Normen
§ 211 Absatz 3 AO
§ 258 Absatz 2 AO
§ 282 AO
Postzustellungs-VO vom 23. August 1943
Entscheidungsgründe
Die Vorentscheidung wurde dem Beschwerdeführer (Bf.) durch einfachen Brief zugestellt, der am 4. August 1950 zur Post gegeben wurde. Nach der dem Urteil des Finanzgerichts beigegebenen Rechtsmittelbelehrung beträgt die Rechtsmittelfrist für die Rechtsbeschwerde (Rb.) einen Monat, beginnend nach Ablauf des Tages der Zustellung mit der Maßgabe, daß als Tag der Zustellung der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post gilt. Hiernach wäre die Rechtsmittelfrist am 7. September 1950 abgelaufen gewesen und die erst am 8. September 1950 beim Finanzgericht eingegangene Rb. verspätet.
Die Rechtsmittelbelehrung beruht auf der Verordnung über Vereinfachungen bei der Zustellung von Bescheiden im Besteuerungsverfahren vom 11. Dezember 1932 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 544). Nach § 1 dieser Verordnung kann bei Steuerbescheiden und bei Rechtsmittelentscheidungen im Besteuerungsverfahren die Zustellung dadurch ersetzt werden, daß der Bescheid dem Steuerpflichtigen (Stpfl.) durch einfachen Brief verschlossen zugesandt wird. Nach § 2 der Verordnung gilt bei Zusendung durch einfachen Brief die Bekanntgabe grundsätzlich mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt. Durch die Verordnung über Postzustellung in der öffentlichen Verwaltung (Postzustellungs-Verordnung) vom 23. August 1943 (RGBl. I S. 527) wurde für das gesamte Gebiet der öffentlichen Verwaltung bestimmt, daß Zustellungen durch die Post durch Aufgabe des mitzuteilenden Schriftstücks bei der Post bewirkt werden können, ohne daß es einer Beurkundung durch den Postbediensteten bedarf. Nach § 1 Absatz 1 der Postzustellungs-Verordnung gilt die Zustellung, wenn die Wohnung des Empfängers im Bereich des Ortsbestellverkehrs liegt, am zweiten, im übrigen am vierten Werktag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt. Bei Anwendung der Vorschriften der Postzustellungs-Verordnung wäre also die dem Urteil des Finanzgerichts beigefügte Rechtsmittelbelehrung unrichtig und die Rechtsmittelfrist, da die Wohnung des Empfängers außerhalb des Bereichs des Ortsbestellverkehrs liegt, erst am 9. September 1950 abgelaufen, die am 8. September 1950 eingegangene Rb. mithin rechtzeitig eingelegt.
Bei Abfassung der Rechtsmittelbelehrung ging das Finanzgericht offenbar davon aus, daß die auf Grund der Nr. VI des sogenannten Führererlasses über die Vereinfachung der Verwaltung vom 28. August 1939 (RGBl. I S. 1535) erlassene Postzustellungs-Verordnung außer Kraft getreten und damit die Verordnung vom 11. Dezember 1932 wieder wirksam geworden sei. Die gleiche Auffassung findet sich auch in Absatz 2 des Erlasses des Finanzministeriums Württemberg-Baden vom 16. Juli 1948 2 - S 1135 - 115 - St 23/H 4704 P 2 (Amtsblatt des Württ.-Bad. Finanzministeriums - WuBad.FMBl. - 1948 S. 269). Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.
Grundsätzlich ist nach dem Gesetz der Militärregierung Nr. 1 Artikel III Ziffer 6 davon auszugehen, daß auch nach dem 30. Januar 1933 in Kraft getretenes deutsches Recht weiter anzuwenden ist, soweit es nicht durch die alliierte oder deutsche Gesetzgebung ausdrücklich aufgehoben wird oder Rechtsätze enthält, die nach Artikel II Ziffer 3 des Militärregierungsgesetzes Nr. 1 nicht mehr angewandt werden dürfen. Durch Artikel V Ziffer 1 des Kontrollratgesetzes (KontrRG) Nr. 36 vom 10. Oktober 1946 wurde der Führererlaß vom 28. August 1939 aufgehoben. Es folgt sich, ob damit auch der auf Grund der Ermächtigung nach Nr. VI dieses Erlasses ergangenen Postzustellungs-Verordnung vom 23. August 1943 der Boden entzogen ist. Wird ein Gesetz, das die Ermächtigung zum Erlaß anderer Gesetze oder Rechtsverordnungen enthält, aufgehoben, so ist zu unterscheiden, ob die Ermächtigung in einer Blankettvollmacht bestand, d.h. einer Vollmacht, die, ohne selbst die materielle Regelung eines bestimmten Gebiets zu enthalten, zum Erlaß gesetzesgleicher oder gesetzesvertretender Rechtsvorschriften ermächtigte, oder ob die Ermächtigung sich nur auf gesetzesausführende Rechtsvorschriften, z.B. Durchführungsbestimmungen, bezog. Nur in letzterem Fall hat die Aufhebung des Ermächtigungsgesetzes zur Folge, daß auch die gesetzesausführenden Rechtsvorschriften nicht mehr angewandt werden können (vgl. Kutscher, Betriebs-Berater 1949 S. 265 und die dort angeführte Literatur). Da Nr. VI des Führererlasses vom 28. August 1939 eine Blankettvollmacht zum Erlaß weiterer Bestimmungen über die Vereinfachung der Verwaltung enthielt, wird die Gültigkeit der hiernach erlassenen Postzustellungs-Verordnung vom 23. August 1943 als einer gesetzesvertretenden Rechtsvorschrift mit eigener materiellrechtlicher Regelung eines bestimmten Gebiets durch die Aufhebung des Führererlasses nicht berührt (ebenso Urteil des Finanzgerichts Württemberg-Hohenzollern in Tübingen vom 9. März 1949 I 217/48, Steuer und Wirtschaft 1949 Nr. 39). Daran kann auch der genannte Erlaß des Finanzministeriums Württemberg-Baden vom 16. Juli 1948 nichts ändern, zumal er bloß deklaratorische Bedeutung hat, im übrigen aber, selbst wenn das ausdrücklich ausgesprochen wäre, als reine Verwaltungsanordnung eine Rechtsverordnung nicht für unanwendbar erklären könnte.
Die hiernach rechtzeitig eingelegte Rb. ist jedoch sachlich nicht begründet.
Der Bf. wurde von seiner Mutter, die Alleinerbin ihres Ehemannes geworden war, durch notarielles Testament vom 14. März 1942 als Alleinerbe eingesetzt. Mit dem Tode der Mutter am 22. April 1944 fiel ihm als Erbe deren landwirtschaftlicher Betrieb mit einem Einheitswert von 7200 RM zu. Er wurde u.a. mit diesem landwirtschaftlichen Vermögen zur Soforthilfeabgabe herangezogen. In der Rb. macht der Bf. ebenso wie in den Vorinstanzen geltend, seine Einsetzung als Alleinerbe (neben der Anordnung von bedingten Vermächtnissen für seine in den Vereinigten Staaten von Amerika lebende Schwester) sei nur erfolgt, um die vom Dritten Reich für den Fall der Einsetzung der Schwester als Miterbin befürchtete Beschlagnahme ihres Erbteils als Ausländervermögen abzuwehren. Ohne diese Befürchtung wäre seine Schwester als Miterbin zur Hälfte eingesetzt worden, wie das in seiner Heimat, einem ausgesprochenen Realteilungsgebiet, üblich sei. Er sei von jeher über diesen Sachverhalt unterrichtet gewesen und habe auch von jeher die Absicht gehabt, mit seiner Schwester zu teilen, als ob sie Miterbin zur Hälfte geworden wäre. Er empfinde es bei dieser Sachlage als Unrecht, wenn ihm nunmehr aus der Abwehr geplanten Unrechts durch das Naziregime der Nachteil erwachse, daß er aus dem vollen ererbten landwirtschaftlichen Vermögen zur Soforthilfeabgabe herangezogen werde, statt nur aus der Hälfte.
Die Vorentscheidung hat zutreffend ausgeführt, daß der Bf. als unbestrittener Stichtagseigentümer des ererbten landwirtschaftlichen Vermögens mit dem Einheitswert des ganzen Artwesens zur Soforthilfeabgabe heranzuziehen war. Auch für die Annahme etwaigen wirtschaftlichen Miteigentums der in Amerika lebenden Schwester sind, wie das Finanzgericht ebenfalls zutreffend dargetan hat, keine Anhaltspunkte gegeben. Damit ist nach den klaren Bestimmungen des § 2 des Soforthilfegesetzes die Abgabepflicht des Bf. nach dem vollen Einheitswert des ererbten Anwesens gegeben. Die Beweggründe, die nach dem Vorbringen des Bf. zu der für ihn steuerlich ungünstigen Erbregelung geführt haben, können rechtlich zu der von ihm gewünschten Herabsetzung der Soforthilfeabgebe nicht führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.