtschaftliche Lage beim Verkauf im Zusammenhang mit der Aufgabe des Hauptwohnsitzes gleich. Die nach dem Wortlaut („sie“) offene Auslegungsfrage, ob zur Identität der für mindestens fünf Jahre als Hauptwohnsitz dienenden Wohnung auch deren rechtliche Eigenschaft als Eigentumswohnung zählt, ist aus diesem Grund zu verneinen (VwGH-Erkenntnis vom 24.1.2018, Ra 2017/13/0005).

 

Die Befreiung von der Besteuerung knüpft im hier auszulegenden Tatbestand aber an eine Voraussetzung an, die weder dem Wortlaut noch dem Sinn (der Finanzierung eines neuen Hauptwohnsitzes) nach darauf abstellt, dass die Wohnung dem Steuerpflichtigen nicht nur als Hauptwohnsitz diente, sondern auch die ganze Zeit hindurch in seinem Eigentum stand.

 

Aufgrund dieser höchstgerichtlichen Entscheidung vom 24.1.2018, Ra 2017/13/0005, war daher die bereits entrichtete Immobilienertragsteuer i.H.v. 15.749 € dem Bf. wieder gutzuschreiben, sodass sich die ursprüngliche Abgabengutschrift i.H.v. 787 € auf nunmehr 16.536 € erhöht (siehe beiliegendes Berechnungsblatt).

Dies wurde dem Bf. bereits mit Schriftsatz vom 27. März 2018 zur Kenntnis gebracht und dagegen seitens des Bf. kein Einwand erhoben.

 

Zum Zinseinwand des Bf. vom 4. April 2018 wird ergänzend festgehalten, dass Beschwerdezinsen gem. § 205a BAO nur dann zustehen, wenn eine Abgabenschuldigkeit entrichtet wurde und diese später im Rechtsmittelverfahren herabgesetzt wurde (vgl. VwGH vom 31.3.2017, Ra 2016/13/0034).

Beschwerdegegenständlich ist das Einkommensteuerverfahren für das Jahr 2013.

Sowohl mit Erstbescheid vom 25. Juni 2014 (Abgabengutschrift i.H.v. 974 €) als auch mit BFG-Erkenntnis vom 27. Oktober 2016 (Abgabengutschrift i.H.v. 787 €) kam es zu keiner Abgabenschuldigkeit, sondern zu einer Abgabengutschrift, weshalb Beschwerdezinsen gem. § 205a BAO im gegenständlichen Einkommensteuerverfahren für das Jahr 2013 nicht zustehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen das Erkenntnis des BFG wird gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen, da die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht abhängt, da diese Rechtsfrage mit VwGH-Erkenntnis vom 24.1.2018, Ra 2017/13/0005, bereits entschieden wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Wien, am 9. Mai 2018

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 30b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Hauptwohnsitzbefreiung, Mietvertrag, Kaufvertrag, Wohnungseigentum, Beschwerdezinsen, Abgabengutschrift

Verweise:

VwGH 24.01.2018, Ra 2017/13/0005
VwGH 31.03.2017, Ra 2016/13/0034

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