BFH III R 20/03

BFHIII R 20/0323.3.2005

Amtlicher Leitsatz:

Gliedert das klagende Unternehmen während des Klageverfahrens einen Unternehmensbereich auf einen anderen Rechtsträger aus, so ist der übernehmende Rechtsträger nicht Gesamtrechtsnachfolger des übertragenden Rechtsträgers, so dass kein gesetzlicher Beteiligtenwechsel eintritt (Anschluss an das BFH-Urteil vom 7. August 2002 I R 99/00, BFHE 199, 489 , BStBl II 2003, 835).

Normen

§ 67 FGO
§ 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG

FG Berlin - 12.03.2003 - AZ: 2 K 4039/00

 

Gründe

I.

Die X-AG beantragte für 1996 eine Investitionszulage unter anderem für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern für den Unternehmensbereich der Stromerzeugung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gewährte die Investitionszulage nur teilweise. Der Einspruch gegen den (geänderten) Investitionszulagenbescheid für 1996 war erfolglos.

Am 26. Januar 2000 erhob die X-AG Klage. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens gliederte die X-AG durch Vertrag vom 27. Juni 2002 den Unternehmensbereich Stromerzeugung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG 1995) "im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge" auf die Revisionsklägerin aus. Gemäß § 5 dieses Vertrages sollte der übernehmende Rechtsträger alle öffentlich-rechtlichen Verfahren und Prozessverhältnisse sowie die entsprechenden Rechte und Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis übernehmen.

Die Prozessvertreter der X AG und der Revisionsklägerin trugen vor, aufgrund der "partiellen Gesamtrechtsnachfolge" sei ein zulässiger Beteiligtenwechsel eingetreten. Nach gefestigter Auffassung im Schrifttum, die auch von der Finanzverwaltung anerkannt werde, gingen sämtliche Rechte und Pflichten auf den übernehmenden Rechtsträger jedenfalls dann über, wenn die Übernahme der entsprechenden Rechte und Pflichten im Ausgliederungsvertrag geregelt sei. Im Streitfall sei in § 5 des Ausgliederungsvertrages ausdrücklich bestimmt, dass der übernehmende Rechtsträger alle öffentlich-rechtlichen Verfahren und Prozessverhältnisse zu übernehmen habe. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. August 2002 I R 99/00 (BFHE 199, 489 , BStBl II 2003, 835) gehe zwar das Prozessrechtsverhältnis bei einer Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG 1995 nicht über, der BFH halte aber eine Klageänderung i.S. von § 67 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Zustimmung des Gegners für zulässig.

Laut Protokoll stimmte das FA in der mündlichen Verhandlung der angeregten "Umstellung des Rubrums" auf die Revisionsklägerin zu.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es hielt unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 199, 489 , BStBl II 2003, 835 für "sachdienlich, der von den Beteiligten einvernehmlich angeregten Umstellung des Rubrums durch subjektive Klageänderung (§ 67 FGO) zu entsprechen". Die Klage sei aber unbegründet, weil es sich bei der streitigen Investitionszulage für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern um Investitionen in Betriebsstätten der Elektrizitätsversorgung handle, die nach § 3 Satz 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996 von der Investitionszulage ausgeschlossen seien. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1117 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Revisionsklägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe § 3 Satz 3 InvZulG 1996 unzutreffend ausgelegt.

Die Revisionsklägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Investitionszulagenbescheides vom 3. Februar 1999 und der Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2000 die Investitionszulage für 1996 um ... DM auf ... DM zu erhöhen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen für eine zulässige subjektive Klageänderung gemäß § 67 FGO als gegeben angesehen.

Die Revisionsklägerin ist hinsichtlich der Investitionszulage 1996 weder klagebefugt noch kommt nach Ablauf der Klagefrist ein gewillkürter Beteiligtenwechsel in Betracht.

1.

Ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel findet im Falle der Ausgliederung nicht statt.

Entgegen der Auffassung der Revisionsklägerin handelt es sich bei einer Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG 1995 nicht um eine partielle Gesamtrechtsnachfolge, die zu einem kraft Gesetzes eintretenden Beteiligtenwechsel führt.

Wie der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 6. Dezember 2000 XII ZR 219/98 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2001, 1217, zustimmend Simon in Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 2003, § 131 Rz. 10) bereits für einen Passivprozess ausgeführt hat, darf die im Schrifttum verwendete Bezeichnung der Ausgliederung als partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich nicht um den Übergang des gesamten Vermögens eines untergegangenen Rechtsträgers handelt, sondern lediglich um eine besondere Übertragungsart, die es gestattet, statt der Einzelübertragung verschiedener Vermögensgegenstände eine allein durch den Parteiwillen zusammengefasste Summe von Vermögensgegenständen, einschließlich der Verbindlichkeiten (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG 1995), in einem Akt zu übertragen. Insbesondere darf aus dem Umstand, dass das Gesetz diese Art der Übertragung ermöglicht, nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass sie prozessual andere Folgen als eine Einzelübertragung hat.

Der I. Senat des BFH hat sich im Urteil in BFHE 199, 489 , BStBl II 2003, 835 dieser Rechtsauffassung für den Fall einer Ausgliederung durch Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG 1995 angeschlossen (zustimmend auch Buciek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 45 AO 1977 Rz. 15; Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 45 Rz. 4; Gosch in Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung 2003, 103; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. Januar 2005, BStBl I 2005, 3, zu § 45 AO 1977 Nr. 2). Der übertragende --aber fortbestehende-- Rechtsträger bleibt deshalb Steuerschuldner und Beteiligter eines anhängigen Aktivprozesses. Auch der I. Senat des BFH hat einen Fall des gesetzlichen Beteiligtenwechsels verneint.

Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung für das Zulagenrecht an.

Soweit keine abweichenden Sonderregelungen bestehen, sind die zivilrechtlichen Vorgaben des Umwandlungsrechts auch für das Steuerrecht und ebenso für das Zulagenrecht maßgebend (BFH-Urteil vom 30. September 2003 III R 6/02, BFHE 203, 553, 556, BStBl II 2004, 85). Entscheidend ist, dass der übertragende Rechtsträger trotz der gesetzlich erleichterten Übertragungsform nicht untergeht, sondern fortbesteht. Die Ausgliederungsfälle sind trotz des rechtstechnischen Instruments der Universalsukzession mit den typischen Fällen der Gesamtrechtsnachfolge nicht vergleichbar und können nicht automatisch auch zum Übergang einschlägiger Prozessrechtsverhältnisse auf den neuen Unternehmensträger führen (ebenfalls Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., § 8 I. 7. c).

2.

Ebenso wenig sind im Streitfall die Voraussetzungen für einen gewillkürten Beteiligtenwechsel gemäß § 67 FGO gegeben.

a)

In dem vom I. Senat des BFH entschiedenen Fall (Urteil in BFHE 199, 489 , BStBl II 2003, 835) lagen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen gewillkürten Beteiligungswechsel im Wege der Klageänderung gemäß § 67 FGO deshalb nicht vor, weil weder das beklagte FA eingewilligt hatte noch die Klageänderung als sachdienlich zu beurteilen war. Die Klageänderung ist nämlich dann nicht sachdienlich, wenn die angefochtenen Steuerbescheide nicht gegen die eingetretene Gesellschaft ergangen sind noch gegen sie wirken. Auch im Streitfall ist Adressatin des angefochtenen Investitionszulagenbescheides sowie der Einspruchsentscheidung ausschließlich die X-AG; nur diese ist von den Regelungen unmittelbar betroffen. Deshalb hat das FG zu Unrecht die Klageänderung als sachdienlich beurteilt.

Der Zulagenanspruch für 1996 ist --vorbehaltlich der im Einzelnen noch zu prüfenden tatbestandlichen Voraussetzungen-- bereits bei der X AG mit Ablauf des Kalenderjahres 1996 entstanden (BFH-Urteile vom 20. September 1999 III R 33/97, BFHE 190, 266 , BStBl II 2000, 208, 211; vom 12. Oktober 2000 III R 35/95, BFHE 193, 204, BStBl II 2001, 499, 502). Nach § 4 Satz 1 InvZulG 1996 ist Bemessungsgrundlage die Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Wirtschaftsjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. Gehen im Wege der Ausgliederung begünstigte Wirtschaftsgüter auf den übernehmenden Rechtsträger über, so ändert dies nichts daran, dass der Zulagenanspruch ein einheitlicher Anspruch bleibt, der insbesondere nicht aufgeteilt werden kann auf den übertragenden und den oder sogar mehrere neue übernehmenden Rechtsträger.

b)

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist zudem eine Klageänderung im Wege eines gewillkürten Beteiligtenwechsels bei fristgebundenen Klagen --wie im Streitfall einer Anfechtungsklage (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 2002 III R 30/99, BFHE 198, 134 , BStBl II 2002, 547)-- ausschließlich innerhalb der dafür geltenden Klagefrist (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO) zulässig (grundlegend BFH-Urteile vom 26. Februar 1980 VII R 60/78, BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331; vom 22. Januar 2004 III R 26/02, BFH/NV 2004, 792; vom 2. Oktober 1990 VIII R 118/85, BFH/NV 1991, 429; vom 15. März 1993 V R 111/89, BFH/NV 1994, 636).

Soweit die Revisionsklägerin im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, in § 5 des Ausgliederungsvertrages sei ausdrücklich vereinbart worden, dass sie als übernehmende Rechtsträgerin die entsprechenden Rechte und Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis übernehmen und in alle öffentlich-rechtlichen Verfahren und Prozessverhältnisse eintreten solle, ist dies für das Vorliegen der von Amts wegen zu prüfenden Sachentscheidungsvoraussetzungen unerheblich. Im finanzgerichtlichen Verfahren unterliegt die Bestimmung des richtigen Klägers oder Beklagten nicht der Disposition der Beteiligten (BFH-Beschluss vom 15. März 2002 VII B 120/01, BFH/NV 2002, 943).

c)

Gemäß § 7 InvZulG 1996 i.V.m. § 46 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) können Ansprüche auf Erstattung von Steuern oder auf Steuervergütungen --wie dem Anspruch auf Investitionszulage-- abgetreten werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1987 VII R 166/84, BFH/NV 1988, 416). Es kann offen bleiben, ob im Streitfall überhaupt eine wirksame Abtretung nach § 46 AO 1977 vorliegt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557). Der Zulagenanspruch ist indes nicht "dinglich" mit dem begünstigten Wirtschaftsgut verhaftet, sondern steht dem Anspruchsberechtigten i.S. des § 1 Abs. 1 InvZulG 1996 zu, der den Fördertatbestand nach § 2 Satz 1 InvZulG 1996 verwirklicht hat. Der entstandene Zulagenanspruch kann im Falle einer Einzelrechtsnachfolge an den Rechtsnachfolger abgetreten werden. Jedoch geht durch eine solche Abtretung nicht die Rechtsstellung des Anspruchsberechtigten im Festsetzungsverfahren auf den Abtretungsempfänger über (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 1998 VII R 114/97, BFHE 187, 1 , BStBl II 1999, 84, m.w.N.). Der Abtretungsempfänger tritt nur insoweit an die Stelle des bisherigen Gläubigers, als dessen Rechtsposition übertragbar ist, also nur hinsichtlich des reinen Zahlungsanspruchs; der Abtretungsempfänger ist indes weder am Festsetzungsverfahren selbst beteiligt, noch Adressat des Festsetzungsbescheides (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83, BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223). Er kann gegen die nicht ihn betreffenden Bescheide weder Einspruch einlegen (BFH-Beschluss vom 27. Januar 1993 II S 10/92, BFH/NV 1993, 350) noch klagen (BFH-Urteil in BFHE 187, 1 , BStBl II 1999, 84, m.umf.N.). Die prozessuale Stellung des Abtretenden geht nicht auf ihn über (BFH-Urteil in BFHE 187, 1 , BStBl II 1999, 84, m.umf.N.). Zum Rechtsbehelfsverfahren des Anspruchsberechtigten ist er auch nicht hinzuzuziehen (BFH-Urteile in BFHE 187, 1 , BStBl II 1999, 84; in BFHE 199, 489 , BStBl II 2003, 835).

d)

Ebenso wenig ist der Abtretungsempfänger berechtigt, ein Rechtsmittel als --gewillkürter-- Prozessstandschafter für den Abtretenden, d.h. im eigenen Namen, aber mit Wirkung für und gegen dessen Person, einzulegen (BFH-Beschluss in BFH/NV 1993, 350).

3.

Die angefochtene Entscheidung war deshalb wegen Fehlens einer Sachentscheidungsvoraussetzung aufzuheben. Die Rechtssache muss zur erneuten Verhandlung (mit der ursprünglichen Klägerin, der X AG) und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.

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