BFH

BFHIII S 42/9226.3.1993

Amtlicher Leitsatz:

1. Bei einer Betriebsaufspaltung ist eine Ausnahme von der dreijährigen Bildungsvoraussetzung des begünstigten Wirtschaftsguts an den Betrieb des Investors nur möglich, wenn Besitz- und Betriebsunternehmen auch betriebsvermögensmäßig miteinander verbunden sind. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn entweder - in Fällen der normalen Betriebsaufspaltung - die Beteiligung der Gesellschafter des Besitzunternehmens an der Betriebsgesellschaft unmittelbar oder mittelbar (Sonder-) Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft ist oder umgekehrt - in Fällen der sogenannten umgekehrten Betriebsaufspaltung - die Beteiligung der Gesellschafter der Betriebspersonengesellschaft an der Besitzgesellschaft oder der deren Anteile haltenden Obergesellschaft (Sonder-)Betriebsvermögen der Betriebsgesellschaft ist (Konkretisierung zum Urteil in BFHE 153, 481, BStBl. II 1988, 739).

2. Im Falle einer Betriebsaufspaltung aufgrund lediglich tatsächlicher Beherrschung kommt eine Ausnahme von den gesetzlichen Bildungsvoraussetzungen des § 1 III 1 Nrn. 1 und 2 InvZulG nicht in Betracht.

Normen

§ 1 Abs. 3 InvZulG

 

Tatbestand:

I.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) ist eine GmbH, deren Gesellschaftszweck ursprünglich die Herstellung von ... -Erzeugnissen war.

Hauptgesellschafterin der Antragstellerin war in den Streitjahren (1978 und 1979) die B-GmbH; sie hielt 98,8 v. H. der Anteile. Die Anteile an der B-GmbH gehörten zu 51 v. H. Frau A und zu 49 v. H. Herrn B. Der Vertrieb der Erzeugnisse der B-GmbH oblag der zwischen A und B im gleichen Beteiligungsverhältnis (A zu 51 v. H. und B zu 49 v. H.) bestehenden Erbengemeinschaft, die unter C firmierte (im folgenden Erbengemeinschaft genannt).

Die Erbengemeinschaft und die Antragstellerin hatten am 2. Januar 1976 einen "Beherrschungsvertrag" geschlossen. Danach unterstellte die Antragstellerin die Leitung ihres Unternehmens der Erbengemeinschaft als beherrschendem Unternehmen (§ 1 des Vertrages). Nach den §§ 2 und 3 des Vertrages hatte die Erbengemeinschaft das Recht, der Geschäftsführung der Antragstellerin alle zweckdienlich erscheinenden Weisungen zu erteilen. Dieses Recht umfaßte alle Maßnahmen, die nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zum Tätigkeitsbereich der Geschäftsführung gehören.

Ebenfalls am 2. Januar 1976 hatten A und B eine OHG gegründet, an der (wiederum) A mit 51 v. H. und B mit 49 v. H. beteiligt waren. Auf diese OHG übertrug die Antragstellerin mit "Übertragungs- und Pachtvertrag" vom 10. Mai 1976 ihren Betrieb, den die OHG ab diesem Zeitpunkt auf eigene Rechnung führen sollte. Weiter war vereinbart, daß die gesamten Aktiva und Passiva mit Ausnahme des Anlagevermögens auf die OHG übergehen sollten. Das Anlagevermögen wurde an die OHG - zunächst fest bis zum 31. Dezember 1986 - verpachtet (§§ 1 bis 3 des Vertrages).

Die Antragstellerin nahm in den Jahren 1978 und 1979 umfangreiche Investitionen vor. Die betreffenden Wirtschaftsgüter wurden im Rahmen des bestehenden Pachtvertrages jedoch von der OHG genutzt.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) gewährte zunächst die von der Antragstellerin nach § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung beantragten Zulagen. Die Bescheide wurden am 9. September 1980 abgezeichnet und am 17. September 1980 zur Post gegeben; sie ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Anschluß an eine bei der Antragstellerin durchgeführte Außenprüfung gelangte das FA jedoch zu der Auffassung, daß die Voraussetzungen des § 1 InvZulG nicht vorlägen, da die Antragstellerin die betreffenden Wirtschaftsgüter nicht zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet habe. Es hob die Zulagenbescheide (vom 17. September 1980) mit Bescheiden vom 3. Juni 1982 auf und forderte die gewährten Zulagen nebst Zinsen zurück.

Mit dem dagegen eingelegten Einspruch machte die Antragstellerin geltend, zwischen ihr und der OHG bestehe eine Betriebsaufspaltung. Deswegen seien auch die Verbleibensvoraussetzungen des § 1 InvZulG erfüllt (Hinweis auf die Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 5. Mai 1977, BStBl I 1977, 246, und vom 10. Dezember 1985, BStBl I 1985, 683). Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies auch die Klage als unbegründet ab. Es ist der Auffassung, daß im Streitfall die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung nicht vorlägen. Zwischen der Antragstellerin und der OHG bestände weder eine sog. kapitalistische noch eine sog. umgekehrte Betriebsaufspaltung i. S. des BMF-Schreibens in BStBl I 1985, 683, Abschn. III Nrn. 4 und 5.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom FG zugelassenen Revision. Gleichzeitig beantragt sie mit Schriftsatz vom 9. Juni 1992, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide auszusetzen.

Die Antragstellerin trägt dazu im wesentlichen vor:

1. Die angefochtenen Bescheide vom 3. Juni 1982 gingen ins Leere. Nach ihrem Wortlaut sollten durch sie die Zulagenbescheide vom 17. September 1980 aufgehoben werden. Das FG habe jedoch festgestellt, daß Zulagenbescheide vom 9. September 1980 aufgehoben worden seien. Damit seien die ursprünglichen, die Zulagen gewährenden Bescheide noch in Kraft.

2. Ungeachtet dessen hätten das FA und ihm folgend das FG den Begriff der "Verwendung zu eigenbetrieblichen Zwecken" verkannt.

Die Vorentscheidungen übersähen, daß ihr, der Antragstellerin, betrieblicher Zweck gerade die Verpachtung der betreffenden Wirtschaftsgüter gewesen sei. Damit habe eine Verwendung i. S. des InvZulG (zu eigenbetrieblichen Zwecken) vorgelegen.

Unzutreffend seien auch die Folgerungen, die das FA und das FG aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Betriebsaufspaltung zögen. Das FG würde für die Annahme einer Betriebsaufspaltung zwar auch eine Beherrschung ihres, der Antragstellerin, Unternehmens durch die OHG genügen lassen, verneine dies im konkreten Fall aber deswegen, weil die OHG-Gesellschafter A und B den entscheidenden Einfluß auf sie, die Antragstellerin, aus dem zwischen ihr und der Erbengemeinschaft geschlossenen "Beherrschungsvertrag" ableiteten.

a) Diese Annahme sei schon deswegen unzulässig, weil der "Beherrschungsvertrag" nicht wirksam geworden sei. Er hätte nach § 3 der Genehmigung durch ihre, der Antragstellerin, Gesellschafterversammlung bedurft. Diese habe die Genehmigung jedoch zu keinem Zeitpunkt erteilt. Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrags werde eine eidesstattliche Versicherung von B vorgelegt.

Bei gehöriger Sachaufklärung wäre dieser Umstand bereits dem FG bekanntgeworden. Es hätte dann den "Beherrschungsvertrag" nicht als zulagenschädlich ansehen dürfen. Insoweit werde die Verletzung der dem FG obliegenden Aufklärungspflicht gerügt.

b) Die Auffassung des FG zu den Voraussetzungen einer persönlichen Verflechtung im Rahmen der Betriebsaufspaltung sei aber auch materiell-rechtlich unzutreffend. Sie widerspreche insbesondere den BFH-Entscheidungen vom 8. November 1971 GrS 2/71 (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) und vom 29. Juli 1976 IV R 145/72 (BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750). Nach diesen Entscheidungen komme es darauf an, ob die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Das Urteil in BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750 erkenne eine Beherrschung der Betriebsgesellschaft durch die das Besitzunternehmen beherrschenden Personen auch ohne Anteilsbesitz an der Betriebsgesellschaft, lediglich aufgrund der tatsächlichen Machtstellung in der Betriebsgesellschaft an. Diese Grundsätze müßten auch im umgekehrten Fall gelten, wenn es - wie im Streitfall - um die Beherrschung der Besitzgesellschaft durch die Betriebsgesellschaft gehe.

c) Am Vorliegen eines derartigen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens bestehe im Streitfall kein Zweifel. A und B seien zu gleichen Teilen sowohl an der OHG als auch an der B-GmbH, ihrer, der Antragstellerin, Muttergesellschaft, unmittelbar beteiligt gewesen. Die Mehrheitsgesellschafterin A sei darüber hinaus sowohl in der B-GmbH als auch in ihr, der Antragstellerin, alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin gewesen.

Diese Verhältnisse in der Geschäftsführung habe das FG zwar nicht festgestellt. Doch beruhe dies auf einem Versäumnis des Gerichts. Es werde auch insoweit eine Verletzung der Aufklärungspflicht gerügt.

d) Bei dem vorstehend dargelegten Verständnis der Beherrschung von Besitz- und Betriebsunternehmen komme es auch nicht darauf an, ob - wie vom FG angenommen - ein unzulässiger Durchgriff auf die hinter ihr, der Antragstellerin, stehenden Gesellschafter vorliege. Dabei sei auch zu bedenken, daß das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die für das Durchgriffsverbot maßgebenden Grundsätze im Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvR 845/58 (BVerfGE 13, 331, BStBl I 1962, 500) zugunsten der Steuerpflichtigen im Rahmen der Gewerbesteuerpflicht entwickelt habe.

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der Aufhebungsbescheide des FA vom 3. Juni 1982 und der Zinsbescheide hierzu vom selben Tage auszusetzen, ferner, soweit Aussetzung gewährt wird, die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.

Das FA beantragt, den Antrag der Antragstellerin abzuweisen.

Es hält den Antrag im Hinblick auf Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - VGFGEntlG - (§ 69 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) zwar für zulässig, da es der Antragstellerin auf deren fernmündliche Anfrage am 1. Juni 1992 mitgeteilt habe, daß es von sich aus die Vollziehung der angefochtenen Bescheide nicht aussetzen werde. Doch sei der Antrag unbegründet.

Entscheidungsgründe

Der entsprechend den Ausführungen des FA zulässige Antrag ist unbegründet.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn - worauf der Antrag im Streitfall allein gestützt wird - ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung dieses Bescheids neben für die Rechtmäßigkeit des sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, richtet sich bei einem schon in der Revisionsinstanz schwebenden Rechtsstreit nach revisionsrechtlichen Grundsätzen. Ernstliche Zweifel können in diesem Fall nur dann bestehen, wenn auch unter Beachtung der beschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu rechnen ist. Bei voraussichtlich endgültiger Entscheidung über die Revision (Verwerfung oder Zurückweisung der Revision oder Entscheidung in der Sache) ist der wahrscheinliche Ausgang des Revisionsverfahrens, bei voraussichtlicher Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das FG der wahrscheinliche Ausgang des fortzusetzenden Klageverfahrens summarisch zu beurteilen (so schon BFH-Beschluß vom 21. November 1973 I S 8/73, BFHE 110, 498, BStBl II 1974, 114; s. auch Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Anm. 97, mit weiteren Hinweisen).

2. Im Streitfall ist nicht ernstlich mit einer Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Zulagenbescheide im Revisionsverfahren zu rechnen.

a) In dem Einwand der Antragstellerin, die von ihr angefochtenen (Änderungs-)Bescheide gingen ohnedies ins Leere, weil sie nach den Feststellungen des FG Bescheide vom 9. September 1980 änderten, die ursprünglichen Bescheide aber das Datum vom 17. September 1980 trügen, könnte die Rüge eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gesehen werden.

Ein derartiger Mangel der Bescheide kommt jedoch nicht ernsthaft in Betracht. Zum einen steht aufgrund der Beschreibung des tatsächlichen und rechtlichen Inhalts sowohl der ursprünglichen als auch der Änderungsbescheide durch das FG fest, daß mit den angefochtenen Bescheiden die ursprünglichen, die Zulagen gewährenden Bescheide aufgehoben werden sollten. Insoweit könnte ohne weiteres von einem Schreibfehler des Gerichts ausgegangen werden, der nach § 107 FGO jederzeit berichtigt werden könnte. Zum anderen sind die ursprünglichen Bescheide aber auch durch das Datum des 9. September 1980 hinreichend genau bezeichnet. An diesem Tage wurde ihr Erlaß amtsintern verfügt.

b) Der Senat hält bei summarischer Prüfung auch die von der Antragstellerin erhobenen Verfahrensrügen nicht für durchgreifend.

Die Rüge von Verfahrensmängeln ist nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich solche Mängel ergeben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz FGO). Bei der Rüge unzureichender Sachaufklärung wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1 FGO) muß vor allem dargelegt werden, welche Beweismittel das FG nicht erhoben hat und weshalb sich dem FG diese weitere Beweiserhebung - auch ohne besonderen Antrag - als noch erforderlich hätte aufdrängen müssen (so schon BFH-Beschluß vom 24. Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694; vgl. aus jüngerer Zeit auch BFH-Beschluß vom 29. Juli 1992 I B 49/92, BFH/NV 1993, 83, zur vergleichbaren Vorschrift des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der Antragstellerin nicht. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, weshalb das FG an der Wirksamkeit des "Beherrschungsvertrages" hätte zweifeln sollen. In gleicher Weise fehlen Angaben dazu, aufgrund welchen Sachvortrags im finanzgerichtlichen Verfahren das Gericht die Geschäftsführungsverhältnisse, insbesondere bei der Antragstellerin und bei der B-GmbH, hätte aufklären und feststellen müssen.

c) Der Senat sieht schließlich auch keine gewichtigen materiell-rechtlichen Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide sprächen.

aa) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 InvZulG ist die sog. Regionalzulage nur zu gewähren, wenn bewegliche Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung "in der Betriebsstätte des Steuerpflichtigen verbleiben" und Gebäude mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung "vom Steuerpflichtigen ausschließlich zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet werden".

Entsprechend diesem Gesetzeswortlaut sind nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis sowohl die Veräußerung als auch die Nutzungsüberlassung von begünstigten Wirtschaftsgütern an "Dritte" grundsätzlich zulagenschädlich.

bb) Von den genannten Verbleibregelungen hat allerdings sowohl die Verwaltung als auch der erkennende Senat Ausnahmen zugelassen. So ist es nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 1985, 683 (s. auch das BMF-Schreiben vom 31. Dezember 1986, BStBl I 1987, 51, Tz. 45) unschädlich, wenn im Fall der Betriebsaufspaltung begünstigte Wirtschaftsgüter des Besitzunternehmens innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums in einer Betriebsstätte des Betriebsunternehmens verwendet werden. Diese Auffassung hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 20. Mai 1988 III R 86/83 (BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739) geteilt. Er hat dabei für ausschlaggebend gehalten, daß anderenfalls in den typischen Fällen der Betriebsaufspaltung eine Zulagengewährung gänzlich ausgeschlossen wäre.

Der Senat hat in dem genannten Urteil die Fälle der Betriebsaufspaltung "in ihren verschiedenartigsten Formen" von der strengen Bindung des begünstigten Wirtschaftsguts an den Betrieb des Investors ausgenommen. Andererseits hat er jedoch eine entsprechende Ausnahme bei durch Organschaft verbundenen Unternehmen nicht zugelassen. Er hat es in diesem Zusammenhang insbesondere abgelehnt, in der bloßen Möglichkeit, auf den Einsatz des begünstigten Wirtschaftsguts weiterhin Einfluß nehmen zu können, ein übergeordnetes Prinzip zu sehen, das weitere Ausnahmen von der persönlichen Bindungsvoraussetzung rechtfertigen könnte.

Daraus folgt andererseits weiter, daß eine Betriebsaufspaltung nur dann zulagen unschädlich ist, wenn Besitz- und Betriebsunternehmen auch betriebsvermögensmäßig miteinander verbunden sind. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn entweder - in Fällen einer "normalen" Betriebsaufspaltung - die Beteiligung der Gesellschafter des Besitzunternehmens an der Betriebsgesellschaft unmittelbar oder mittelbar (Sonder-)Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft ist (s. hierzu z. B. das Urteil des BFH vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, Nr. 1 c der Entscheidungsgründe), oder umgekehrt - in Fällen der sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung - die Beteiligung der Gesellschafter der Betriebspersonengesellschaft an der Besitzgesellschaft oder der deren Anteile haltenden Obergesellschaft (Sonder-)Betriebsvermögen der Betriebsgesellschaft ist (vgl. hierzu z. B. Schulze zur Wiesche, Betriebs-Berater - BB - 1989, 815). Fälle, in denen - darüber hinaus - eine Betriebsaufspaltung möglicherweise auch ohne Anteilsbesitz, allein aufgrund einer tatsächlichen Machtstellung gegeben sein kann (Betriebsaufspaltung aufgrund faktischer Beherrschung; s. hierzu aus jüngerer Zeit das Urteil des erkennenden Senats vom 1. Dezember 1989 III R 94/87, BFHE 159, 480, BStBl II 1990, 500), rechnen demnach nicht zu den im Senatsurteil in BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739 gemeinten Fällen.

cc) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß die Antragstellerin den strengen Bindungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 InvZulG unterliegt.

(1) Die personellen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung aufgrund gesellschaftsrechtlicher Beteiligung liegen - bei summarischer Prüfung - zwischen der Antragstellerin und der OHG nicht vor.

(1.1) Eine sog. kapitalistische Betriebsaufspaltung (s. auch BMF-Schreiben in BStBl I 1985, 683, Abschn. III Nr. 4) kommt nicht in Betracht, da die Antragstellerin selbst weder unmittelbar noch mittelbar - über eine andere Kapitalgesellschaft - an der OHG beteiligt ist.

Der Antragstellerin können auch nicht die Beteiligungen der A und des B an der OHG zugerechnet werden. Eine solche Zurechnung wäre ein unzulässiger Durchgriff auf die (auch) hinter der Antragstellerin und deren Muttergesellschaft, der B-GmbH, stehenden A und B (vgl. hierzu zuletzt das Urteil des BFH vom 27. August 1992 IV R 13/91, BFHE 169, 231 , BStBl II 1993, 134, unter Bezugnahme u. a. auf die Urteile des BFH vom 1. August 1979 I R 111/78, BFHE 129, 57, BStBl II 1980, 77, und vom 22. Oktober 1986 I R 180/82, BFHE 148, 272, BStBl II 1987, 117).

Die Rechtsprechung zum sog. Durchgriffsverbot ist auch im Streitfall anzuwenden. Daran hindert nicht, daß die maßgebenden Grundsätze vom BVerfG (in BVerfGE 13, 331, BStBl I 1962, 500) im Rahmen des Gewerbesteuerrechts zugunsten der Steuerpflichtigen entwickelt worden sind. Es handelt sich um allgemeine Rechtsgrundsätze, die der erkennende Senat auch schon im Zulagenrecht angewendet hat (s. Urteil in BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739).

Unerheblich ist insoweit auch, daß im Streitfall eine OHG Betriebsgesellschaft ist. Entscheidend ist, daß die Antragstellerin als Besitzgesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist und ihr deswegen weder die Beteiligungen der A und des B an der Betriebsgesellschaft noch die damit verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden können (s. hierzu auch das Urteil des BFH in BFHE 169, 231 , BStBl II 1993, 134, Abschn. II Nr. 2 a der Entscheidungsgründe).

(1.2) Bei summarischer Prüfung sind im Streitfall auch die Voraussetzungen einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung (s. hierzu z. B. BStBl I 1985, 683, Abschn. III Nr. 5; auch Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 2. Aufl., § 2 Anm. 135, und Schulze zur Wiesche, BB 1989, 815) mit entsprechender vermögensmäßiger Beteiligung der OHG an der Antragstellerin oder der B-GmbH nicht erfüllt.

Im allgemeinen hält es der Senat auch bei dieser Form der Betriebsaufspaltung für erforderlich, daß die beherrschende Stellung (hier in der Besitzgesellschaft) auf der Mehrheit der Anteile und damit der Stimmen beruht. Ob ausnahmsweise auch hier eine sog. faktische Beherrschung - ohne Anteilsbesitz an der Besitzgesellschaft - allein aufgrund einer besonderen tatsächlichen Machtstellung ausreichen kann, braucht nicht entschieden zu werden. Denn für die Bejahung einer Ausnahme von den Bindungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 InvZulG wäre - wie oben unter bb) ausgeführt - erforderlich, daß - im Fall einer "umgekehrten" Betriebsaufspaltung - die Anteile der Gesellschafter der Betriebsführungs-Personengesellschaft an der Besitz-GmbH oder an der deren Anteile haltenden Obergesellschaft zum (Sonder-)Betriebsvermögen der Gesellschafter in der Personengesellschaft gehören.

Diese Voraussetzungen sind jedoch im Streitfall nicht erfüllt.

Die Gesellschafter der Betriebs-OHG, A und B, sind an der Antragstellerin nicht unmittelbar beteiligt. Die Anteile der Antragstellerin werden vielmehr zu 98,8 v. H. von der B-GmbH gehalten und zu 1,2 v. H. von fremden Dritten. Eine - unmittelbare - Zurechnung von Anteilen an der Antragstellerin als (Sonder-)Betriebsvermögen II bei der OHG scheidet daher - anders als z. B. im Fall des vom FG zitierten Urteils des BFH vom 14. August 1975 IV R 30/71 (BFHE 117, 44, BStBl II 1976, 88) - aus.

In gleicher Weise kommt auch eine Qualifizierung der Anteile von A und B an der B-GmbH als Sonderbetriebsvermögen der OHG ernsthaft nicht in Betracht.

Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung insbesondere Anteile des Kommanditisten an der Komplementär-GmbH (seiner KG) dem Sonderbetriebsvermögen II zugerechnet. Er hat dies damit begründet, daß der Kommanditist mit Hilfe dieser Anteile seine Interessen als Gesellschafter der KG wirksam wahrnehmen könne (s. aus jüngerer Zeit z. B. BFH-Urteil vom 23. Januar 1992 XI R 36/88, BFHE 167, 491, BStBl II 1992, 721). Weiter kann die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft dann notwendiges Sonderbetriebsvermögen II sein, wenn eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Kapitalgesellschaft und der Personengesellschaft vorliegt, daß die eine Gesellschaft eine wesentliche Funktion der anderen erfüllt, z. B. den Vertrieb der Produkte der anderen Gesellschaft übernommen hat (s. insoweit das Urteil in BFHE 167, 491, BStBl II 1992, 721, sowie auch jenes vom 7. Juli 1992 VIII R 2/87, BFHE 168, 322, BStBl II 1993, 328).

Die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen, wie sie üblicherweise auch mit anderen Unternehmen bestehen, reicht demnach grundsätzlich nicht aus, um Anteile des Gesellschafters einer Personengesellschaft an der Kapitalgesellschaft, mit der die Personengesellschaft Geschäftsbeziehungen unterhält, als notwendiges Sonderbetriebsvermögen anzusehen (s. auch BFH-Urteil vom 31. Januar 1991 IV R 2/90, BFHE 164, 309 , BStBl II 1991, 786). Weiter kann Sonderbetriebsvermögen II nicht allein schon deswegen angenommen werden, weil ein Mitunternehmer sowohl an der Personengesellschaft als auch an der Kapitalgesellschaft - ggf. sogar beherrschend - beteiligt ist.

Entscheidend ist vielmehr, daß die bestehende wirtschaftliche Verflechtung den Schluß zuläßt, daß der Mitunternehmer seine Machtstellung, die er - ggf. zusammen mit anderen Mitunternehmern - kraft seines Anteilsbesitzes an der Kapitalgesellschaft innehat, in den Dienst des Unternehmens der Personengesellschaft stellt. Dieser Schluß ist jedoch nicht mehr möglich, wenn die Kapitalgesellschaft in erheblichem Umfang anderweitig geschäftlich tätig ist. In einem solchen Fall ist dann davon auszugehen, daß beide Gesellschaften mit ihrem Tätigkeitsbereich - und damit auch die Interessenbereiche ihrer Gesellschafter - gleichrangig nebeneinander stehen (BFH-Urteil in BFHE 168, 322, BStBl II 1993, 328).

So liegen die Verhältnisse - aufgrund der Feststellungen des FG und bei summarischer Betrachtung - auch im Streitfall.

Die Beteiligungen von A und B an der B-GmbH vermitteln diesen keinen Einfluß auf die Geschäftsführung der Antragstellerin und damit auch auf das zwischen dieser und der OHG bestehende Pachtverhältnis. Die Geschäftsführung der Antragstellerin obliegt - aufgrund des zwischen dieser und der Erbengemeinschaft geschlossenen "Beherrschungsvertrages" - vielmehr letztlich der Erbengemeinschaft. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, konnten A und B allein aufgrund dieses Vertrages die Geschäftsführung der Antragstellerin bestimmen, nicht jedoch aufgrund ihrer - über die B-GmbH - mittelbaren Beteiligung an der Antragstellerin.

Den Einwand der Antragstellerin, der "Beherrschungsvertrag" sei nicht wirksam geworden, kann der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO als neues tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigen. Die insoweit erhobene Verfahrensrüge greift - wie bereits oben, unter b), ausgeführt - nicht durch.

Auch liegt aufgrund der Feststellungen des FG - bei summarischer Prüfung - keine besonders enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der OHG und der B-GmbH vor. Beide Unternehmen sind produzierende Unternehmen. Die OHG vertreibt ihre Produkte selbst. Die Produkte der B-GmbH, die zum Teil auch anderer Art sind als jene der OHG, werden nach den Feststellungen des FG, an die der Senat mangels entsprechender erfolgreicher Verfahrensrügen nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, von der Erbengemeinschaft vertrieben.

(2) Die im Streitfall unter Umständen tatsächlich bestehende Möglichkeit der Einflußnahme der A (allein oder zusammen mit B) auf die begünstigten Wirtschaftsgüter hält der Senat nicht für ausreichend, um die Verbleibvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 InvZulG als erfüllt ansehen zu können. Er hat dies bereits in seinem Urteil in BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739 zum Ausdruck gebracht.

3. Nach alledem kommt eine Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide nicht in Betracht.

1) S. hierzu BMF-Schreiben vom 20. September 1993 - IV B 3 - S 1900 - 73/93 - (BStBl I, 800).

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