BFH

BFHVII B 17/0031.3.2000

§ 17a Abs. 2 S. 3 GVG
§ 13 GVG
§ 70 S. 1 FGO
§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
§ 33 Abs. 1 FGO
§ 765 BGB
§ 288 Abs. 1 S. 1 BGB
§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB
§ 192 AO 1977

 

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) verlangt vom Beklagten und Beschwerdeführer (Beklagter) auf Grund einer von diesem abgegebenen Bürgschaftserklärung vom 14. März 1963 über die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft die Zahlung von . . . DM nebst Verzugszinsen seit dem 24. April 1995 in Höhe von 4 %. Der Forderungsbetrag bezieht sich auf Eingangsabgaben, die gegenüber dem Steuerschuldner mit zwei Steuerbescheiden vom 8. April 1992 festgesetzt worden sind, weil die auf dessen Antrag Anfang Juni 1990 auf Carnet A. T. A. zur vorübergehenden Verwendung für Waldarbeiten abgefertigten zwei Traktoren nicht innerhalb der dafür vorgeschriebenen Frist der Zollstelle wieder gestellt worden sind.

Der Beklagte verweigerte die Zahlung. Nach erfolglosem Mahnverfahren klagte die Klägerin beim Landgericht (LG) auf Zahlung des geforderten Betrages nebst Verzugszinsen aus der Bürgschaft. Das LG sah sich als unzuständig an und verwies die Sache an das Finanzgericht Köln. Dieses verwies die Sache mit Beschluss an das für örtlich zuständig gehaltene Finanzgericht Düsseldorf (FG).

Auf Grund der bindenden Verweisungsbeschlüsse sah das FG seine Zuständigkeit hinsichtlich des Rechtsweges (§ 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--) und der örtlichen Zuständigkeit (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG i. V. m. § 70 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) als gegeben an. Die Klage hielt es für begründet. Anspruchsgrundlage sei, wie das FG u. a. im Einzelnen ausgeführt hat, für den Zahlungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der Hauptforderung § 765 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und für die Zinsen § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten sei ein wirksamer Bürgschaftsvertrag abgeschlossen worden, nach dem der Beklagte für die von dem Carnet-Inhaber geschuldeten Eingangsabgaben einzustehen habe. Die gegen den Carnet-Inhaber als Zollschuldner mit den beiden Steuerbescheiden des Hauptzollamts (HZA) vom 8. April 1992 festgesetzten Eingangsabgaben seien nach den für den Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer maßgebenden Vorschriften entstanden. Der Beklagte berufe sich zu Unrecht darauf, dass die fraglichen Traktoren auf Vorlage des Carnet A. T. A. überhaupt nicht in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung hätten übergeführt werden dürfen. Die Einrede der Vorausklage stehe dem Beklagten nicht zu, weil er sich mit der Bürgschaftserklärung selbstschuldnerisch verbürgt habe. Auch der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 4 % ab dem 24. April 1995 sei begründet.

Mit seiner Beschwerde, die er auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache stützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), begehrt der Beklagte die Zulassung der Revision gegen das Urteil des FG.

II. Die vom Beklagten mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Ihrer Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf es nicht, weil sie teils nur so entschieden werden können, wie das FG dies getan hat und sich dies ohne weiteres aus den einschlägigen Rechtsvorschriften ergibt (vgl. z. B. Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 5. April 1995 I B 126/94, BFHE 177, 231, BStBl II 1995, 496; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. , § 115 Anm. 9, m. w. N. ) und weil sie zum anderen Teil schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung haben, da sie auslaufendes Recht betreffen (vgl. z. B. BFH, Beschluss vom 4. Oktober 1996 VIII B 12/96, BFH/NV 1997, 347).

1. Die Frage nach der Rechtsnatur der vom Beklagten abgegebenen Bürgschaftserklärung ist zweifelsfrei dahin zu beantworten, dass sie zivilrechtlichen Charakter hat. Aus der vom Beklagten abgegebenen Bürgschaftserklärung, die von der Klägerin angenommen wurde (Schreiben vom 14. August 1963), ergibt sich deutlich, dass es sich dabei um eine privatrechtliche, selbstschuldnerische Bürgschaft i. S. von §§ 765 ff. BGB handelt. Die durch die von der Klägerin angenommene Bürgschaftserklärung begründete Verpflichtung des Beklagten, für die Zahlung von Eingangsabgaben einzustehen, steht dem privatrechtlichen Charakter der Bürgschaft und dem gegen den Beklagten auf Grund von §§ 765 ff. BGB geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht entgegen. § 48 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) sieht ausdrücklich vor, dass sich Dritte vertraglich verpflichten können, für Leistungen aus dem Steuerschuldverhältnis einzustehen. § 192 AO 1977 schreibt vor, dass derjenige, der sich auf Grund eines Vertrages verpflichtet hat, für die Steuern eines anderen einzustehen, nur nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts in Anspruch genommen werden kann. Der Umstand, dass der Beklagte als bürgender Verband i. S. von Art. 1 Buchst. f des Zollübereinkommens über das Carnet A. T. A. für die vorübergehende Einfuhr von Waren (Zollübereinkommen) vom 6. Dezember 1961 (BGBl II 1965, 949) nach Art. 6 Abs. 1 des Zollübereinkommens mit den Personen, die Eingangsabgaben schulden, gesamtschuldnerisch für die Entrichtung dieser Beträge haftet, bedeutet nicht, dass er damit Zollschuldner wird. Vielmehr besagt diese Formulierung nur, dass derjenige, der die Bürgschaft übernimmt, diese selbstschuldnerisch übernehmen, also auf die Einrede der Vorausklage verzichten muss. Dies hat der Beklagte in seiner Bürgschaftserklärung gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB getan.

Dass es wegen des zivilrechtlichen Charakters des Anspruchs sachlich nicht zuständig gewesen wäre (§ 33 Abs. 1 FGO), sondern über den Anspruch gemäß § 192 AO 1977 auf dem Zivilrechtsweg hätte entschieden werden müssen (§ 13 GVG), durfte das FG wegen des bindenden Verweisungsbeschlusses des LG nicht mehr berücksichtigen (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG).

2. Auch die Frage, "ob es der Klägerin gestattet ist, rechtsverbindlich, einseitig, den von dem Beklagten übernommenen Bürgschaftsumfang im Rahmen der Bürgschaftserklärung vom 14. 03. 1963 in Zusammenhang mit den Internationalen Abkommen EWG Nr. 3599/82 und dem Zollübereinkommen über die vorübergehende Einfuhr von Berufsausrüstung, . . . zu erweitern", hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ihre Beantwortung ergibt sich, soweit sie noch geltendes Recht betrifft, ebenfalls ohne weiteres klar und eindeutig aus den maßgebenden Vorschriften; sie ist so zu entscheiden, wie das FG es getan hat. Soweit sich die Frage auf Gemeinschaftsrecht und innerstaatliche Vorschriften bezieht, hat sie schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung mehr, weil sie auslaufendes Recht betrifft.

a) Unter Zugrundelegung der Bürgschaftserklärung und des Zollübereinkommens ist die Frage, ob es der Klägerin gestattet ist, rechtsverbindlich und einseitig den vom Beklagten übernommenen Bürgschaftsumfang zu bestimmen, eindeutig zu bejahen.

Die Bürgschaftserklärung des Beklagten enthält keinerlei Beschränkung auf bestimmte Waren, insbesondere nicht auf solche, die unter das Zollübereinkommen über die vorübergehende Einfuhr von Berufsausrüstung vom 8. Juni 1961 (BGBl II 1969, 1076) fallen. Sie ist vielmehr allgemein für die Verpflichtung desjenigen abgegeben worden, der Eingangsabgaben für eine Ware zu zahlen hat, die auf ein von einem zuständigen und der Bürgschaftskette der Internationalen Handelskammer angeschlossenen Verband ausgestelltes Carnet A. T. A . . . zur vorübergehenden Zollgutverwendung . . . oder zum Zollgutversand . . . abgefertigt worden ist.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Alternative 2 des Zollübereinkommens, das die Verwendung des Carnet A. T. A. regelt, kann jede Vertragspartei außer den von internationalen Übereinkommen über die vorübergehende Einfuhr erfassten Waren nach ihren innerstaatlichen Gesetzen und sonstigen Vorschriften auch andere Waren zu einem Verfahren der vorübergehenden Einfuhr unter Verwendung des Carnet A. T. A. zulassen. Es wird danach nicht verlangt, dass die Bürgen oder andere Institutionen einer solchen Zulassung in irgendeiner Weise vorher zugestimmt haben müssten. Daraus folgt, dass die Klägerin ohne vorherige Beteiligung des Beklagten die Waren bestimmen kann, für die sie die vorübergehende Einfuhr unter Verwendung des Carnet A. T. A. zulässt. Eine einseitige Abänderung vertraglicher Vereinbarungen durch Hoheitsakt, wie der Beklagte meint, liegt darin aber nicht.

b) Sollten der Beschwerde auch Fragen des Beklagten danach zu entnehmen sein, ob die Klägerin nach dem zum Zeitpunkt der Abfertigung der Traktoren geltenden Gemeinschaftsrecht (Art. 23 der Verordnung (EWG) Nr. 3599/82 --VerwendungsVO-- des Rates vom 21. Dezember 1982 über die vorübergehende Verwendung --Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) Nr. L 376/1-- mit Änderungen i. V. m. Art. 12 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1751/84 --VerwendungsDVO-- der Kommission vom 13. Juni 1984 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 3599/82 des Rates über das Verfahren der vorübergehenden Verwendung --ABlEG Nr. L 171/1-- mit Änderungen) befugt gewesen wäre, einseitig den Warenkreis zu bestimmen, der unter Vorlage eines Carnet A. T. A. zur vorübergehenden Verwendung abgefertigt werden durfte, und ob insbesondere die hier in Rede stehenden Traktoren nach Gemeinschaftsrecht (Art. 23 VerwendungsVO i. V. m. Art. 28 VerwendungsDVO) und den dazu von der Klägerin erlassenen Durchführungsvorschriften (z. B. in Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung Z 19 20 Abs. 2 i. d. F. der 114. Lieferung vom 31. August 1989) auf Carnet A. T. A. hätten abgefertigt werden dürfen, so können diese Fragen keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben. Denn sie betreffen inzwischen überholtes Recht, in Bezug auf das der Beklagte nicht dargelegt hat, dass dessen Auslegung noch eine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende, allgemeine Bedeutung haben könnte (vgl. z. B. BFH, Beschluss in BFH/NV 1997, 347).

Nunmehr legt Art. 697 Abs. 2 i. V. m. Anhang 96 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) die Waren fest, für die die vorübergehende Verwendung unter Vorlage eines Carnet A. T. A. zugelassen werden kann. Die im Streitfall noch anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen und innerstaatlichen Vorschriften sind damit überholt; an ihrer höchstrichterlichen Auslegung ist kein allgemeines Interesse mehr zu erkennen.

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