Normen
§ 15 ErbStG
Tatbestand:
Die Antragstellerin ist Alleinerbin des 1979 verstorbenen A (Erblasser). Der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA -- ) setzte gegen die Antragstellerin aus Steuerklasse IV Erbschaftsteuer fest. Mit ihrem Einspruch machte die Antragstellerin geltend, daß sie seit 1947 mit dem Erblasser in einem gemeinsamen Haushalt zusammengelebt habe und seit 1951 mit ihm verlobt gewesen sei. Der Erblasser sei seit 1957 arbeitsunfähig und seit 1959 ein Pflegefall gewesen. Sie habe 1961 ihren Beruf ganz aufgegeben, um den Erblasser pflegen zu können. Eine Eheschließung sei auf Anraten der Ärzte unterblieben. Die Antragstellerin beantragte, ihr die Freibeträge nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 und § 17 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 zu gewähren.
Durch Einspruchsentscheidung setzte das FA die Erbschaftsteuer herab. Es gewährte einen Freibetrag in Höhe von 2 000 DM gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974.
Mit ihrer Klage, über die noch nicht entschieden ist, hat die Antragstellerin die Aufhebung des Erbschaftsteuerbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt.
Nach Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides durch das FA hat die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides beantragt. Das FG hat die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich eines Teilbetrages angeordnet und im übrigen den Antrag abgelehnt (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1982, 253).
Es sprächen gewichtige Gründe dafür, § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 im Falle des überlebenden Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft jedenfalls dann anzuwenden, wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft auf Dauer angelegt gewesen sei, eine nicht unerhebliche Zeit bestanden habe und der Erblasser den überlebenden Partner auch bedacht habe, um ihn zu versorgen. Es stelle sich die Frage, ob das Gesetz insoweit lückenhaft sei (bzw. durch die Entwicklung der Verhältnisse lückenhaft geworden sei) und eine Korrektur im Wege der Rechtsfortbildung möglich sei oder, falls dies nicht möglich sei, ob die gesetzliche Versorgungsfreibetragsregelung gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Zweifel ergäben sich um so mehr, als früher Härten über § 18 Abs. 1 Nr. 11 und § 25 ErbStG 1959 hätten ausgeglichen werden können, was seit dem 1. Januar 1974 nicht mehr möglich sei.
Es sei angebracht, die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids wegen des Betrages auszusetzen, um den sich die nach Steuerklasse IV berechnete Erbschaftsteuer ermäßigen würde, wenn ein Versorgungsfreibetrag von 250 000 DM gewährt werden würde.
Das FA hat (die vom FG zugelassene) Beschwerde eingelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin zu ändern, daß der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in vollem Umfang abgelehnt werde.
Entscheidungsgründe
1. Der Senat ist bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung zu der Auffassung gelangt, daß an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids in der Gestalt der Einspruchsentscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinn einer Unentschiedenheit oder Unsicherheit bezüglich der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bestehen.
Ehegatten i. S. des § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1 und § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 sind die Partner einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß das Erbschaftsteuerrecht mit der Bezeichnung "Ehegatten" auch Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erfassen wollte. Deshalb ist es den Gerichten verwehrt, den Ehegattenbegriff des Erbschaftsteuerrechts durch Auslegung auf die zuletzt genannten Personen auszudehnen. Auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Regelung für Ehegatten auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind nicht gegeben. Denn die Analogie gestattet nur die Ausdehnung der aus dem Gesetz zu entnehmenden Grundsätze auf Fälle, die von den gesetzlich geregelten Fällen nur unwesentlich abweichen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 4 AO 1977 Tz. 123). Für die nichtehelichen Lebensgemeinschaften besteht eine rechtliche Ordnung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht. Sie unterscheiden sich deshalb so wesentlich von der Ehe, bei der das Gemeinschaftsverhältnis durch Gesetz eine eingehende Ordnung erfahren hat, daß sich ein Vergleich der beiden Gemeinschaften verbietet (vgl. Schlüter, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 17). Auf gesetzlich geregelte Beziehungen stellt aber das Erbschaftsteuerrecht weitgehend ab.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. Mai 1982 V ZR 58/81 (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht -- FamRZ -- 1982, 774) rechtfertigt keine andere Beurteilung. In dieser Entscheidung hat der BGH die Auffassung vertreten, daß der Familienbegriff im Sinne des dinglichen Wohnrechts (§ 1093 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) unter Umständen auch unverheiratete Partner einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft erfassen könnte. Abgesehen davon, daß diese Entscheidung auf Widerspruch gestoßen ist (vgl. Heinz und Stürner, FamRZ 1982, 763, 775), enthält sie keine Aussage dahin, daß die Partner einer solchen Lebensgemeinschaft schlechthin als Ehegatten im Sinn des Rechts anzusehen seien.
2. Der Senat hat auch keine ernstlichen Zweifel daran, daß die in Betracht kommenden Regelungen des Erbschaftsteuerrechts verfassungsmäßig sind.
a) Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ohne jeden Zweifel nicht unter diese Verfassungsvorschrift fallen (vgl. von Münch bei Landwehr -- Herausgeber --, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 137, 140; Schlüter, a. .a. O., S. 18; Scholz, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft in der Rechtspraxis, S. 38; Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Grundgesetz, 1980, Art. 6 Rdnr. 15).
b) Auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet keine übereinstimmenden erbschaftsteuerrechtlichen Folgerungen für die Ehe einerseits und die nichtehelichen Lebensgemeinschaften andererseits.
aa) Ehe und nichteheliche Lebensgemeinschaft unterscheiden sich, wie oben dargelegt, im Rechtssinn dadurch, daß die Ehe eine eingehende rechtliche Ordnung erfahren hat, während für die nichteheliche Lebensgemeinschaft eine solche Ordnung fehlt. Hinzu kommt, daß die Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht. Wenngleich der Schutz der Ehe die durch das ErbStG getroffene Unterscheidung nicht gebieten mag, so läßt er sie doch zu, ohne daß dem Gesetzgeber eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch eine willkürliche Differenzierung angelastet werden könnte. Dies schließt nicht aus, daß das einfache Gesetz auch Regelungen treffen kann, durch die im Hinblick auf die besondere Interessen- oder Konfliktlage des zu regelnden Lebenssachverhaltes Ehe und nichteheliche Lebensgemeinschaft gleichgestellt werden (vgl. z. B. § 122 des Bundessozialhilfegesetzes -- BSHG --, § 18 Abs. 2 Nr. 2 des Wohngeldgesetzes -- WoGG --); denn insoweit rechtfertigt der besondere Schutz der Ehe die Gleichstellung.
bb) Der Senat hat auch keine ernstlichen Zweifel, daß der Gleichheitssatz nicht durch die Steuerklasseneinteilung des § 15 ErbStG 1974 verletzt wird. Diese Einteilung beruht auf den bürgerlich-rechtlichen Vorgegebenheiten von Ehe, Verwandschaft und Schwägerschaft und ist damit nicht willkürlich.
Auch die Einführung des Versorgungsfreibetrages für Ehegatten (§ 17 Abs. 1 ErBStG 1974) unter gleichzeitiger Einschränkung oder Aufhebung der Abzugsmöglichkeiten für Pflege-, Unterhalts- oder sonstige Dienstleistungen gegenüber dem Erblasser (§ 18 Abs. 1. Nr. 11, § 25 ErbStG 1959) verletzt bei summarischer Prüfung der Rechtsfrage den Gleichheitssatz nicht. Denn nach dem Grundgedanken des Erbschaftsteuerrechts unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Steuer ohne Rücksicht auf die Motive, die zu einer Zuwendung geführt haben. Zudem ist zu berücksichtigen, daß der Versorgungsfreibetrag bei Ehegatten deshalb eingeführt wurde, um gewisse Ungleichmäßigkeiten in der Besteuerung von Ehegatten abzubauen (vgl. BT-Drucks VI/3418 S. 70 ff., zu § 17).
3. Schließlich kann auch nicht ernstlich angenommen werden, daß durch die genannten Vorschriften des Erbschaftsteuerrechts der Grundsatz des Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzt wird. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn man davon ausgehen müßte, daß die nichtehelichen Lebensgemeinschaften durch das Erbschaftsteuerrecht bekämpft werden sollen. Davon kann aber nach Sachlage keine Rede sein.
4. Der Senat verkennt nicht, daß die Erbschaftsteuerbelastung des überlebenden Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft je nach Vermögensanfall außergewöhnlich hoch sein kann. Indessen liegt es in dem dem Gesetzgeber vom GG zugebilligten weiten Ermessensspielraum, im Hinblick auf die Unterschiede zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft auch unterschiedliche Rechtsfolgen bis an die verfassungsrechtliche Grenze zu ziehen. Im übrigen muß es als zumutbar angesehen werden, daß sich die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die die Bindungen einer Ehe nicht eingehen wollen oder können, auf diese Rechtslage einstellen und die Versorgung des wirtschaftlich Schwächeren auf andere Weise als durch Vererbung von Vermögen sichern (z. B. durch angemessene Unterhaltszuwendungen zu Lebzeiten, zu denen auch Beiträge zu einer eigenen Rentenversicherung des wirtschaftlich Schwächeren gehören können).