BFH IX R 14/04

BFHIX R 14/047.6.2006

§ 21 Abs. 1 EStGFG Düsseldorf - 26.02.2004 - AZ: 15 K 3451/01 F

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Grundstücksgemeinschaft, bestehend aus den Gemeinschafterinnen B und L. Diese waren im Streitjahr 1999 je zur Hälfte Miteigentümerinnen an den Grundstücken A-Straße und H-Straße. Das Gebäude H-Straße umfasste vier Wohnungen mit insgesamt 349 qm und einen Büroraum mit 10 qm, der als Vermietungsbüro genutzt wurde. Die Erdgeschosswohnung dieses Hauses (90 qm) wurde von L sowie ihrem damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann zu eigenen Wohnzwecken auf Grund eines mit der Grundstücksgemeinschaft (B/L) abgeschlossenen Mietvertrags genutzt. Die übrigen Wohnungen beider Häuser waren an dritte Personen fremdvermietet.

Von den von der Klägerin (Grundstücksgemeinschaft) für das Streitjahr insgesamt erklärten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Feststellungsbescheid für das Streitjahr die Vermietung der von L und ihrem Lebensgefährten eigengenutzten Wohnung nicht an und kürzte die Einnahmen um die Miete aus der eigengenutzten Wohnung sowie die Werbungskosten um 25,07% (90 qm zu 359 qm) der auf die Wohnungen H-Straße entfallenden Aufwendungen; die geltend gemachten Sonderwerbungskosten wurden unverändert berücksichtigt.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die Klage als unbegründet ab (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 902): Die Bruchteilsgemeinschaft selbst könne nicht Träger von Rechten und Pflichten sein. Vielmehr stelle sich die entgeltliche Nutzungsüberlassung eines Grundstücksteils durch die Bruchteilsgemeinschaft an eines ihrer Mitglieder --abgesehen von der Identität von Gläubigerin und Schuldnerin in Person der L-- in Höhe ihres (ideellen) Miteigentumsanteils als Eigennutzung dar und sei daher einkommensteuerlich unbeachtlich.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Der Mietvertrag zwischen der Grundstücksgemeinschaft und der L sowie ihrem Lebensgefährten, der einem Fremdvergleich ohne weiteres standhalte, sei auch steuerrechtlich in vollem Umfang anzuerkennen. Allenfalls sei eine Selbstnutzung durch L in Höhe von 12,53% der Wohnfläche des Gebäudes H-Straße gegeben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Feststellungsbescheid 1999 vom 29. November 2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2001 dahin gehend zu ändern, dass die Einkünfte der L 5 358 DM und der B -4 354 DM betragen.

Das FA beantragt unter Hinweis auf Abschn. 164 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR),

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. FG und FA haben die Vermietung der EG-Wohnung an die L und ihren Lebensgefährten unzutreffend insoweit nicht der Besteuerung unterworfen, als L das in gemeinschaftlichem Bruchteilseigentum stehende Gebäude H-Straße über ihren Miteigentumsanteil hinaus genutzt hat. Im Übrigen fehlen Feststellungen zur genauen Ermittlung der Einkünfte.

1.

Das Rubrum dieses Verfahrens ist dahin zu ändern, dass die L und B Grundstücksgemeinschaft Klägerin und Revisionsklägerin ist. Die Revision der Beteiligten an der Grundstücksgemeinschaft ist als solche der Grundstücksgemeinschaft (Klägerin) zulässig. Denn nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine --wie im Streitfall-- nach außen als Vermieterin auftretende Grundstücksgemeinschaft im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung beteiligtenfähig und klagebefugt und wie eine Personengesellschaft als wirtschaftlich vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis partiell steuerrechtsfähig (vgl. BFH-Urteile vom 18. Mai 2004 IX R 83/00, BFHE 206, 162, BStBl II 2004, 898; IX R 49/02, BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929; IX R 42/01, BFH/NV 2005, 168; vom 29. Juni 2004 IX R 39/03, BFH/NV 2004, 1371). Mit Aufhebung des FG-Urteils erledigt sich auch die Änderung dessen Rubrums.

2.

Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen und Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag ist (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juni 2002 IX R 55/99, BFH/NV 2002, 1556; vom 17. Dezember 1996 IX R 30/94, BFHE 182, 170, BStBl II 1997, 406; vom 27. Januar 1993 IX R 269/87, BFHE 170, 383, BStBl II 1994, 615). Das kann auch eine Grundstücksgemeinschaft sein.

a)

Bei Miteigentümern ist zunächst zu prüfen, ob diese unbewegliches Vermögen gemeinschaftlich vermieten und somit den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gemeinschaftlich verwirklicht haben. Dies festzustellen ist vorrangig gegenüber der Frage nach der Zurechnung ggf. gemeinschaftlich erzielter Einkünfte; diese Frage stellt sich nicht mehr, wenn nur ein Miteigentümer allein den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt (BFH-Urteile vom 30. Juni 1999 IX R 83/95, BFHE 190, 82, BFH/NV 2000, 118; vom 11. März 2003 IX R 16/99, BFH/NV 2003, 1043).

b)

Eine Vermietung unter Miteigentümern ist u.a. dann steuerrechtlich anzuerkennen, wenn die Nutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes durch einen Miteigentümer über seinen Miteigentumsanteil hinausreicht (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929, unter II. 2. c, m.w.N.; R 164 Abs. 2 EStR). Bei gemeinschaftlichem Bruchteilseigentum wird der betreffende Gegenstand selbst weder real noch ideell geteilt; geteilt wird nur die Rechtszuständigkeit am gemeinschaftlichen Gegenstand (vgl. BFH-Urteile in BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929, unter II. 3. b; vom 12. Februar 1988 VI R 141/85, BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764, unter I. 3., m.w.N.). Vermietet daher eine Grundstücksgemeinschaft eine Wohnung eines im Miteigentum stehenden Wohnhauses an einen Miteigentümer und nutzt dieser das gemeinschaftliche Wohnhaus insgesamt über seinen Miteigentumsanteil hinaus, so erzielt der andere Miteigentümer anteilig Einkünfte aus der Vermietung; der die Wohnung nutzende Miteigentümer hat hinsichtlich seiner auf fremdem (von den anderen Miteigentümern überlassenen) Recht beruhenden Nutzung eine mieterähnliche Stellung, er erzielt folglich insoweit keine Vermietungseinkünfte (vgl. BFH in BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929, und in BFH/NV 2005, 168).

3.

Nach diesen Maßstäben hat das FG die Vermietung der EG-Wohnung an die L und ihren Lebensgefährten zu Unrecht in vollem Umfang außer Acht gelassen. Vielmehr hat B aus dieser Vermietung anteilig Einkünfte erzielt; denn L hat im Streitfall die zusammen mit ihrem Lebensgefährten bewohnte Wohnung über ihren Miteigentumsanteil hinaus genutzt. Die übrigen Wohnungen im Gebäude H-Straße vermieten L und B über die Klägerin gemeinschaftlich.

a)

Aus den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat L das im Miteigentum von L und B stehende Gebäude zu 62,53 v.H. (359 qm : 2 = 179,5 qm + 45 qm = 224,5 qm) genutzt, während ihr Miteigentumsanteil lediglich 50 v.H. beträgt. Die Selbstnutzung eines Teils des Gebäudes durch L führt nicht zum vorrangigen "Verbrauch" ihres Miteigentumsanteils. L hat im Zusammenhang mit der Vermietung der EG-Wohnung selbst keine Vermietungseinkünfte erzielt, weil es schon zivilrechtlich an einem Mietverhältnis fehlt: L wäre nämlich Vermieterin und gleichzeitig ihre eigene Mieterin. Die Entstehung eines Schuldverhältnisses setzt aber voraus, dass ein Gläubiger und ein (personenverschiedener) Schuldner vorhanden ist (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 4. Juli 1991 III ZR 101/90, BGHZ 115, 116, 122; vom 1. Juni 1967 II ZR 150/66, BGHZ 48, 214, 218; s.a. BFH-Urteil vom 30. Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327, unter 4. b).

b)

Hingegen hat B aus der Vermietung der EG-Wohnung anteilig Einkünfte erzielt. B hat L --abweichend von § 743 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)-- einen weiter gehenden Gebrauch der gemeinschaftlichen Sache eingeräumt. Statt des ihr zustehenden Entschädigungsanspruchs aus § 745 Abs. 2 BGB (vgl. BGH-Urteil vom 13. April 1994 XII ZR 3/93, Neue Juristische Wochenschrift 1994, 1721) hat B zugunsten der L gegen Entgelt auf ihr Mitgebrauchsrecht verzichtet und ihr die Wohnung im EG zur Alleinnutzung überlassen. Insoweit hat B zum Ausgleich der Mehrnutzung eine entgeltliche Nutzungsvereinbarung mit L und ihrem Lebensgefährten abgeschlossen. Diese Vereinbarung ist --als Mietverhältnis-- steuerrechtlich anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929, unter II. 3. b, m.w.N.; R 164 Abs. 2 EStR). Entsprechend erzielt die B im Umfang der Mehrnutzung durch L Einkünfte aus der Vermietung der EG-Wohnung.

c)

Der Vortrag der Klägerin, mit dem Lebensgefährten der L habe ein Nichtmitglied der Grundstücksgemeinschaft die EG-Wohnung mitgemietet und mitgenutzt und daher stünden L und ihr Lebensgefährte als dritte Personen der Klägerin als Grundstücksgemeinschaft gegenüber, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Mietvertrag mit L und ihrem Lebensgefährten ist nur im Umfang der über ihren Miteigentumsanteil hinausgehenden Mehrnutzung (12,53 v.H.) steuerrechtlich anzuerkennen, da L die EG-Wohnung im Übrigen aus eigenem Recht als Miteigentümerin nutzt, und zwar auch hinsichtlich der (mietvertraglich vereinbarten Mit-)Nutzung durch ihren Lebensgefährten (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1996 IX R 100/93, BFHE 180, 74, BStBl II 1996, 359).

4.

Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung nicht; sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks H-Straße sind im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1999 nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen (unter 2. bis 3.) unter Berücksichtigung der Vermietung der EG-Wohnung durch die B an die L (und ihren Lebensgefährten) im Umfang der durch L erfolgten Mehrnutzung festzustellen. Auch hinsichtlich dieser Vermietungseinkünfte der B liegen die Voraussetzungen für eine einheitliche und gesonderte Feststellung gemäß § 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) vor.

Indes hat das FG --aus seiner Sicht folgerichtig-- keine Feststellungen zur Ermittlung der Einkünfte aus den beiden Wohngrundstücken, insbesondere zu den genauen Einnahmen und Werbungskosten und deren Verteilung auf die beiden Beteiligten an der Klägerin getroffen; dies wird es --auch unter Überprüfung des Antrags der Klägerin-- nachholen.

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