BFG RV/5100128/2016

BFGRV/5100128/201612.1.2018

Beantragte Verminderung des erhöhten Einheitswertes wegen eines niedrigeren gemeinen Wertes

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2018:RV.5100128.2016

 

Beachte:
Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2018/15/0006. Zurückweisung mit Beschluss vom 03.09.2019.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri
über die Beschwerde der R GmbH, Adresse, 
als Rechts­nach­folgerin der M GmbH & Co KG, 
vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas  Humer, Rechtsanwälte,
Dr.-Koss-Straße 2, 4600 Wels,
vom 30. Juli 2015 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom 22. Juni 2015,
betreffend Fest­stellung des Einheitswertes des Baurechtes Baurechtseinlagezahl 2, KG G, zum 1.1.2015,  EW-AZ,
zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Die Marktgemeinde G ist Eigentümerin der Liegen­schaft EZ 1, KG G, BG D, bestehend aus dem Grundstück Nr. 01 im Ausmaß von 8.186 m².

Für dieses Grundstück hat die Gemeinde ein Baurecht eingeräumt, für welches im Grund­buch die Baurechtseinlage EZ 2 eröffnet wurde. Auf dem Grundstück wurde eine Tennis- und Sqashhalle errichtet, welche als Gebäude auf fremden Grund und Boden dem jeweiligen Bauberechtigten zuzurechnen war.

Mit Bescheid vom 2. Jänner 1981 hat das Finanzamt Kirchdorf im Wege der Nach­fest­stellung für das Superädifikat (Tennishalle, Baurechtseinlage EZ 2)  erstmals zum 1. Jänner 1981 einen Einheitswert festgestellt. Der Einheitswert in Höhe von 2,841.000 ATS wurde der damaligen Bauberechtigten (S GmbH & Co KG) zugerechnet.

Zum strittigen Feststellungsstichtag 1. Jänner 2015 war die Fa. M GmbH & Co KG die im Grundbuch eingetragene Bauberechtigte.
Die Fa. R GmbH (Beschwerdeführerin, im Folgenden als Bfin. bezeichnet) wurde durch Verschmelzungsvertrag die Rechtsnachfolgerin der Fa. M GmbH & Co KG.

Am 18.6.2015 ersuchte die steuerliche Vertretung der M GmbH & Co KG um Zusendung eines aktuellen Einheitswertes für das Superädifikat mit der Einlagezahl 2 der KG G.

Das Finanzamt nahm diese Anfrage zum Anlass für eine Neuberechnung des Einheits­wertes des beschwerdegegenständlichen Baurechtsgrundstückes.
Nach dieser Berechnung betrug der Einheitswert der gesamten Liegenschaft EZ 1 der KG G 220.700 Euro. Dieser Einheitswert wurde nach § 56 Abs. 3 BewG auf die Grundeigentümerin und die Bauberechtigte aufgeteilt, wobei der Einheitswert der Grundeigentümerin mit 2.200 Euro und der Einheitswert der Bauberechtigten mit 218.500 Euro berechnet wurde.

Mit Feststellungsbescheid vom 22. Juni 2015 nahm das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr zum 1. Jänner 2015 eine Wertfortschreibung nach § 21 Abs. 1 Z 1 BewG vor und stellte den Einheitswert für die beschwerdegegenständliche Baurechtseinlage in Höhe von 218.500 Euro und den gemäß AbgÄG 1982 um 35% erhöhten Einheitswert in Höhe von 294.900 Euro fest.
Die Berechnung des Baurechtsobjektes und die Aufteilung des Einheitswertes auf den Bauberechtigten und den Grundeigentümer wurden der Bfin. gesondert übermittelt.

Gegen diesen Einheitswertbescheid zum 1. Jänner 2015 erhob die Bfin. durch ihren Vertreter mit Eingabe vom 30. Juli 2015 Beschwerde .
Sie wandte sich gegen die Feststellung des Wertes der Baurechtseinlage in Höhe von 294.900 Euro und beantragte die Abänderung des Einheitswertes auf höchstens € 250.000 Euro.

Zur Begründung führte  der Vertreter aus: „Die Grundbuchseinlage wurde vor Kurzem verkauft. Der von den Vertragsteilen als angemessen angesehene Kaufpreis wurde mit € 250.000.- festgelegt. Da der Einheitswert nicht höher sein kann als der gemeine Wert und dieser geringer ist als der von der Behörde ermittelte Wert, wird beantragt, den gemeinen Wert zugrunde zu legen.“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 3. November 2015 wies das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr die Beschwerde als unbegründet ab.
In der Begründung wurde ausgeführt, dass bebaute Grundstücke nach den Bestim­mungen des § 53 Abs. 1 bis 9 BewG zu bewerten seien. Eine Bewertung nach diesen Vorschriften liege auch dem Bescheid vom 22.6.2015 zu Grunde. Der Bauberechtigen sei der Wert der Gebäude und der Anteil des Baurechtes am Wert des Grund und Bodens zuzu­rechnen. Dieser Anteil sei nach der restlichen Dauer des Baurechtes zu bemessen und betrage im gegenständlichen Fall bei einer Restlaufzeit des Baurechtes zum Bewertungs­­stichtag (50 bis 45 Jahre) 90%. Der nach den Bestimmungen des § 53 Abs. 1 bis 9 BewG ermittelte Wert betrage im gegenständlichen Fall 220.700 Euro und liege damit unter dem Kaufpreis in Höhe von 250.000 Euro. Es sei daher der Einheitswert mit dem nach § 53 Abs. 1 bis 9 BewG ermittelten Wert festzustellen und betrage weiterhin 220.700 Euro.
Nach Artikel II Abs. 1 Abgabenänderungsgesetz 1982 (BGBI 1982/570) seien die nach den Vorschriften des BewG ermittelten Einheitswerte des Grundvermögens ab 1. Jänner 1983 um 35% zu erhöhen, wobei die Bestimmung des § 25 BewG anzuwenden sind.
Dieser nach den Vorschriften des BewG festgestellte Einheitswert in Höhe von 220.700 Euro  sei nach der obiger Bestimmung daher um 35%, auf 297.000 Euro  zu erhöhen. Mit dieser generellen prozentmäßigen Erhöhung der Einheitswerte um 35% auf Basis der Einheitswerte zum Hauptfeststellungszeitpunkt wollte der Gesetzgeber die Besteuerungs ­ grundlagen allgemein um diesen prozentuellen Wert erhöhen, unabhängig davon, ob sich der tatsächliche Wert auch in jenem Ausmaß erhöht habe (vgl. UFS RV/0743-W/04).
Gemäß § 53 Abs. 10 BewG sei nur vorgesehen, wenn der Kaufpreis bzw. der gemeine Wert niedriger sei als der nach § 53 Abs. 1 bis 9 BewG ermittelte Wert. Der gemeine Wert könne daher nicht als Einheitswert zugrunde gelegt werden.

Mit Eingabe vom 9. Dezember 2015 beantragte die Bfin. durch ihren Vertreter die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundes ­ finanzgericht.

Mit Vorlagebericht vom 20. Jänner 2016 legte das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr die Beschwerde dem Bundes­finanz­gericht vor.

Beweiswürdigung

Im Rahmen der Beweiswürdigung wird in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Parteien angenommen, dass der im Kaufvertrag vom 27.5.2015 vereinbarte Kaufpreis von 250.000 Euro für das hier strittge Baurecht (Baurechtseinlage EZ 2, KG G) fremd­üblich ist und dem gemeinen Wert im Sinne des § 10 BewG entspricht.

Rechtslage

Nach § 53 Abs. 10 BewG 1955 (Bewertungsgesetz 1955) ist bei bebauten Grundstücken, deren gemeiner Wert geringer ist als der auf Grund der Bestimmungen der Abs. 1 und 9 ermittelte Wert, auf Antrag der gemeine Wert zugrunde zu legen.

Gemäß § 56 Abs. 1 BewG 1955 werden Grundstücke, die mit Baurechten oder sonstigen grundstücksgleichen Rechten belastet sind, wie bebaute oder unbebaute Grundstücke bewertet.

Nach Abs. 2 ist der Gesamtwert gemäß Abs. 1 in vollem Umfang dem Berechtigten zuzurechnen, wenn die Dauer des Baurechtes in dem für die Bewertung maßgebenden Zeitpunkt noch 50 Jahre oder mehr beträgt.

Beträgt die Dauer des Baurechtes in dem für die Bewertung maßgebenden Zeitpunkt weniger als 50 Jahre, so ist nach Abs. 3 der Gesamtwert gemäß Abs. 1 auf den Grund und Boden und auf die Gebäude nach dem Verhältnis der gemeinen Werte zu verteilen. Dabei sind zuzurechnen:
1. Dem Berechtigten der Wert der Gebäude und außerdem der Anteil des Baurechtes am Wert des Grund und Bodens. Dieser Anteil ist nach der restlichen Dauer des Baurechtes zu bemessen. Er beträgt bei einer Dauer des Baurechtes
unter 50 bis zu 45 Jahren 90 vom Hundert,
unter 45 bis zu 40 Jahren 80 vom Hundert
unter 40 bis zu 35 Jahren 70 vom Hundert
unter 35 bis zu 30 Jahren 60 vom Hundert
unter 30 bis zu 25 Jahren 50 vom Hundert
unter 25 bis zu 20 Jahren 40 vom Hundert
unter 20 bis zu 15 Jahren 30 vom Hundert
unter 15 bis zu 10 Jahren 20 vom Hundert
unter 10 bis zu  5 Jahren 10 vom Hundert
unter 5 Jahren 0 vom Hundert
des Wertes des Grund und Bodens;
2. dem Eigentümer des Grund und Bodens der Wert des Grund und Bodens, der nach Abzug des in Z 1 genannten Anteiles verbleibt.

Nach Abschnitt XII, Artikel II, Abs. 1 Abgabenänderungsgesetz 1982 (AbgÄG 1982), BGBI. 1982/570, sind die nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955 ermittelten Einheitswerte des Grundvermögens sowie der Betriebsgrundstücke im Sinne des § 60 Abs. 1 Z. 1 BewG ab 1. Jänner 1983 um 35% zu erhöhen, wobei die Bestimmungen des § 25 BewG anzuwenden sind.

Erwägungen

Das zu bewertende Baurecht wurde mit Kaufvertrag vom 27.5.2015 um einen Kaufpreis von 250.000 Euro an die Grundeigentümerin (Marktgemeinde G) verkauft. Aufgrund der Beweiswürdigung ist davon auszugehen, dass der Kaufpreis fremdüblich ist und dem gemeinen Wert im Sinne des § 10 BewG entspricht. Der Kaufpreis bezieht sich nur auf das Baurecht selbst sowie auf die aufgrund des Baurechtes errichteten Gebäude und sonstigen Anlagen, nicht jedoch auf den Wert des Grund und Bodens.

Der gemeine Wert des zu bewertenden Baurechtes ist demnach höher als der von der Abgabenbehörde errechnete und festgestellte Einheitswert in Höhe von 218.500 Euro, aber niedriger als der gem. AbgÄG 1982 um 35% erhöhte Einheitswert in Höhe von 294.900 Euro.

Strittig ist die Auslegung des § 53 Abs. 10 BewG 1955, insbesondere die Frage, ob die Möglichkeit einer Herabsetzung des Einheitswertes wegen eines geringeren gemeines Wertes in analoger Anwendung auch auf den nach dem AbgÄG 1982 um 35% erhöhten Einheitswert anwendbar ist.

Nach Ansicht der Abgabenbehörde kann  der geringere gemeine Wert nur dann zu Grunde gelegt werden, wenn dieser geringer ist als der nach § 53 Abs. 1 bis 9 BewG ermittelte Wert. Der nach dem AbgÄG 1982 um 35% erhöhte Einheitswert kann wegen seines pauschalen Charakters nicht deshalb herabgesetzt werden, weil der gemeine Wert niedriger ist.
Die Abgabenbehörde beruft sich bei ihrer Rechtsansicht auch auf die Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates (vgl. UFS vom 20.2.2007, RV/0743-W/04).

Nach Ansicht der Bfin. bezieht sich die Möglichkeit einer Herabsetzung des Einheitswertes wegen eines geringeren gemeinen Wertes auch auf den nach dem AbgÄG 1982 um 35% erhöhten Einheitswert.

Nach dem Wortlaut des § 53 Abs. 10 BewG ist auf Antrag   bei bebauten Grundstücken, deren gemeiner Wert geringer ist als der auf Grund der Bestimmungen der Abs. 1 und 9 ermittelte Wert, der gemeine Wert zugrunde zu legen.
Das bedeutet, dass der gem. AbgÄG 1982 um 35% erhöhte Einheitswert für einen Vergleich mit dem gemeinen Wert im Sinne des § 53 Abs. 10 BewG nicht herangezogen werden kann.

Mit dem AbgÄG 1982 wurde eine Erhöhung der Einheitswerte um 35 v.H. der zum 1. Jänner 1973 festgestellten Einheits­werte ab dem 1. Jänner 1983 normiert. Mit dieser generellen prozentmäßigen Erhöhung der Einheitswerte um 35 v.H. auf Basis der Einheitswerte zum Hauptfeststellungs­zeitpunkt 1973 wollte der Gesetzgeber die Besteu­erungsgrundlagen allgemein um diesen prozentuellen Wert erhöhen, unabhängig davon, ob sich der tatsächliche Wert auch in jenem Ausmaß erhöht hat.

Die Ermittlung der Einheits­werte erfolgt weiterhin nach den Vorschriften des Bewertungs­gesetzes 1955 in der Fassung des Artikel I des Bundesgesetzes vom 24. November 1972, BGBl. Nr. 447. Der Bescheid über die Erhöhung des Einheitswertes ersetzt nicht den maßgebenden Einheitswertbescheid, er tritt hinsichtlich des ab einem bestimmten Zeitpunkt steuerlich maßgebenden Einheitswertes (erhöhter Einheitswert) zum maßgebenden Einheitswertbescheid hinzu, er ergänzt ihn. Der nicht erhöhte Einheitswert behält auch nach den Erhöhungs­zeit­punkten seine Wirksam­keit für bestimmte Bereiche bei, so z.B. für sämtliche Erhöhungen innerhalb des Hauptfeststellungszeitraumes.

Eine dem § 53 Abs. 10 BewG vergleichbare Bestimmung fehlt im AbgÄG 1982. Die Abagbenbehörde kann daher nicht auf Antrag den gemeinen Wert als erhöhten Einheitswert feststellen, wenn der gemeine Wert zwar höher ist als der auf Basis der Hauptfeststellungs­werte zum 1.1.1973 festgestellte Einheitswert, aber niedriger als der gem. AbgÄG 1982 pauschal um 35% erhöhte Einheitswert.

Aufgrund des Fehlens einer dem § 53 Abs. 10 BewG entsprechenden Bestimmung im AbgÄG 1982 war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bisher fehlt eine Rechtsprechung des VwGH zur Frage, ob die Möglichkeit einer Herabsetzung des Einheitswertes wegen eines geringeren gemeines Wertes in analoger Anwendung des § 53 Abs. 10 BewG auch auf den nach dem AbgÄG 1982 um 35% erhöhten Einheitswert anwendbar ist.

Dieser Frage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, weshalb zu entscheiden war, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichts­hof zulässig ist.

 

 

Linz, am 12. Jänner 2018

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 53 Abs. 10 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955
§ 56 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955

Verweise:

UFS 20.02.2007, RV/0743-W/04

Stichworte