BFH

BFHII R 62/9321.6.1995

Amtlicher Leitsatz:

Ist dem Steuerpflichtigen vom Erblasser ein Geldvermächtnis ausgesetzt worden und erwirbt der Steuerpflichtige von der Erbin ein zum Nachlaß gehördendes Grundstück, wobei er einen Teilbetrag der Kaufpreisforderung durch Aufrechnung mit seiner Vermächtnisforderung tilgt, so ist Gegenstand des (Vermächtnis-)Erwerbs nicht der anteilige Einheitswert des Kaufgrundstücks, sondern die durch das Vermächtnis begründete Geldforderung.

Normen

§ 3 ErbStG

 

Tatbestand:

I.

In seinem notariellen Testament vom 2. Januar 1987 setzte der am 22. März 1987 verstorbene Erblasser der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), seiner Lebensgefährtin, u. a. ein Geldvermächtnis in Höhe eines Betrages von 60 000 DM aus. Dieser Betrag sollte spätestens 6 Monate nach dem Erbfall von der Erbin an die Klägerin ausbezahlt werden.

Durch notariellen Kaufvertrag vom 12. Mai 1987 erwarb die Klägerin von der (Allein-) Erbin ein zum Nachlaß gehörendes Zweifamilienhaus-Grundstück, das die Klägerin schon vor dem Tode des Erblassers (mit diesem gemeinsam) und auch danach bewohnte. Der Kaufpreis betrug 190 000 DM. Die Klägerin (Käuferin) war berechtigt, den Kaufpreis mit dem Geldvermächtnisanspruch in Höhe von 60 000 DM und weiteren, schon zu Lebzeiten des Erblassers gegen diesen begründeten (Schuldschein-)Forderungen in Höhe von 30 000 DM "zu verrechnen".

Das Finanzamt (FA) X setzte mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 1988 gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 16 192 DM fest, wobei es das Geldvermächtnis mit dem Nennwert von 60 000 DM berücksichtigte. In der Einspruchsentscheidung setzte es die Erbschaftsteuer aus hier nicht mehr interessierenden Gründen auf 15 202 DM herab.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin u. a. geltend, daß ihr entgegen der Annahme des FA X nicht ein Bar-, sondern ein Kaufrechtsvermächtnis ausgesetzt worden sei. Der Wille des Erblassers sei eindeutig dahin gegangen, daß das Zweifamilienhaus-Grundstück auf sie - die Klägerin - zu übertragen sei. Hierfür spreche auch, daß sie während des langjährigen Zusammenlebens mit dem Erblasser sämtliche, dieses Haus betreffende Umbaukosten getragen habe.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt.

Es vertrat unter Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Februar 1982 II R 160/80 (BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350) und vom 21. Juni 1989 II R 135/85 (BFHE 157, 223, BStBl II 1989, 731) die Auffassung, daß in bezug auf das Vermächtnis in Höhe von 60 000 DM nicht der Nennwert, sondern der (anteilige) Einheitswert des Zweifamilienhaus-Grundstücks die Besteuerungsgrundlage bilde. Bei diesem Ergebnis sei zugunsten der Klägerin auch zu berücksichtigen gewesen, daß diese das Haus bereits seit längerem aufgrund eines Mietvertrages bewohnt und überdies selbst einiges in das Gebäude investiert habe. Darüber hinaus habe auch die Tatsache Bedeutung, daß die Klägerin den Kaufvertrag mit der Erbin bereits am 12. Mai 1987 - und damit zeitnah zum Tode des Erblassers - abgeschlossen und hierbei eine rückwirkende Besitzübergabe zum Todestag vereinbart habe. Diese Umstände zeigten, daß es der Klägerin weniger auf die Erfüllung des Barvermächtnisses als vielmehr darauf angekommen sei, das bebaute Grundstück zu erhalten.

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das FA), der während des FG-Verfahrens als Funktionsnachfolger an die Stelle des FA X getreten ist, die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben wurde, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit der Klage stattgegeben wurde und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zu Recht hat das FG die Auffassung der Klägerin, es liege ein sog. Kaufrechtsvermächtnis vor, stillschweigend abgelehnt. Ein Kaufrechtsvermächtnis ist gegeben, wenn der Erblasser dem Vermächtnisnehmer in einer Verfügung von Todes wegen einen Anspruch auf Abschluß eines Kaufvertrages über einen Nachlaßgegenstand gegen den Erben eingeräumt hat. Das notarielle Testament vom 2. Januar 1987 enthält keinen Anhalt dafür, daß der Erblasser der Klägerin in bezug auf das hier in Rede stehende Zweifamilienhaus-Grundstück ein derartiges Kaufrecht einräumen wollte.

2. Nicht zu folgen ist dem FG jedoch darin, daß Gegenstand des Erwerbs der anteilige Wert des Grundstücks sei, weil das der Klägerin ausgeworfene Geldvermächtnis durch anteilige Übertragung des Zweifamilienhauses an Erfüllungs Statt erfüllt worden sei. Dies ergibt sich schon daraus, daß Rechtsgrund für die Übertragung des zum Nachlaß gehörenden Zweifamilienhaus-Grundstücks durch die Erbin auf die Klägerin entgegen der offenbaren Annahme des FG nicht das durch das Vermächtnis zwischen Erbin und Klägerin begründete Rechtsverhältnis war. Eigenständiger und von dem durch das Barvermächtnis begründeten Rechtsverhältnis unabhängiger Rechtsgrund für die Grundstücksübertragung war vielmehr der Grundstückskaufvertrag vom 12. Mai 1987. Die in diesem Kaufvertrag vorgesehene Berechtigung der Klägerin, einen Teil des Grundstückskaufpreises in Höhe von insgesamt 190 000 DM mit den der Klägerin zustehenden Gegenforderungen an die Erbin, zu denen auch der Geldvermächtnisanspruch in Höhe von 60 000 DM gehörte, "zu verrechnen", beinhaltet nichts weiter als die Befugnis der Klägerin zur Aufrechnung i. S. der §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Eine solche Aufrechnung bewirkt, "daß die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind" (§ 389 BGB). Der Effekt der Aufrechnung ist daher derselbe wie derjenige, der einträte, wenn die Beteiligten ihre gegenseitigen Geldforderungen im Zeitpunkt des Entstehens der Aufrechnungslage durch beiderseitige Zahlungen erfüllt hätten. Der Geldvermächtnisanspruch der Klägerin in Höhe von 60 000 DM wurde folglich dadurch getilgt, daß auch - infolge der Aufrechnung - ein der Höhe des Vermächtnisanspruchs entsprechender Teil des Kaufpreises getilgt wurde und nicht etwa dadurch, daß - wie das FG angenommen hat - die Erbin (aufgrund einer Vereinbarung mit der Klägerin) anstelle des Geldes "an Erfüllungs Statt" einen Teil des Grundstücks an die Klägerin übertrug.

Folglich hat das FA X zu Recht den Wert des streitigen Barvermächtnisses mit 60 000 DM der Erbschaftsbesteuerung zugrunde gelegt.

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