BFH V R 25/92

BFHV R 25/9224.2.1994

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein Landkreis. Seit Ende 1985 stellte er an den "Verein ... e. V." (im folgenden: Verein) einen Beamten und einen An gestellten gegen Kostenerstattung ab. Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt.

Die Personalgestellung erfolgte nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) aus folgenden Gründen: Der Landkreis des Klägers gehörte seit vielen Jahren zu den Regionen mit der höchsten Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik Deutschland. Von der Arbeitslosigkeit besonders betroffen waren seinerzeit die Jugendlichen der geburtenstarken Jahrgänge. Vor diesem Hintergrund sah sich der Kläger veranlaßt, arbeitslosen Jugendlichen und schwer vermittelbaren älteren Arbeitslosen Arbeitsverhältnisse für eine vorübergehende Zeitspanne anzubieten. Da bei der Durchführung von Arbeits beschaffungsmaßnahmen (ABM) durch die öffentliche Hand selbst sich diese sehr häufig dem Mißtrauen ausgesetzt sieht, daß sie die Maßnahmen lediglich durchführt, um mit geringem Geldaufwand Arbeiten zu er ledigen, mit denen normalerweise die gewerbliche Wirtschaft beauftragt wird, hat der Kläger die Arbeitsverträge mit den ABM-Kräften nicht selbst abgeschlossen, sondern sich des Vereins bedient. Dieser war als Träger überbetrieblicher Ausbildungsplätze geschaffen worden. Anfang 1984 war die Vereinsaufgabe auf die Schaffung zusätzlicher Arbeitsgelegenheiten für Jugendliche und schwer vermittelbare Arbeitslose erweitert worden.

Mit den ABM-Kräften wurde ein reguläres Arbeitsverhältnis begründet. Während der in der Regel einjährigen Tätigkeit waren die Beschäftigten zumeist erstmals pflichtversichert und erwarben damit eigene Ansprüche auf soziale Leistungen und Arbeitslosengeld. Darüber hinaus waren sie während ihrer Tätigkeit beim Verein nicht arbeitslos und konnten bei Bewerbungen um andere Arbeitsplätze eine Beschäftigung und eine Erweiterung des beruflichen Erfahrungsbereiches nachweisen.

Wegen der außerordentlich erfolgreichen Arbeit des Vereins sah sich der Kläger veranlaßt, diejenigen eigenen Verwaltungskräfte, die mit der Durchführung der ABM bei ihm befaßt gewesen waren, dem Verein abzustellen. Hierfür sind dem Kläger von dem Verein im Jahre 1985 5 950 DM und im Jahre 1986 79 287 DM erstattet worden. Dem gegenüber zahlte der Kläger dem Verein einen Kreiszuschuß von 230 000 DM im Jahre 1985 und von 680 000 DM im Jahre 1986. Dieser wurde unter Berücksichtigung der Personalkosten des Vereins festgesetzt.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Auffassung, die Personalgestellung durch den Kläger sei im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erfolgt und umsatzsteuerpflichtig.

Das FG gab der Klage gegen die entsprechenden Umsatzsteuerbescheide für 1985 und 1986 statt. Es ließ offen, ob die Per sonalgestellung in Ausübung hoheitlicher Gewalt (Bekämpfung der Arbeitslosigkeit) erfolgt sei. Jedenfalls hebe sie sich trotz eines Entgelts von jährlich mehr als 60 000 DM nicht aus der Gesamtbetätigung des Klägers heraus. Entscheidend sei, daß die Personalgestellung nicht in Konkurrenz zur gewerblichen Wirtschaft erfolgt sei, sondern daß eine derartige Konkurrenz durch die Einschaltung des Vereins gerade habe ausgeschlossen werden sollen.

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt Verletzung des § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 i. V. m. § 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1984. Zur Begründung seiner Revision führt das FA aus, der Jahresumsatz von 60 000 DM sei ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, daß die Personalgestellung wirtschaftlich bedeutend gewesen sei. Der Kläger sei ferner in Konkurrenz zu gewerb lichen Arbeitnehmerüberlassern getreten; ein konkreter Wettbewerb im Einzelfall sei nicht erforderlich. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei der Bundesanstalt für Arbeit und nicht dem Landkreis als hoheit liche Aufgabe zugewiesen. Nicht jede Ausübung öffentlicher Gewalt im verwaltungsrechtlichen Sinne sei als Hoheitsbetrieb zu behandeln.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide 1985 und 1986 ist unbegründet.

Die Personalgestellung ist im Rahmen eines vom Kläger geführten Betriebs gewerblicher Art erfolgt; sie unterliegt deshalb der Umsatzsteuer.

1.

Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980 sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG 1984) und ihrer land- oder forstwirtschaft lichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind nach § 4 KStG 1984 alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaft lichen Tätigkeit zur Erzielung von Ein nahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben (§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG 1984). Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KStG 1984). Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören nicht Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe); für die Annahme eines Hoheitsbetriebs reichen Zwangs- oder Monopolrechte nicht aus (§ 4 Abs. 5 KStG 1984).

2.

Die Personalgestellung durch den Kläger erfolgte nicht im Rahmen eines Hoheitsbetriebs. Die entgeltliche Personalgestellung an eine Person des privaten Rechts dient regelmäßig der Erfüllung ihrer Auf gaben und nicht der Ausübung öffentlicher Gewalt (in diesem Sinne auch Abschn. 23 Abs. 16 der Umsatzsteuer-Richtlinien -- UStR --). So war es im Streitfall. Die Personalgestellung diente den Zwecken des privatrechtlich organisierten Vereins. Auch wenn diese gemeinnützig waren und sich mit den Interessen des Klägers deckten, liegt nicht Ausübung öffentlicher Gewalt i. S. des § 4 Abs. 5 KStG 1984 vor.

3.

Die Personalgestellung hob sich auch innerhalb der Gesamtbetätigung des Klägers wirtschaftlich heraus. Hierfür spricht bereits die Höhe des Entgelts für die Personalgestellung (vgl. hierzu Abschn. 23 Abs. 4 UStR und Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. Januar 1979 V R 26/74, BFHE 127, 83, BStBl II 1979, 746). Wichtiger ist noch, daß Arbeitnehmerüberlassung und Personalgestellung wirtschaftliche Tätigkeiten sind, die auch sonst der Umsatzsteuer unterliegen. Darauf, ob der Kläger mit der streitbefangenen Personalgestellung tatsächlich zu einem privaten Unternehmer in Wettbewerb trat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Entscheidend ist, daß die Körperschaft des öffent lichen Rechts Tätigkeiten ausführt, wie sie auch von einem privaten Unternehmer ausgeführt werden können (BFH-Urteil vom 30. Juni 1988 V R 79/84, BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910).

4.

Entgegen der Auffassung des FG folgt nichts anderes aus Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -- Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (6. EG-Richtlinie) und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH). Nach der genannten Vorschrift gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, sofern ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige nicht zu größeren Wett bewerbsverzerrungen führen würde. Nach der Rechtsprechung des EuGH greift diese Vorschrift nur ein, wenn die Leistungen dieser Einrichtungen den eigens für sie geltenden Rechtsregeln und nicht den allgemeingültigen Regelungen des Zivilrechts unterliegen (so z. B. EuGH-Urteile vom 17. Oktober 1989 Rs. 231/87 und 129/88, EuGHE 1989, 3233, und vom 15. Mai 1990 Rs. C 4/89, EuGHE 1990, 1969; so auch BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1992 V B 74/92, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1993, 116). Die Personalgestellung an den privatrechtlichen Verein folgt den Regelungen des Zivilrechts (zur Zulässigkeit der Beamtenausleihe vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Juni 1984 2 C 84.81, BVerfGE 69, 303) und fällt bereits deshalb nicht in den Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG- Richtlinie.

Stichworte