BFH

BFHV R 8/8924.11.1992

Amtlicher Leitsatz:

Zur Frage, ob der Erbe einer Kunstsammlung bei deren entgeltlicher Veräußerung nachhaltig tätig und dadurch zum Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne wird.

 

Tatbestand:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als ... fachgehilfe ausgebildet und heute als ... tätig. Seine Mutter betreibt seit dem Tod des Vaters (Anfang der sechziger Jahre) dessen Kunsthandlung. Der Kläger erhielt von seinem Vater von Todes wegen dessen private Sammlungen (Kunstgegenstände, Bilder, Schmucksachen, Luxusgegenstände, Sammlungsstücke und Briefmarkensammlung). Ab 1975 begann er, diese Gegenstände in größerem Umfang zu veräußern. Die Erlöse von insgesamt rund 228 000 DM in den Streitjahren (1976 bis 1978) verwendete er zum Erwerb privaten Grundbesitzes und für seine Pilotenausbildung.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) unterwarf diese Erlöse mit dem vollen Steuersatz der Umsatzsteuer.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte der Kläger, die Erlöse nicht zu versteuern, hilfsweise zum Teil nur dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Der Kläger brachte zur Begründung u. a. vor: Er habe sich in seinem Elternhaus mit dem Kunstmarkt vertraut gemacht, jedoch nie die Absicht gehabt, das Geschäft seines Vaters zu übernehmen. Die Kunstgegenstände habe er im wesentlichen an Freunde und Bekannte verkauft. Seinen Lebensunterhalt habe er seinerzeit mit dem Ankauf und der Vermietung von Wohnungen bestritten. Im Jahr 1974 habe er sich ein Haus gebaut.

Während des Klageverfahrens erließ das FA für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen es teilweise den ermäßigten Steuersatz anwandte. Diese geänderten Bescheide wurden auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in der Vorentscheidung in Verbindung mit dem Beschluß vom 27. Oktober 1988 statt. Zur Begründung führte es aus: Der Kläger habe sich nicht wie ein Händler verhalten. Er habe nicht An- und Verkäufe planmäßig mit der auf Güterumschlag gerichteten Absicht getätigt. Ohne Bedeutung sei, daß er seine im Elternhaus erworbenen Kenntnisse und Beziehungen in der Antiquitäten- und Kunstbranche genutzt und sich gelegentlich als Kunsthändler bezeichnet habe. Er sei in diesem Geschäftszweig nie hauptberuflich tätig gewesen, sondern habe völlig andere berufliche Interessen verfolgt. Er habe weder gezielt für seine Verkäufe geworben noch etwas hinzugekauft, um die Erlöse zu steigern. Besonders bedeutsam sei, daß der Kläger die verkauften Antiquitäten und Kunstgegenstände nicht nach und nach angeschafft, sondern geerbt habe.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973). Der Kläger habe sich - so bringt das FA vor - wie ein Händler verhalten. Dies ergebe sich aus dem längeren Zeitraum der Tätigkeit, der Vielzahl der Einzelverkäufe und der Ausnutzung seiner Branchenkenntnisse.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Feststellungen des FG ermöglichen keine abschließende Entscheidung, ob die umstrittenen Veräußerungen der Umsatzsteuer unterliegen.

a) § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1973 unterwirft unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1973, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1973 jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.

b) Daß der Kläger selbständig und zur Erzielung von Einnahmen tätig wurde, ist nicht zweifelhaft. Die hier ausschlaggebende Nachhaltigkeit der Tätigkeit ist nach der neueren Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776) anhand einer Reihe verschiedener Kriterien zu beurteilen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen Nachhaltigkeit sprechen. Der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch die Tatsacheninstanz kommt insoweit eine besondere Bedeutung zu. Der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsinstanz hat in dieser Beziehung nur zu prüfen, ob dem FG bei der tatsächlichen Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind.

Das FG hat seine Entscheidung letztlich nur darauf gestützt, daß sich der Kläger nicht "wie ein Händler" verhalten habe, weil es "insbesondere an den für die Annahme einer Händlertätigkeit entscheidenden Einkäufen ..." fehle und weil er in der Kunstbranche weder hauptberuflich tätig gewesen sei noch habe werden wollen. Das nach der vorbezeichneten Rechtsprechung entscheidende Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit, das sich auf die Ausführung von Leistungen gegen Entgelt bezieht, hat das FG vernachlässigt.

c) Das FG wird auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Senats eine erneute Würdigung des Sachverhalts vorzunehmen haben. Dabei sind alle erheblichen Umstände des Sachverhalts einzubeziehen. Von Bedeutung können insbesondere folgende Umstände sein:

Zahl der Verkäufe und der verkauften Gegenstände,

Dauer der Verkaufstätigkeit,

Höhe der Erlöse,

Werbung,

Benutzung des elterlichen Ladenlokals,

Auftreten des Klägers nach außen,

Verwertung von Kenntnissen und Kontakten aus dem

Kunst- und Antiquitätenhandel und

Ausbildung des Klägers.

Die unternehmerische Tätigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1973 braucht im übrigen nicht hauptberuflich zu sein (vgl. z. B. Senatsurteil vom 7. November 1991 V R 116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269).

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