BFH

BFHI R 7/8025.1.1984

Amtlicher Leitsatz:

Wegen der zu erwartenden Ausbildungskosten im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses können grundsätzlich keine Rückstellungen gebildet werden.

Normen

§ 5 Abs. 1 EStG
§ 152 Abs. 7 AktG

FG Berlin

 

Tatbestand:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beschäftigte Ende 1976 vier Lehrlinge. Wegen der zu erwartenden Ausbildungskosten stellte die Klägerin in ihre Bilanz auf den 31. Dezember 1976 eine Rückstellung in Höhe von 87 800 DM ein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Körperschaftsteuer für das Kalenderjahr 1976 auf der Grundlage eines um den Rückstellungsbetrag erhöhten Gewinns fest.

Die dagegen eingelegte Sprungklage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 276 veröffentlichten Urteil ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 6 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i. V. m. § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften die Rückstellungsbildung gebieten. Das Urteil verletze insbesondere den Grundsatz der Einzelbewertung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 EStG) und das aus § 5 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG abzuleitende Verbot, Bestandteile des originären Firmenwerts bei der Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen.

Die Klägerin rügt außerdem eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und einen Verstoß gegen die allgemeinen Denkgesetze. Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer für das Kalenderjahr 1976 auf 52 399 DM festzusetzen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

Nach seiner Ansicht droht aus den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Streitfall kein Verlust. Die Frage einer möglichen Unausgewogenheit von Verträgen sei allein danach zu entscheiden, ob der Wert der Verbindlichkeit den Wert der Forderung übersteige. Maßstab für diese Beurteilung seien die schuldrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Vertrag und die üblichen Bedingungen des Marktes. Solange der Auszubildende seine Lernpflicht erfülle, sei deshalb der Ausbildungsvertrag von seiner betrieblichen Funktion her als ausgewogen anzusehen.

Entscheidungsgründe

1. Die Körperschaftsteuer des Streitjahres mußte ohne Berücksichtigung der von der Klägerin begehrten Rückstellung festgesetzt werden. Das Einkommen des Streitjahres, nach dem sich die Körperschaftsteuer bemißt (vgl. § 5 Abs. 1 KStG a. F.), ist gemäß § 6 Abs. 1 KStG a. F. nach den Vorschriften des EStG zu ermitteln. Bei Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, ist für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 EStG). Zu diesen Grundsätzen, die auch für die Klägerin in der Rechtsform der GmbH gelten (§ 6 Abs. 1 i. V. m. § 38 des Handelsgesetzbuches - HGB -), gehört das in § 152 Abs. 7 Satz 3 des Aktiengesetzes (AktG) ausgesprochene Verbot, andere als die in § 152 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 erwähnten Rückstellungen zu bilden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. März 1980 IV R 89/79, BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297). Danach kann die Klägerin die begehrte Rückstellung in dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres 1976 nicht ansetzen. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (vgl. § 152 Abs. 7 Satz 1 AktG), die im Streitfall allein in Betracht kommt, liegen nicht vor.

2.1. Der Begriff des schwebenden Geschäfts setzt voraus, daß sich die vertraglich vorgesehenen Leistungen und Gegenleistungen gegenüberstehen: Jeder Vertragspartner verpflichtet sich zu seiner Leistung um der Leistung des anderen willen. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Regelung des § 152 Abs. 7 Sätze 1 und 2 AktG. Eine entsprechende Bestimmung war im AktG 1937 nicht enthalten (vgl. § 131 Abs. 1 Buchst. B IV AktG 1937). Durch die Vorschrift des § 152 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 AktG fanden diejenigen Grundsätze in das AktG Eingang, die die steuerliche Rechtsprechung im wesentlichen entwickelt hat. Danach waren bei schwebenden Geschäften Forderungen und Verbindlichkeiten, soweit sie von keiner Seite erfüllt waren, regelmäßig nicht zu bilanzieren. Maßgebend dafür war der Gedanke, daß der Kaufmann davon ausgeht, Rechte und Verbindlichkeiten aus dem laufenden Geschäft glichen sich wertmäßig aus (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 7. Mai 1920 I A 302/19, RFHE 3, 22, und vom 4. November 1925 VI A 491/25, RFHE 17, 332; BFH-Urteil vom 26. Januar 1956 IV 566/54 U, BFHE 62, 305, BStBl III 1956, 113). Eine Rückstellung wurde jedoch zugelassen, wenn der Wert der Verpflichtung des Unternehmers höher war als der Wert der korrespondierenden Forderung (RFHE 3, 22; RFHE 17, 332; BFHE 62, 305, BStBl III 1956, 113; BFH-Urteile vom 3. Juli 1956 I 118/55 U, BFHE 63, 133, BStBl III 1956, 248; vom 17. Juli 1956 I 292/55 U, BFHE 63, 476, BStBl III 1956, 379).

2.2. Die Annahme eines schwebenden Geschäfts hängt außerdem davon ab, inwieweit die wechselseitigen Leistungen aus dem Vertrag erbracht sind. Ein schwebendes Geschäft liegt jedenfalls dann vor, wenn es noch von keiner Seite voll erfüllt ist.

3. Bei den Berufsausbildungsverträgen handelt es sich, soweit sie sich auf den Zeitraum nach dem Bilanzstichtag beziehen, um schwebende Geschäfte.

3.1. Durch den Abschluß des Ausbildungsvertrages entstehen sowohl Verpflichtungen des Ausbildenden als auch des Auszubildenden. Der Ausbildende hat u. a. dafür zu sorgen, daß dem Auszubildenden die Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, die zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich sind, und selbst auszubilden oder einen Ausbilder ausdrücklich damit zu beauftragen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Berufsbildungsgesetzes - BBiG -). Er hat außerdem dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe, zur Verfügung zu stellen, die zur Berufsausbildung erforderlich sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 BBiG). Er hat dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren (§ 10 Abs. 1 BBiG). Der Auszubildende hat sich zu bemühen, die Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die erforderlich sind, um das Ausbildungsziel zu erreichen (§ 9 BBiG). Er ist insbesondere verpflichtet, die ihm im Rahmen seiner Berufsausbildung aufgetragenen Verrichtungen sorgfältig auszuführen.

3.2. Die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag, wie sie sich aus dem BBiG ergeben, stehen in dem für das schwebende Geschäft erforderlichen Abhängigkeitsverhältnis. Dabei kann offenbleiben, ob das Berufsausbildungsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinn als reines Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (vgl. dazu die Nachweise bei Natzel, Berufsausbildungsrecht, 3. Aufl., S. 132/133, sowie die Urteile des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 13. Dezember 1972 4 AZR 89/72, Arbeitsgerichtliche Praxis, § 611 BGB, Lehrverhältnis Nr. 26, und vom 16. Oktober 1974 5 AZR 575/73, Arbeitsgerichtliche Praxis, § 1 BBiG, Nr. 1). Jedenfalls erbringt - aus der maßgebenden Sicht des ausbildenden Unternehmers - dieser seine Leistungen (Ausbildung und Ausbildungsvergütung) für die Gegenleistung des Auszubildenden.

Der Ausbildungsvertrag ist auch nicht wirtschaftlich als ein lediglich den Ausbildenden belastender Vertrag anzusehen, weil die Verpflichtungen dem Auszubildenden nur dessen eigenem Interesse dienten. Wäre die von dem Auszubildenden zu erbringende Leistung ohne wirtschaftlichen Wert für den Ausbildenden, ließe sich nicht erklären, warum Ausbildungsverträge ohne gesetzliche Verpflichtung abgeschlossen werden. Dabei kann offenbleiben, welche wirtschaftlichen Vorteile die einzelnen Ausbildenden als maßgebend ansehen. Für einen Teil der Ausbildenden mag es entscheidend sein, daß - wenn der Auszubildende seine Lernpflichten erfüllt - er dazu beiträgt, für das Unternehmen das Potential der "im eigenen Hause" ausgebildeten Fachkräfte zu erhöhen. Anderen Ausbildenden mag es auch auf den Arbeitserfolg ankommen, den der Auszubildende erbringt, wenn er im Rahmen seiner Berufsausbildung auferlegte Verrichtungen sorgfältig ausführt, dem Ausbildenden also damit das Ergebnis des "learning by doing" (vgl. dazu Bericht der Sachverständigenkommission "Kosten und Finanzierung der beruflichen Bildung", BT-Drucks. 7/1811 - im folgenden "Sachverständigenkommission" -, S. 27, rechte Spalte unter 3.1.1.2.2.) zugute kommt.

3.3.Der Berufsausbildungsvertrag erfüllt auch insoweit die Voraussetzungen des schwebenden Geschäfts, als er am Bilanzstichtag noch von keiner Seite voll erfüllt ist (vgl. 2.). Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei dem Vertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt (BFH-Urteil vom 19. Juli 1983 VIII R 160/79, BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56).

3.4. Die Rechtsprechung hat bereits bisher die Grundsätze des schwebenden Geschäfts auf Arbeitsverhältnisse angewandt (vgl. BFH-Urteile vom 7. September 1954 I 50/54 U, BFHE 59, 311, BStBl III 1954, 330; vom 25. September 1956 I 122/56 U, BFHE 63, 354, BStBl III 1956, 333; vom 19. Juli 1960 I 160/59 U, BFHE 71, 264, BStBl III 1960, 347; vgl. auch das BFH-Urteil vom 26. Juni 1980 IV R 35/74, BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506).

4.1. Ein Verlust aus einem schwebenden Geschäft, der zu einer Rückstellung berechtigt, ist gegeben, wenn der Wert der künftigen Verpflichtungen den Wert der künftigen Leistungen übersteigt (BFHE 71, 264, BStBl III 1960, 347; vgl. auch BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297).

4.2. Sind die Bedingungen von Verträgen, die ein Unternehmen zur Erlangung von Dienstleistungen abschließt, als üblich anzusehen, muß davon ausgegangen werden, daß der Wert der Gegenleistung in Form der zugesagten Dienste der Vergütung und den sonstigen zu erbringenden Leistungen entspricht. Für die Üblichkeit spricht dabei insbesondere die Übereinstimmung mit einem Tarifvertrag bzw. einer Gebührenordnung. Eine Rückstellung wegen eines Verlustes aus einem schwebenden Geschäft ist nur dann möglich, wenn anzunehmen ist, daß die dem Unternehmen versprochene Leistung hinter dem zurückbleibt, was nach den üblichen Bedingungen zu erwarten ist. Dabei muß allerdings hingenommen werden, daß Qualität und Quantität der von den einzelnen Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistungen unterschiedlich sein können.

Für die Ausgeglichenheit derartiger Verträge spricht - steuerrechtlich - auch der Gesichtspunkt des Teilwerts, der über § 5 Abs. 4 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 2 EStG auch für die Bewertung von Verbindlichkeiten und damit auch für die Ermittlung des Verlustes aus schwebenden Geschäften gilt. Bei der Rückstellung für Verluste aus schwebenden Geschäften handelt es sich um den Ausweis einer ungewissen Verbindlichkeit (so bereits die Begründung zum AktG, Kropff, Aktiengesetz, § 152, S. 236: in Begründung RegE. zu Abs. 7 Satz 1, und BFH-Urteil vom 16. November 1982 VIII R 95/81, BFHE 137, 427, BStBl II 1983, 361). Der Erwerber des Betriebes (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) ist gezwungen, bei den genannten Verträgen Verpflichtungen, die der Veräußerer eingegangen ist und die Ansprüche, die dem Veräußerer zustehen, anhand der Üblichkeit der Bedingungen zu bewerten. Entsprechen die vertraglichen Bedingungen den allgemein üblichen Bedingungen, ist davon auszugehen, daß der Erwerber des Betriebes die Ausgewogenheit der Leistung und Gegenleistung zugrunde legt. Eine allgemein übliche Handhabung muß sich der Erwerber des Betriebes als Beweis dafür entgegenhalten lassen, daß die von dem Betrieb für die Dienste zu erbringende Vergütung unter Bewertung der Dienste am Markt ausgehandelt wurde.

Bei Arbeitsverträgen hat die Rechtsprechung bisher einen Verlust aus schwebenden Geschäften aus ähnlichen Erwägungen nicht anerkannt (vgl. BFHE 59, 311, BStBl III 1954, 330; BFHE 63, 354, BStBl III 1956, 333; BFHE 71, 264, BStBl III 1960, 347; vgl. auch BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506).

4.3. Die für die Ausgeglichenheit bei Arbeitsverhältnissen (vgl. oben 4.2.) sprechenden Gesichtspunkte treffen auch auf Berufsausbildungsverträge zu. Das Berufsausbildungsverhältnis weist zwar insoweit Besonderheiten auf, als es auf nicht abdingbaren Vorschriften beruht, die die Ausbildung des Auszubildenden sicherstellen sollen. Mögen diese Vorschriften - etwa die Verpflichtung des Ausbildenden, den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule anzuhalten (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 BBiG) - den Ausbildenden im Vergleich zu anderen Dienstverhältnissen stärker belasten, steht dies der Vermutung der Ausgeglichenheit nicht entgegen. Maßstab für den Vergleich ist nicht der "normale" Arbeitsvertrag, der keine Besonderheiten (Minderjährigkeit des Arbeitnehmers etc.) aufweist, sondern der Vertrag mit entsprechenden Besonderheiten. Für ihn werden Bedingungen vereinbart, die den Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses Rechnung tragen und die die Vermutung der Ausgeglichenheit rechtfertigen.

Die Vermutung der Ausgeglichenheit kann zugrunde gelegt werden, obwohl sie auch auf der Erwägung beruhen dürfte, mit der Ausbildung ein Potential an ausgebildeten Fachkräften zu erhalten. Soweit dieser Vorteil dadurch berücksichtigt wird, liegt darin kein Verstoß gegen das Verbot des Ausweises nicht realisierter Gewinne (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 1970 I R 184/67, BFHE 100, 443, BStBl II 1971, 85). Bei der Prüfung, ob eine Rückstellung wegen eines drohenden Verlustes aus einem schwebenden Geschäft gebildet werden darf, ist der Wert der eigenen Leistungen mit dem Wert der Gegenleistung zu vergleichen. Der Wert der Gegenleistung wird dabei auch durch die Vorteile beeinflußt, die mit der zu erwartenden Gegenleistung verbunden sind. Dazu zählt auch der Vorteil für das Unternehmen, aus einem Bestand "im eigenen Haus" ausgebildeter Fachkräfte auswählen zu können. Das ist ein Vorteil, der sich unmittelbar aus dem Ausbildungsverhältnis und nicht erst aus dem später mit dem Auszubildenden abgeschlossenen Arbeitsvertrag ergibt. Mit dem Abschluß des Arbeitsvertrags wird dieser Vorteil lediglich verwirklicht.

4.4. Der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen aus den Ausbildungsverhältnissen steht nicht entgegen, daß die Ausgeglichenheit in bestimmten Abschnitten - insbesondere im ersten Ausbildungsjahr - nicht gegeben ist. Insoweit handelt es sich um eine für die Berufsausbildungsverhältnisse typische Phasenverschiebung bei den sich gegenüberstehenden Leistungspflichten (vgl. Sachverständigenkommission S. 34 ff.). Entscheidend ist die Ausgeglichenheit auf die Gesamtzeitdauer des Ausbildungsvertrages (vgl. auch Littmann, Das Einkommensteuerrecht, §§ 4, 5 Anm. 486).

4.5. Der Gleichwertigkeit der künftigen Leistungen aus den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen stehen die Ergebnisse der Sachverständigenkommission nicht entgegen. Diese Kommission wurde aufgrund eines Beschlusses des Bundestags gebildet. Sie sollte u. a. die Kosten und die Finanzierung der beruflichen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) untersuchen (Sachverständigenkommission S. 3 rechte Spalte). Die Kommission ermittelt als durchschnittliche Bruttoberufsausbildungskosten je Auszubildenden im Jahr 1972 6 948 DM (vgl. Tabelle 48/Sachverständigenkommission S. 59) und einen Ertrag je Auszubildenden in Höhe von durchschnittlich 2 561 DM (vgl. Tabelle 50/Sachverständigenkommission S. 60), was durchschnittliche Nettoausbildungskosten von 4 387 DM ergäbe. Zu den Bruttokosten der beruflichen Bildung rechnet die Sachverständigenkommission neben der Ausbildungsvergütung die Vergütung der Ausbilder und die sachlichen Mittel (Räume, Maschinen, maschinelle Anlagen sowie das Material, das in der Ausbildung verbraucht wird - Sachverständigenkommission S. 27 -). Als Erträge der beruflichen Bildung wurde das Produkt aus dem Leistungsgrad des Auszubildenden und der produktiven Zeit angesehen, d. h. der Zeit, die zur Erstellung wirtschaftlich verwertbarer Güter und Dienstleistungen genutzt wird. Als Leistungsgrad eines Auszubildenden wurde dabei ein Prozentwert der Leistung eines Auszubildenden im Verhältnis zur Leistung eines durchschnittlichen Facharbeiters zugrunde gelegt. Die produktiven Leistungen eines Auszubildenden wurden mit den eingesparten Facharbeiterstunden bewertet. Der Wertansatz der eingesparten Facharbeiterlöhne beruhte dabei auf dem Grundsatz, daß die produktive Leistung des Auszubildenden höchstens so viel wert sein könne, wie bei bester (billigster) alternativer Entscheidung zusätzlich aufgewendet werden müßte, um die gleichen Leistungen zu erbringen. Als Nettokosten der Berufsausbildung bezeichnete die Sachverständigenkommission (S. 29) die Differenz zwischen den Bruttokosten und den Erträgen der beruflichen Bildung. Die Kommission hat nach diesen Grundsätzen 1,4 v. H. der Gesamtzahl der Ausbildungsverhältnisse in der Bundesrepublik untersucht und die Ergebnisse hochgerechnet (Sachverständigenkommission S. 39). Die für die Berechnung der Erträge maßgeblichen Leistungsgrade der Auszubildenden (Prozentwert der Leistung eines Facharbeiters) beruhten dabei auf den Angaben der jeweiligen Ausbilder (Sachverständigenkommission S. 38).

Die Ergebnisse der Sachverständigenkommission sprechen nicht gegen die Ausgewogenheit der beiderseitigen Verpflichtungen. Der Schätzung der Ausbilder über den Leistungsgrad der Auszubildenden, die für das Ergebnis der Sachverständigenkommission entscheidend war, steht entgegen, daß die Bedingungen der Berufsausbildungsverträge vereinbart werden, was darauf hindeutet, daß die Unternehmen von einer Gleichwertigkeit der Kosten und der Erträge der Berufsausbildung ausgingen.

Die Sachverständigenkommission hat nicht als "Ertrag" des Berufsausbildungsverhältnisses die Schaffung eines ausgebildeten Personalstammes angesehen, was jedoch im Rahmen der Rückstellung für Verluste aus schwebenden Geschäften entscheidend sein kann.

4.6. Der einzelne Ausbildungsvertrag stimmt grundsätzlich mit einer typisierenden Regelung überein. Er ist durch zwingende Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes in seinem Inhalt vorgegeben. Allgemeine Regelungen enthalten vielfach auch die Tarifverträge zur Ausbildungsvergütung. Darüber hinaus entwickeln sich die Bedingungen der einzelnen Berufsausbildungsverträge entsprechend der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung.

Im Streitfall ergeben die Feststellungen des FG nicht, daß die abgeschlossenen Berufsausbildungsverträge, auf die die Klägerin die Rückstellung stützt, einen Inhalt haben, der von den allgemein üblichen Bedingungen abweicht. Dies hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.

5. Die Auffassung des Senats widerspricht nicht der Rechtsprechung zur Bildung von Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Beschaffungsgeschäften. Danach ist bei solchen Geschäften eine Rückstellung zulässig, wenn der Teilwert der angeschafften, aber noch nicht erhaltenen Gegenstände am Bilanzstichtag niedriger ist als die Kaufpreisschuld (RFHE 17, 332; BFHE 62, 305, BStBl III 1956, 113; BFHE 63, 133, BStBl III 1956, 248; BFHE 63, 476, BStBl III 1956, 379). Insoweit werden die Auswirkungen einer Teilwertabschreibung vorweggenommen (so bereits RFHE 17, 332), die bei sinkenden Wiederbeschaffungspreisen auf die erhaltenen Gegenstände auch dann zulässig ist, wenn diese bereits fest zu einem höheren Preis verkauft sind (BFH-Urteil vom 29. Juli 1965 IV 164/63 U, BFHE 83, 413, BStBl III 1965, 648). Diese Grundsätze können auf Verträge, die Dienstleistungen betreffen, nicht übertragen werden. Gegenstand solcher Verträge ist im Gegensatz zu Kauf-, Werk- oder Werklieferungsverträgen nicht die Verschaffung oder Herstellung eines bestimmten Wirtschaftsguts. Der einzelne Dienstvertrag kann nicht ausschließlich einem bestimmten Wirtschaftsgut zugeordnet werden. Es kann daher nicht die gegebenenfalls bezüglich eines Wirtschaftsguts voraussichtlich vorzunehmende Teilwertabschreibung als Verlust aus einem schwebenden Dienstvertrag berücksichtigt werden. Bei Beschaffungsgeschäften ist ferner eine Rückstellung geboten, wenn der zu erwartende Erlös unter den zu erwartenden Selbstkosten liegt. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, daß der Einsatz der Auszubildenden zu Verlusten aus Beschaffungsgeschäften führt, die am Bilanzstichtag eine Rückstellung rechtfertigen würden.

6. Die Klägerin kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, daß ein Erwerber - zwar von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Verpflichtungen innerhalb der Ausbildungsverträge ausgehend - geltend machen könnte, die bestehenden Verträge würden die Ertragskraft des Unternehmens derart beeinträchtigen, daß der Ertragswert den Substanzwert unterschreite. Ein sogenannter negativer Geschäftswert kann nicht angesetzt werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 1981 IV R 41/78, BFHE 133, 510, BStBl II 1981, 730).

Die Klägerin könnte eine Rückstellung auch nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, die bestehenden Ausbildungsverträge würden den Ertragswert des Unternehmens zwar nicht unter den Substanzwert absinken lassen, jedoch zu einer Minderung des Ertragswerts beitragen. Letztlich würde sie nämlich dann eine Rückstellung dafür begehren, daß sie für einen Zeitraum nach dem Bilanzstichtag eine Gewinnminderung durch ihrer Meinung nach zu hohe Aufwendungen in Kauf nehmen muß. Darauf allein kann keine Rückstellung gestützt werden. Derartige zu erwartende Minderungen lägen im allgemeinen Unternehmensrisiko.

7. Für die Abweisung der Klage ist es unerheblich, ob und wie die von der Klägerin erwarteten Vorteile, auf die das FG abgestellt hat, bewertet werden können. Damit kommt es auf die Verfahrensrüge der Klägerin, das FG habe bezüglich dieser Vorteile nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen, nicht an.

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