BFH

BFHI R 150/7325.2.1976

Amtlicher Leitsatz:

Der Senat hält nach erneuter Prüfung daran fest, daß Verluste aus Vermietung und Verpachtung und aus Gewerbebetrieb, die in Österreich entstanden sind, nicht zum Ausgleich inländischer Einkünfte verwendet werden dürfen (vgl. BFH-Urteil vom 23. März 1972 I R 128/70, BFHE 106, 501, BStBl II 1972, 948).

Normen

§ 2 Abs. 2 EStG
§ 3 Nr. 41 EStG
Art. 3 Abs. 1 DBA-Österreich
Art. 4 Abs. 1 DBA-Österreich

 

Tatbestand:

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute mit einem Wohnsitz im Inland und einem Wohnsitz in Österreich. Im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren 1962 und 1963 begehrten sie, ihre inländischen Einkünfte auszugleichen mit Verlusten aus Gewerbebetrieb und aus Vermietung und Verpachtung, die sie in Österreich erlitten hatten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ließ diesen Ausgleich nicht zu.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH ausgeführt, nach Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954 -- DBA-Österreich -- (BGBl I 1955, 750, BStBl I 1955, 370) seien die in Österreich befindlichen Steuergüter "unbewegliches Vermögen" und "gewerbliches Unternehmen" dem Staate Österreich zugeteilt worden. Daher blieben positive wie negative Erträge dieser Steuerquellen bei der deutschen Steuerfestsetzung außer Ansatz.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger, mit der Verletzung des § 1 Abs. 1, § 2 EStG i. V. m. dem DBA-Österreich sowie des Art. 3 Abs. 1 GG gerügt wird. Die Kläger greifen die Rechtsprechung des BFH an, nach der die Zuteilung bestimmter Einkünfte an einen Staat durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) positive und negative Einkünfte ergreift.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1962 und 1963 dahin zu ändern, daß für 1962 eine Steuerschuld von 93 827 DM und für 1963 eine Steuerschuld von 176 568 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das in Österreich liegt, und Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen, soweit sie auf eine in Österreich befindliche Betriebstätte entfallen, unterliegen dem Besteuerungsrecht der Republik Österreich (Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 DBA-Österreich). Das gilt nach ständiger Rechtsprechung für positive und für negative Einkünfte, daher auch für Verluste aus Vermietung und Verpachtung und aus Gewerbebetrieb, mit der Folge, daß diese Verluste nicht zum Ausgleich inländischer Einkünfte verwendet werden dürfen (BFH-Urteile vom 28. März 1973 I R 59/71, BFHE 109, 127, BStBl II 1973, 531; vom 23. März 1972 I R 128/70, BFHE 106, 501, BStBl II 1972, 948, und vom 20. November 1974 I R 1/73, BFHE 114, 530). Zur Begründung dieser Auffassung, von der abzuweichen der Senat keinen Anlaß sieht, wird auf die angeführten Urteile Bezug genommen. Zu einzelnen Einwendungen der Kläger gegen diese Urteile wird ergänzend bemerkt:

1. Der Senat hält daran fest, daß der Begriff "Einkünfte" nach deutschem Steuerrecht regelmäßig positive und negative Einkünfte umfaßt. Er sieht sich in dieser Auffassung dadurch bestärkt, daß § 2 Abs. 4 EStG 1975 als "Einkommen" den Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen, bezeichnet. Die Worte "nach Ausgleich mit Verlusten ..." (§ 2 Abs. 2 Satz 1 EStG a. F.) sind weggelassen worden, weil es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt (Gerard/Söffing, Finanz-Rundschau 1974 S. 361, 363).

Ein DBA verändert die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des "Einkommens" nicht, hat aber zur Folge, daß bei der Ermittlung des Einkommens die Einkünfte -- positive wie negative -- außer Ansatz bleiben, die das Abkommen dem anderen Staat zur Besteuerung zuteilt.

2. Die Rechtsprechung des BFH verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 GG).

a) Die Rechtsprechung behandelt nicht Gleiches ungleich, wenn sie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen mit Einkünften aus einem Staat, mit dem ein DBA (auf der Grundlage der Aufteilungsmethode) geschlossen worden ist, den Ausgleich mit Verlusten aus diesem Staat nicht zuläßt, bei unbeschränkt Steuerpflichtigen mit Einkünften aus einem Staat, mit dem kein DBA geschlossen worden ist, Verluste aus diesem Staat zum Ausgleich positiver inländischer und ausländischer Einkünfte heranzieht. Soweit kein DBA besteht, sind die positiven Einkünfte aus dem anderen Staat zu versteuern. Folglich müssen auch die negativen Einkünfte zum Ausgleich zugelassen werden. Soweit dagegen ein DBA besteht und bestimmte Einkünfte dem anderen Staat zuteilt, bleiben diese Einkünfte von der inländischen Steuer befreit. Daher ist es unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerechtfertigt, auch die Verluste aus diesen Einkunftsarten dem anderen Staat "zuzuteilen". mit der Folge, daß sie im Inland nicht zum Ausgleich mit positiven Einkünften verwendet werden dürfen.

b) Die Rechtsprechung behandelt auch nicht Gleiches ungleich, wenn sie im Fall des Bestehens eines DBA auf der Grundlage der Aufteilungsmethode den Ausgleich mit ausländischen Verlusten versagt, obwohl dieser Ausgleich im Fall des Bestehens eines DBA auf der Grundlage der Anrechnungsmethode erhalten bleibt. Die beiden Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung haben auch sonst ungleiche Wirkungen (vgl. Bühler, Prinzipien des internationalen Steuerrechts S. 193 ff.). Die Anrechnungsmethode beseitigt die deutsche Steuer nur in Höhe des ausländischen Steuerbetrags, der niedriger sein kann als der auf die betreffenden Einkünfte entfallende inländische Steuerbetrag. Die Aufteilungsmethode befreit dagegen von der deutschen Steuer ohne Rücksicht darauf, wie hoch die ausländische Steuer wäre und ob der ausländische Staat überhaupt von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht (BFH-Urteil vom 13. September 1972 I R 130/70, BFHE 107, 158, BStBl II 1973, 57). Die Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen liegt daher bereits in der Wahl der einen oder der anderen Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Es bedarf aber keiner näheren Begründung dafür, daß die DBA nicht deshalb gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen, weil sie sich verschiedener Methoden der Vermeidung der Doppelbesteuerung bedienen.

3. Verluste, die ein Steuerpflichtiger in Österreich erlitten hat, können aufgrund des Progressionsvorbehalts (Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich) den Steuersatz für inländische Einkünfte auf 0 senken (BFH-Urteil vom 25. Mai 1970 I R 109/68, BFHE 99, 367, BStBl II 1970, 660). Diese Rechtsfolge liegt jedoch im Bereich des Steuersatzes. Sie läßt die Zuteilung des Besteuerungsrechts für positive und negative Auslandseinkünfte an den ausländischen Staat unberührt.

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