BFH

BFHVI R 185/743.9.1976

Amtlicher Leitsatz:

Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Kleidungsstücken, die dem Steuerpflichtigen auf einer Urlaubsreise entwendet wurden, können regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Normen

§ 33 EStG 1971

 

Tatbestand:

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) unternahmen am 18. Mai 1971 mit einem PKW eine Urlaubsreise nach Spanien. Bei einem Aufenthalt in Straßburg zur Einnahme des Abendessens stellten sie das Fahrzeug in einer Entfernung von 400 m von dem Speiselokal in einer beleuchteten öffentlichen Straße ab. Nach Rückkehr zu ihrem Wagen stellten sie fest, daß dieser mittels einer durch das Kunststoffverdeck gestoßenen Drahtschlinge gewaltsam geöffnet war und daß aus dem hinteren, vom Wagen aus zugänglichen Kofferraum zwei Koffer und zwei Gepäcktaschen, die die für den Urlaub benötigte Kleidung enthielten, entwendet worden waren. Eine Anzeige bei der Polizei blieb erfolglos. In ihrer Einkommensteuererklärung 1972 machten die Kläger u. a. einen Betrag von 1 888,45 DM, nämlich 60 v. H. eines Teils der Wiederbeschaffungskosten für die gestohlene Kleidung als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte dies ab. Auch die Sprungklage blieb erfolglos.

Das FG führte u. a. aus: Der Verlust der Kleidungsstücke sei für die Kläger kein zwangsläufiges Ereignis, das die Anwendung des § 33 EStG rechtfertigen könne. Als Besitzer eines leicht aufbrechbaren Fahrzeugs hätten die Kläger damit rechnen müssen, daß das Fahrzeug ausgeraubt werden könne. Es müsse den Klägern deshalb zugemutet werden, den Schaden selbst zu tragen.

Mit der von dem FG zugelassenen Revision beantragen die Kläger, unter Aufhebung des FG-Urteils das FA zu verurteilen, den in der Einkommensteuererklärung erläuterten Betrag abzüglich der zumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Belastung steuerermäßigend zu berücksichtigen.

Zur Begründung tragen sie im wesentlichen vor: Das FG habe zu Unrecht das Vorliegen eines anwendbaren Ereignisses verneint. Das Abstellen des verschlossenen Fahrzeuges mit dem Reisegut auf einer innerstädtischer dem nicht zwielichtigen Geschäftsviertel der Stadt zugehörigen öffentlichen Straße, die nach Einbruch der Dämmerung gut beleuchtet und zu Beginn der Nacht lebhaft befahren und zusätzlich stark begangen gewesen sei, könne nicht als leichtfertig bezeichnet werden. Der Verbleib des Gepäcks im Wagen entspreche vielmehr einem so zieladäquaten Verhalten, wie es von einem umsichtigen und mit Verantwortung gegen sich selbst handelnden Menschen üblicherweise gezeigt werde. Erhöhte Sorgfaltspflichten für Kabriolettfahrer dürften nicht aufgestellt werden, da auch bei Limousinen die Tür durch eine unter dem Ausstellfenster durchgestoßene Drahtvorrichtung geöffnet werden könne. Dies habe das Kammergericht mit Urteil vom 17. September 1974 -- 6 U 2519/73 -- (NJW 1975, 263) bestätigt. Auf das Fehlen einer Reisegepäckversicherung dürfe nicht abgestellt werden. Mit dem Merkmal der Zwangsläufigkeit sollte nur solche Ereignisse von der Steuererleichterung des § 33 EStG ausgeschlossen werden, die durch schuldhafte Verhalten des Betroffenen ihre Eigenschaft als zufällige Schicksalsschlag verloren hätten. Der Diebstahl, der sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ereignen konnte, bleibt ein zufälliger Schadensablauf, auch wenn für die wirtschaftlichen Folgen keine Versicherung eintreten müsse.

Entscheidungsgründe

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH entsteh durch Aufwendungen zur Wiederbeschaffung von verlorengegangenen Gegenständen grundsätzlich keine außer gewöhnliche Belastung i. S. von § 33 Abs. 1 EStG, weil es sich um einen Vorgang der Vermögensumschichtung handelt, bei dem der Steuerpflichtige für seine Aufwendungen einen Gegenwert erhält (vgl. Urteile vom 23. Fe bruar 1968 VI R 97/67, BFHE 92, 199, und vom 17. Oktober 1973 VI R 84/70, BFHE 111, 63, BStBl II 1974, 104). Bei Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung wurde in einem begrenzten Rahmen eine Ausnahme zugelassen, wenn der Verlust auf einem unabwendbaren Ereignis beruhte und es sich um Gegenstände handelte, die zur angemessenen Auffüllung von Hausrat und Kleidung üblicherweise notwendig sind (vgl. das grundlegende Urteil vom 16. Oktober 1952 IV 376/51 S, BFHE 56, 773, BStBl III 1952, 298, sowie Urteile vom 8. August 1958 VI 194/57 U, BFHE 67, 273, BStBl III 1958, 378, und vom 23. September 1960 VI 90/60 S, BFHE 71, 637, BStBl III 1960, 488). Hieran hält der Senat fest.

Im Streitfall kann offenbleiben, ob auch ein Diebstahl des Reisegepäcks wie im Falle der Kläger als unabwendbares Ereignis anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1974 VI R 67/70, BFHE 111, 491, BStBl II 1974, 335). Die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen ist jedenfalls deshalb zu verneinen, weil die Kläger nicht einen üblicherweise notwendigen Mindestbestand an Kleidung wiederbeschafft haben. Die auf einer Urlaubsreise mitgeführten Kleidungsstücke stellen nach der Lebenserfahrung regelmäßig nur einen Teil der vorhandenen Ausstattung dar, während ein wesentlicher Teil in der heimatlichen Wohnung verbleibt, so daß auch nach dem Verlust des Urlaubsgepäcks ein lebensnotwendiger Mindestbestand an Kleidung noch vorhanden ist. Bei dieser Sachlage können Wiederbeschaffungsaufwendungen nicht als zwangsläufig i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG anerkannt werden, da sie nicht "den Umständen nach notwendig sind". Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu Verlusten durch Kriegsereignisse, Vertreibung oder politische Verfolgung, da in diesen Fällen oft die Steuerpflichtigen ihren gesamten oder doch fast gesamten Bestand an Kleidung und Hausrat eingebüßt hatten. Der Senat hat im übrigen auch in solchen Fällen nicht sämtliche Aufwendungen zur Wiederherstellung des früheren Zustandes als zwangsläufig angesehen. Berücksichtigt wurden nur Aufwendungen, die zu einer angemessenen Auffüllung von Hausrat und Kleidung üblicherweise notwendig sind (vgl. Urteile VI 194/57 U und VI 90/60 S). Bei einem Verlust durch Diebstahl könnte nichts anderes gelten. Soweit der Verlust sich nicht auf den angemessenen lebensnotwendigen Bestand an Kleidung oder Hausrat erstreckt, kommt eine Berücksichtigung der Wiederbeschaffungsaufwendungen jedenfalls aus diesem Grunde als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht.

Stichworte