BFH IX R 26/96

BFHIX R 26/9631.3.1998

 

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Durch notariellen Erbauseinandersetzungs- und Übergabevertrag vom 26. September 1979 erwarb der Kläger von seinem Vater unentgeltlich ein Grundstück, auf dem sich zu dieser Zeit ein mehr als 100 Jahre altes zweigeschossiges Fachwerkhaus und ein landwirtschaftliches Ökonomiegebäude befanden. Das Fachwerkhaus wurde seit 1977 vom Kläger und seit 1979 auch von der Klägerin bewohnt.

Nachdem die Kläger Mitte 1981 aus dem Fachwerkhaus ausgezogen waren, vermietete der Kläger es ab 1. September 1982 für die Dauer von fünf Jahren. In dem Mietvertrag wurde darauf hingewiesen, daß das Wohnhaus sehr alt sei, "sich jedoch noch in einem ausreichenden Zustand befindet". Der Mieter sei berechtigt, in eigener Regie und Finanzierung das Haus auszubauen. Das Mietverhältnis wurde über den 31. August 1987 bis zum Auszug der Mieter Ende Juni 1988 fortgesetzt. Anschließend stand das Gebäude leer.

Vier Monate vor dem Auszug der Mieter beantragten die Kläger den Abbruch des Fachwerkhauses und den Umbau des Ökonomiegebäudes zu einem Einfamilienhaus. Nach einer von den Klägern beim Landratsamt eingereichten Stellungnahme war das Fachwerkhaus wirtschaftlich und technisch verbraucht.

Das Fachwerkhaus wurde im März 1989 mit einem Kostenaufwand von 4 231 DM abgebrochen. Das durch den Umbau des Ökonomiegebäudes entstandene Einfamilienhaus (Neubau) wurde im Mai 1989 bezugsfertig und zu diesem Zeitpunkt von den Klägern bezogen.

In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger für den Neubau den Sonderausgabenabzug gemäß §10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend und beantragten ferner, den Restbuchwert des Altbaus und die Abbruchkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erkannte mit Einkommensteuerbescheid 1989 vom 8. Juli 1991 für den Neubau einen Sonderausgabenabzug gemäß §10e EStG an, lehnte jedoch die beantragten Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung mit der Begründung ab, durch die Beendigung der Vermietung und den anschließenden Abbruch des Altbaus sei die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgegeben worden.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage, der das Finanzgericht (FG) teilweise stattgab (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 804). Die Abbruchkosten anerkannte es als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Den Abzug des geltend gemachten Restbuchwerts versagte das Gericht, da dieser nicht auf das Fachwerkhaus, sondern auf das Ökonomiegebäude entfalle.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Zwischen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und dem Abbruch bestehe kein wirtschaftlicher Zusammenhang. Das FG lasse die Tatsache unberücksichtigt, daß die Kläger ihre Vermietungsabsicht schon lange Zeit vor dem Abbruch aufgegeben hätten und das Grundstück einer privaten Nutzung zuführen wollten. Die Abrißkosten stünden in nicht unerheblichem Maße in Zusammenhang mit der privaten Verwendung des Neubaus und seien somit dem Lebensführungsbereich (§12 Nr. 1 Satz 2 EStG) zuzuordnen.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet; sie ist zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Recht den Abzug der Abbruchkosten als nachträgliche Werbungskosten anerkannt.

1.

Werbungskosten gemäß §9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Aufwendungen, bei denen ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung besteht. Nachträgliche Werbungskosten sind Aufwendungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer früheren, auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit stehen (Senatsurteil vom 7. November 1995 IX R 81/93, BFH/NV 1996, 533, m.w.N.).

2.

Nach ständiger Rechtsprechung seit dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) kommt es für den Abzug der Abbruchkosten als sofort abziehbare Werbungskosten bei einem Gebäude darauf an, ob dieses ohne Abbruchabsicht erworben wurde. Die Abbruch- und Aufräumkosten für ein Gebäude, das ein Steuerpflichtiger zunächst zur Erzielung von Vermietungseinkünften nutzt, das dann aber wirtschaftlich und technisch verbraucht ist, sind in der Regel ebenso wie die Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) als Werbungskosten abziehbar (Senatsurteile vom 31. August 1993 IX R 79/89, BFH/NV 1994, 232; vom 1. Dezember 1992 IX R 333/87, BFHE 170, 113, BStBl II 1994, 12, jeweils m.w.N.). Der Entschluß des Steuerpflichtigen, ein Gebäude abzubrechen, bringt in diesen Fällen die Tatsache seines wirtschaftlichen Verbrauchs zum Ausdruck, und zwar ohne daß es darauf ankommt, ob an die Stelle des abgebrochenen Gebäudes ein dem gleichen Zweck gewidmeter Neubau tritt (Großer Senat in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 unter D. II. 1. a). Demgegenüber wird bei einem Erwerb eines Gebäudes in Abbruchabsicht ein weiterreichendes Ziel, nämlich entweder die Herstellung eines neuen Gebäudes oder sonstigen Wirtschaftsguts oder lediglich die Beseitigung des alten Gebäudes verfolgt. In diesen Fällen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang der Anschaffungskosten mit den später beabsichtigten Maßnahmen, der einen Abzug als Werbungskosten ausschließt.

Diese Grundsätze zur Behandlung von Abbruchkosten bei entgeltlichem Erwerb eines bebauten Grundstücks gelten auch für den unentgeltlichen Erwerb im Wege der Einzelrechtsnachfolge (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 X R 116/91, BFHE 179, 331, BStBl II 1996, 358; Senatsurteile vom 12. September 1995 IX R 87/94, BFH/NV 1996, 302; vom 7. Oktober 1986 IX R 93/82, BFHE 148, 495, BStBl II 1987, 330, m.w.N.).

3.

Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend die Abbruchkosten als sofort abziehbare Werbungskosten behandelt.

Nach den bindenden (vgl. §118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG, die das FA in der Revisionsbegründung nochmals bestätigt hat, erwarb der Kläger das Haus ohne Abbruchabsicht im Rahmen der Erbauseinandersetzung unentgeltlich. Nach dem Erwerb bewohnten die Kläger es zunächst selbst, bevor sie es ab 1. September 1982 vermieteten.

Die Abbruchkosten stehen damit im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Daß die Kläger gleichzeitig mit dem Antrag zum Abriß des Fachwerkhauses den Umbau des angrenzenden Ökonomiegebäudes zu einem Einfamilienhaus beantragt und durchgeführt haben, ist unerheblich. Hat der Steuerpflichtige ein Gebäude ohne Abbruchabsicht erworben, ist das spätere Motiv des Steuerpflichtigen für den Abbruch grundsätzlich ebensowenig von Bedeutung, wie die Frage, ob an die Stelle des abgebrochenen Gebäudes ein dem gleichen Zweck gewidmeter Neubau tritt (Großer Senat in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620).

In den Fällen, in denen die Aufwendungen allein oder ganz überwiegend durch eine nachfolgende Veräußerung des Grundstücks veranlaßt sind, kann ein Abzug als Werbungskosten ausscheiden, wenn der innere Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch die Verknüpfung mit der nicht einkommensteuerbaren Grundstücksveräußerung überlagert wird (BFH-Urteil vom 6. März 1979 VIII R 110/74, BFHE 127, 510, BStBl II 1979, 551; zu Aufwendungen zur Schadensbeseitigung: Senats-Urteil vom 23. Januar 1990 IX R 17/85, BFHE 159, 491, BStBl II 1990, 465; zu Räumungskosten: Senats-Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 151/86, BFH/NV 1989, 485). Nutzt demgegenüber der Grundstückseigentümer das bisher für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eingesetzte Grundstück selbst, wird der Zusammenhang der Aufwendungen mit der früheren Einkunftserzielung nicht verändert. Die Abbruchkosten sind als letzter Akt der Vermietungstätigkeit anzusehen und als sofort abziehbare Werbungskosten anzuerkennen. Die Tatsache, daß das Grundstück in Zukunft nicht mehr zur Einkunftserzielung genutzt wird, führt nicht dazu, daß die Veranlassung des Abbruchs durch die Einkünfteerzielung durch die private Verwendung des Grundstücks überlagert wird.

Zu Unrecht verweist das FA in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung zu Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Beendigung der Vermietung entfallen. Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Aufgabe der Vermietungsabsicht oder -tätigkeit entfallen, sind keine nachträglichen Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, weil sie nicht mehr mit der Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sondern Gegenleistung für die Überlassung von Kapital sind, das nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dient (Senatsurteil vom 12. Oktober 1995 IX R 115/90, BFH/NV 1996, 208, m.w.N.). Demgegenüber weist das FG zutreffend darauf hin, daß im Gegensatz zu den Schuldzinsen die Abbruchkosten in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem technischen und wirtschaftlichen Werteverzehr, den das Gebäude in der Zeit der Einkunftserzielung erlitten hat, stehen.

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