BFH

BFHX R 33/9118.7.1994

Amtlicher Leitsatz:

1. Sind sowohl ein Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) als auch der Einkommensteuerbescheid (Folgebescheid) angefochten und hat das Finanzamt das Ende der Aussetzung der Vollziehung ungeachtet dessen, daß ernstliche Zweifel nur den Feststellungsbescheid betreffen, mit dem Ausgang des Verfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid verknüpft, entsteht der Anspruch auf Aussetzungszinsen erst bei unanfechtbarer Erledigung dieses letztgenannten Verfahrens.

2. Die Entstehung des Zinanspruchs setzt allein die endgültige Erfolglosigkeit eines förmlichen außergerichtlichen oder finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs bei gewährter Aussetzung der Vollziehung voraus; die Fehlerhaftigkeit der bestandskräftigen Aussetzungsentscheidung berührt den Zinsanspruch grundsätzlich nicht.

Normen

§ 237 AO

 

Tatbestand:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau waren im Jahr 1973 an mehreren Verlustzuweisungsgesellschaften beteiligt; der Kläger u. a. an der M-KG und die Ehefrau des Klägers u. a. an der H-KG. Im Einkommensteuerbescheid für 1973 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zunächst antragsgemäß einen Verlust aus der Beteiligung der Ehefrau des Klägers an der H-KG mit 1 403 182 DM und des Klägers an der M-KG in Höhe von 54 093,74 DM (festgesetzte Einkommensteuer O DM). Aufgrund einer entsprechenden Mitteilung des für die H-KG zuständigen Betriebs-FA vom 23. März 1976 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid am 28. Mai 1980 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und ging nunmehr von einem Verlustanteil an der H-KG in Höhe von 169 385 DM aus (festgesetzte Einkommensteuer: 692 492 DM).

Mit dem Einspruch vom 27. Juni 1980 gegen den Einkommensteuerbescheid 1973 machte der Kläger geltend, die Beteiligung an der Firma V sei mit einem höheren Verlustanteil zu berücksichtigen; die Sonderausgaben seien um den auf seine Beteiligung an der W-KG entfallenden Spendenanteil zu erhöhen; gleichzeitig beantragte er die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides in Höhe der Differenz zwischen erklärten und nunmehr veranlagten Verlustanteilen an der H-KG (Differenz 1 233 797 DM) und der M-KG (Differenz 49 676 DM). Er bezog sich insoweit auf den Beschluß des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf - Senate in Köln - vom 20. Juli 1977 VI 487/76 S. Danach war der Gewinnfeststellungsbescheid 1973 der H-KG bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über deren Klage gegen diesen Bescheid in der Weise ausgesetzt, daß die Beteiligung an der H-KG mit einem Verlustanteil in Höhe von 1 645 110 DM zu berücksichtigen sei.

Mit Bescheiden vom 17. September 1980 und vom 18. Dezember 1981 - letzterer im Anschluß an eine Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 1973 - setzte das FA dessen Vollziehung wie folgt aus: Einkommensteuer 1973 in Höhe von 691 993 DM, Kirchensteuer 69 325,60 DM, Ergänzungsabgabe 20 759 DM und Stabilitätszuschlag 34 656 DM. Die Aussetzung war jeweils befristet "bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch des Klägers vom 27. Juni 1980".

Mit Urteil vom 17. November 1983 IX (VI) 543/76 F wies das FG Köln die Klage der H-KG gegen den Feststellungsbescheid 1973 zum überwiegenden Teil ab. Im Anschluß daran erließ das Betriebs-FA am 20. Februar 1984 einen geänderten Feststellungsbescheid 1973 und teilte dem FA am 23. Februar 1984 mit, daß die Ehefrau des Klägers an dem Verlust der H-KG mit 42 530 DM beteiligt sei.

In einem (undatierten) Schreiben vom April 1984 nahm das FA Stellung zu dem Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid 1973. Es wies u. a. darauf hin, nach einer Mitteilung des für die M-KG zuständigen Betriebs-FA vom 7. September 1977 könne in Höhe der Differenz zwischen beantragtem Verlustanteil (57 093 DM) und vom Betriebs-FA im Feststellungsbescheid berücksichtigtem Verlustanteil (6 417 DM) die Vollziehung ausgesetzt werden. Die Aussetzung der Vollziehung betreffend die Verlustbeteiligung an der H-KG sei jedoch hinfällig, nachdem deren Betriebs-FA am 23. Februar 1984 mitgeteilt habe, der Verlust sei endgültig nur mit 42 530 DM anzusetzen. Es sei vorgesehen, den Einkommensteuerbescheid 1973 nach § 175 AO 1977 entsprechend zu ändern.

Am 28. Juni 1985 erklärte das FA gegenüber dem Kläger unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Verböserung, bei Berücksichtigung aller Beteiligungen seien die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr mit 350 948 DM (statt bisher 221 491 DM) zu erfassen. Daraufhin nahm der Kläger am 19. Dezember 1985 den Einspruch wegen Einkommensteuer 1973 zurück. Im Anschluß daran änderte das FA am 17. Februar 1986 den Einkommensteuerbescheid entsprechend und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Aufgrund der festgesetzten Einkommensteuer 1973 in Höhe von 768 367 DM ergab sich eine Nachzahlung von 726 644 DM.

Mit Bescheid vom 7. Januar 1986, geändert durch die Einspruchsentscheidung vom 21. April 1986, setzte das FA gegen den Kläger Aussetzungszinsen in Höhe von 216 533 DM für die Zeit vom 17. September 1980 bis 31. Dezember 1985 fest, mit der Begründung, der Einspruch habe nach dessen Rücknahme endgültig keinen Erfolg gehabt.

Das FG gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt. Sei - wie im Streitfall - sowohl gegen den Einkommensteuerbescheid als auch gegen den Feststellungsbescheid Einspruch eingelegt worden, so sei sowohl für die Entstehung des Zinsanspruchs als auch für den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO 1977; jetzt § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AO 1977 i. d. F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I 1988, 1093) allein die Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs gegen den Grundlagenbescheid maßgebend. Unerheblich sei, daß das FA die Vollziehung ausdrücklich bis zur Entscheidung über den Einspruch gegen den Folgebescheid ausgesetzt habe. Der Einspruch des Klägers habe sich nicht auf Verlustbeteiligungen bezogen, derentwegen er die Aussetzung der Vollziehung beantragt habe. Er habe seinen Aussetzungsantrag ausdrücklich damit begründet, daß das FG den Feststellungsbescheid der H-KG ausgesetzt habe. Das FA seinerseits habe - jedenfalls ausweislich eines Vermerks in den Akten - bei der Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1973 nur der Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides folgen wollen. In der Aussetzungsverfügung sei zwar ausdrücklich auf den Einspruch des Klägers vom 27. Juni 1980 hingewiesen. Das FA dürfe jedoch mit einer solchen Anordnung keine nach dem Gesetz nicht bestehende Zinspflicht begründen (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Februar 1987 II R 176/84, BFHE 148, 491, BStBl II 1987, 320). Die Frist für die Festsetzung der Aussetzungszinsen habe danach mit Ablauf des jahres begonnen, in dem das Urteil des FG vom 17. November 1983 über die Klage der H-KG gegen den Feststellungsbescheid 1973 rechtskräftig geworden sei, mithin mit Ablauf des Jahres 1984. Bei Erlaß des Zinsbescheides vom 7. Januar 1986 sei die einjährige Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 237 und 239 AO 1977. Solange noch ein Rechtsbehelf - sei es gegen den Grundlagenbescheid oder gegen den Folgebescheid - nicht endgültig erledigt sei, bestehe prinzipiell noch die Möglichkeit, die Vollziehung auszusetzen. Die Aussetzungsverfügung enthalte entgegen der Auffassung des FG keinen Hinweis, daß es sich um eine Folgeaussetzung handele. Ausgesetzt sei ausdrücklich unter Hinweis auf den Einspruch vom 27. Juni 1980. Dessen Erfolglosigkeit sei deshalb maßgebend.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Von einer unselbständigen Aussetzung sei nicht nur der Kläger ausgegangen, der die Aussetzung der Vollziehung ausdrücklich unter Hinweis auf die gerichtliche Aussetzung des Grundlagenbescheides begehrt habe. Auch das FA selbst habe im Schreiben vom April 1984 darauf hingewiesen, nach Ergehen des klageabweisenden Urteils gegen den Feststellungsbescheid der H-KG sei diese Aussetzung nunmehr "hinfällig". Der Kläger habe die Aussetzungsverfügung nur als Folgeaussetzung verstehen können. Die Rücknahme des ganz andere Punkte betreffenden Einspruchs sei deshalb unter keinen Umständen für die Entstehung der Aussetzungszinsen oder deren Festsetzungsfrist von Bedeutung.

Entscheidungsgründe

Aussetzungszinsen entstehen, wenn der förmliche außergerichtliche Rechtsbehelf oder die Anfechtungsklage, derentwegen der angefochtene Bescheid ausgesetzt ist, endgültig keinen Erfolg gehabt hat.

Sind sowohl ein Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid; § 171 Abs. 10 AO 1977) als auch der Einkommensteuerbescheid (Folgebescheid) angefochten, und hat das FA das Ende der Aussetzung der Vollziehung ungeachtet dessen, daß ernstliche Zweifel nur den Feststellungsbescheid betreffen, mit dem Ausgang des Verfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid verknüpft, entsteht der Anspruch auf Aussetzungszinsen erst bei unanfechtbarer Erledigung dieses Verfahrens. Die Entstehung des Zinsanspruchs setzt allein die endgültige Erfolglosigkeit eines förmlichen außergerichtlichen oder finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs bei gewährter Aussetzung der Vollziehung voraus; die Fehlerhaftigkeit der bestandskräftigen Aussetzungsentscheidung berührt den Zinsanspruch grundsätzlich nicht.

1. Soweit ein förmlicher außergerichtlicher Rechtsbehelf (§ 348 AO 1977) oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes oder eines Folgebescheides ausgesetzt war, zu verzinsen (§ 237 AO 1977 in der für den Zeitpunkt des Entstehens des Zinsanspruchs maßgeblichen - hierzu z. B. BFH-Urteile vom 25. Juli 1989 VII R 39/86, BFHE 157, 322, BStBl II 1989, 821; vom 27. November 1991 X R 103/89, BFHE 166, 311, BStBl II 1992, 319 - Fassung vor Inkrafttreten des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436). Der Zinsanspruch entsteht nicht bereits mit der Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs, sondern erst mit dessen endgültiger Erfolglosigkeit (§ 38 AO 1977; Urteil in BFHE 166, 311, BStBl II 1992, 319).

Auf Zinsen sind die für Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Sie beginnt für Aussetzungszinsen mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem ein außergerichtlicher Rechtsbehelf oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist (§ 239 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 = § 239 Abs. 1 Nr. 5 AO 1977 n. F.).

2. Tatbestandliche Voraussetzung für das Entstehen eines Zinsanspruchs und für den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung der Zinsen sind

- die Anhängigkeit eines außergerichtlichen bzw. finanzgerichtlichen, auf die Überprüfung eines angefochtenen Verwaltungsaktes gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens,

- die Gewährung der Vollziehungsaussetzung und

- die endgültige Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs.

"Endgültig keinen Erfolg gehabt" hat der Rechtsbehelf insbesondere dann, wenn er durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen oder vom Rechtsbehelfsführer zurückgenommen worden ist; § 237 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 meint jede Art der Erledigung (z. B. BFH-Beschluß vom 22. Januar 1988 III B 134/86, BFHE 152, 212, BStBl II 1988, 484). In welchem Umfang der Rechtsbehelf keinen Erfolg gehabt hat, richtet sich allein danach, ob bzw. inwieweit nach endgültiger Erledigung des Rechtsbehelfs aufgrund der bestandskräftigen Steuerfestsetzung der ausgesetzte Betrag geschuldet wird. Aus welchem Grund der Rechtsbehelf nicht zu einer dem ausgesetzten Betrag entsprechenden Herabsetzung der Steuer führt, ist grundsätzlich ohne Bedeutung (BFH in BFHE 166, 311, BStBl II 1992, 319).

3. Sind - wie im Streitfall u. a. die Einkünfte aus der Beteiligung an der M-KG und der H-KG - einzelne Besteuerungsgrundlagen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gesondert festzustellen und ist sowohl gegen die Feststellungsbescheide als auch gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt worden, so kommt grundsätzlich sowohl eine Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der gesondert festzustellenden als auch hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen in Betracht, über die ausschließlich im Einkommensteuerbescheid zu entscheiden ist.

Zutreffend geht das FG davon aus, daß, soweit Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen sind, sich die Bindung des Folgeverfahrens an die Ergebnisse des Feststellungsverfahrens (Grundlagenverfahrens) auch auf den Bereich der Aussetzung der Vollziehung erstreckt, mit der Folge, daß das für die Einkommensteuer zuständige FA nach Erlaß eines Feststellungsbescheides den Einkommensteuerbescheid hinsichtlich der gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen nur aussetzen darf, dann aber auch aussetzen muß, wenn die Vollziehung des Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheides) ausgesetzt ist (§ 361 Abs. 3 Satz 1 AO 1977). Dies entspricht der Regelung des § 351 Abs. 2 AO 1977, wonach Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden dürfen.

Die Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzbehörde ist ein Verwaltungsakt (§ 118 AO 1977), der mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) und wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt wird (§ 124 Abs. 2 AO 1977). Auch wenn das FA deshalb die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung fehlerhaft beurteilt hat, kommt der bekanntgegebenen Aussetzungsentscheidung Tatbestandswirkung zu mit der Folge, daß deren Ausspruch (Tenor) verbindlich Umfang und Dauer der Aussetzung bestimmt.

Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des FG nicht aus der Entscheidung des II. Senats des BFH in BFHE 148, 491, BStBl II 1987, 320. Diese Entscheidung betraf die Frage, ob bei gewährter Aussetzung der Vollziehung mit Rücksicht auf eine Verfassungsbeschwerde bei deren Erfolglosigkeit Aussetzungszinsen entstehen. Der BFH hat die Frage mit der Begründung verneint, die Aussetzung der Vollziehung setze als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes die Durchführung eines außergerichtlichen bzw. finanzgerichtlichen, auf die Überprüfung eines angefochtenen Verwaltungsaktes gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens voraus. Aus der unauflöslichen Verknüpfung mit einem abgabenrechtlichen bzw. finanzgerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren folge, daß vorläufiger Rechtsschutz für den Fall einer (nach Erschöpfung des Rechtsweges) erhobenen Verfassungsbeschwerde nicht im Wege der Aussetzung der Vollziehung gewährt werden dürfe. Dementsprechend treffe das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht in § 32 eine eigenständige Regelung über vorläufigen Rechtsschutz im verfassungsgerichtlichen Verfahren. Wenn § 237 Abs. 1 AO 1977 die Entstehung eines Zinsanspruchs mit der endgültigen Erfolglosigkeit eines förmlichen außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder einer Anfechtungsklage bei gewährter Aussetzung der Vollziehung verknüpfe, seien deshalb nur die genannten Rechtsbehelfe - nicht jedoch eine Verfassungsbeschwerde - angesprochen.

Hat dagegen die Finanzbehörde die Vollziehung eines Einkommensteuerbescheides wegen eines anhängigen außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder einer Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid ausgesetzt, ist der ausgesetzte Betrag bei Erfolglosigkeit dieses Rechtsbehelfs zu verzinsen. Dies gilt ungeachtet dessen, ob das FA die rechtlichen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung zutreffend beurteilt hat (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 237 AO 1977 Rz. 5; vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1979 VII R 67/76, BFHE 128, 331, 334, BStBl II 1979, 712). Sind deshalb - wie im Streitfall - sowohl der Einkommensteuerbescheid als auch ein für die Festsetzung der Einkommensteuer verbindlicher Feststellungsbescheid angefochten, bestimmt allein der bekanntgegebene Inhalt (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) der Aussetzungsentscheidung, mit welchem Rechtsbehelfsverfahren die Aussetzung der Vollziehung verknüpft ist. Im vorliegenden Fall ist dies entgegen der Auffassung des FG das Rechtsbehelfsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid.

4. Zutreffend geht das FG davon aus, daß Verwaltungsakte unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches auszulegen sind und daß es dabei grundsätzlich nicht darauf ankommt, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Maßgebend für die in der Revisionsinstanz uneingeschränkt nachprüfbare und korrigierbare (z. B. BFH-Urteile vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120; vom 31. Oktober 1991 X R 28/89, BFH/NV 1992, 435) Auslegung ist der objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 14. März 1990 X R 104/88, BFHE 160, 207, BStBl II 1990, 612). Weil der Verwaltungsakt mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam wird, muß die Auslegung zumindest einen Anhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben (BFH in BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293). Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden darf (z. B. BFH-Urteil vom 4. Oktober 1988 VIII R 161/84, BFH/NV 1989, 758 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Tipke/Kruse, a. a. O., § 118 AO 1977 Rz. 29).

a) Die Auffassung des FG, entgegen dem Wortlaut der Aussetzungsentscheidung ende die Aussetzung mit Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs gegen den Feststellungsbescheid der H-KG, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Nach dem Tenor sowohl der ersten Aussetzungsentscheidung vom 17. September 1980 als auch der - als Folge einer Änderung des Einkommensteuerbescheides - erlassenen Änderung vom 18. Dezember 1981 ist das Ende der Aussetzung ausdrücklich an den "Einspruch des Klägers vom 27. Juni 1980" - den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid - geknüpft. Der Inhalt der Aussetzungsverfügung gibt keinen Anhalt dafür, daß nicht der bezeichnete Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid, sondern der Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Feststellungsbescheid der H-KG für das Ende der Aussetzung maßgebend sein könnte.

Das FG stützt seine Auffassung allein darauf, daß der Kläger selbst Aussetzung der Vollziehung nur hinsichtlich der auf die Beteiligungen an der H-KG und der M-KG entfallenden Einkommensteuer begehrt und auf den Aussetzungsbeschluß des FG betreffend die H-KG hingewiesen hatte. Die außerhalb der Aussetzungsentscheidung liegenden Begleitumstände rechtfertigten eine Auslegung gegen den Wortlaut nur dann, wenn der Kläger nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes und den ihm bekannten Umständen erkennen konnte und mußte, daß die Aussetzung allein wegen des Einspruchs gegen den Feststellungsbescheid der H-KG verfügt worden war. Davon wäre nur dann auszugehen, wenn der Aussetzungsantrag allein die Beteiligung an der H-KG betroffen und auch nur der Betrag ausgesetzt worden wäre, der der Aussetzung des Feststellungsbescheides der H-KG durch das FG entsprochen hätte. Da

- der Aussetzungsantrag des Klägers nicht nur die Beteiligung an der H-KG, sondern auch die Beteiligung an der M-KG betraf,

- der Kläger mit seinem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1973 zusätzlich einen höheren Verlustanteil aus der Beteiligung an der Firma V sowie die Berücksichtigung seines Anteils an Spenden der W-KG beansprucht hatte, und

- das FA den Einkommensteuerbescheid nicht zu einem der Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides der H-KG entsprechenden, sondern zu einem höheren Betrag ausgesetzt hat,

gibt es keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, entgegen dem Wortlaut der Aussetzungsentscheidung sei allein der Ausgang des Verfahrens gegen einen Feststellungsbescheid, den der H-KG, bestimmend. Deshalb konnte und durfte auch der Kläger nicht davon ausgehen, die Aussetzung der Vollziehung sei an den Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens der H-KG geknüpft. Dem entspricht auch der Ablauf des Geschehens. Tatsächlich hat der Kläger, der andernfalls seit dem erfolglosen Ausgang des Klageverfahrens gegen den Feststellungsbescheid der H-KG Säumniszuschläge verwirkt hätte (§ 240 AO 1977), den ausgesetzten Betrag nicht, auch nicht teilweise, nach erfolglosem Ausgang des Klageverfahrens der H-KG entrichtet.

b) Entgegen der Auffassung des Klägers enthält das undatierte Schreiben des FA vom April 1984 keinen Widerruf der Aussetzung der Vollziehung. In dem Schreiben erläutert die Sachbearbeiterin des FA die aufgrund der Einsprüche des Klägers vom 27. Juni 1980 gegen verschiedene Einkommensteuerbescheide, u. a. auch den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1973, beabsichtigten Berichtigungen. Im Zusammenhang mit der Bemerkung, die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Beteiligung des Klägers an der H-KG sei wegen einer entsprechenden Mitteilung des Betriebs-FA hinfällig, steht der Hinweis, eine Berichtigung des Bescheides nach § 175 AO 1977 sei vorgesehen. Dies und die Aufforderung an den Kläger, zu den beabsichtigten Änderungen Stellung zu nehmen, schließt die Annahme aus, das FA habe eine verbindliche Entscheidung über den Widerruf der Aussetzung der Vollziehung treffen wollen. In Übereinstimmung hiermit hat sich der Kläger im Anschluß an dieses Schreiben nicht veranlaßt gesehen, den ausgesetzten Betrag zu entrichten - auch nicht, soweit er auf die Beteiligung an der H-KG entfiel.

c) Hiernach war die Aussetzung befristet bis zu einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung gegen den Einkommensteuerbescheid 1973. Da der Kläger diesen Einspruch am 19. Dezember 1985 zurückgenommen hat, endete die Aussetzung mit der Rücknahme dieses Einspruchs.

5. Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen ist nach § 237 Abs. 1 AO 1977 der ausgesetzte Betrag, soweit er wegen endgültiger Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs geschuldet bleibt. Das ist im Streitfall der insgesamt ausgesetzte Betrag, da der nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderte Bescheid vom 17. Februar 1986 zu einer höheren Nachzahlung geführt hat.

Ist - wie hier - die Vollziehung erst nach dem Eingang des Rechtsbehelfs ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt (§ 237 Abs. 2 AO 1977). Da das FA die Vollziehung rückwirkend vom Fälligkeitstag ausgesetzt hat, beginnt die Verzinsung einen Monat nach Bekanntgabe des angefochtenen Einkommensteuerbescheides vom 28. Mai 1980. Der Zinslauf endet, wenn die Aussetzung endet (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AO 1977), im Streitfall, da der Kläger den Einspruch am 19. Dezember 1985 zurückgenommen hat, mit Rücknahme des Einspruchs.

Zinsen sind nach § 238 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt (hier mit dem 1. Juli 1980), nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben unberücksichtigt. Das FA hat - insoweit zuungunsten des Klägers - zu Unrecht Zinsen auch für den nur angefangenen Monat Dezember 1985, andererseits - insoweit zugunsten des Klägers - zu Unrecht Zinsen erst für die Monate ab Oktober 1980 berechnet. Wegen des Verböserungsverbots verbleibt es bei der Zinsfestsetzung im angefochtenen Bescheid.

Stichworte