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BGBl II 74/2017

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

74. Verordnung: IngG-Fachrichtungsverordnung

74. Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über die Anrechnung von Fachrichtungen und Praxistätigkeiten für die Erlangung der Qualifikationsbezeichnung „Ingenieur“ bzw. „Ingenieurin“ (IngG-Fachrichtungsverordnung)

Auf Grund des § 3 Abs. 1 des Ingenieurgesetz 2017 (IngG 2017), BGBl. I Nr. 23/2017, wird verordnet:

§ 1. Diese Verordnung legt gemäß § 3 Abs. 1 Ingenieurgesetz 2017 die technischen und gewerblichen Fachrichtungen gemäß § 2 Z 1 lit. a Ingenieurgesetz 2017 sowie Tätigkeiten, die als Praxistätigkeit auf technischem Gebiet anzurechnen sind, für die Erlangung der Qualifikationsbezeichnung „Ingenieur“ bzw. „Ingenieurin“ fest.

§ 2. Folgende technische und gewerbliche Fachrichtungen für Reife- und Diplomprüfungen sind im Zertifizierungsverfahren anzuerkennen:

  1. 1. Chemie/Lebensmittel:
    1. a) Chemie
    2. b) Chemieingenieure
    3. c) Chemieingenieurwesen
    4. d) Lebensmitteltechnologie
    5. e) Lebensmitteltechnologie - Getreide- und Biotechnologie
    6. f) Lebensmitteltechnologie - Lebensmittelsicherheit
  2. 2. Elektrotechnik/Elektronik:
    1. a) Biomedizin und Gesundheitstechnik
    2. b) Elektronik
    3. c) Elektronik und Technische Informatik
    4. d) Elektrotechnik
  3. 3. Informatik/Informationstechnologie:
    1. a) EDV und Organisation
    2. b) Informatik
    3. c) Informationstechnologie
    4. d) eGovernment und eHealth
  4. 4. Druck:
    1. a) Medientechnik und Medienmanagement - Ausbildungszweig Druck- und Medientechnik
    2. b) Medieningenieure und Printtechnologie
    3. c) Medieningenieure und Printmanagement
  5. 5. Maschinenbau/Mechatronik/Kunststofftechnik:
    1. a) Kunststofftechnik
    2. b) Kunststoff- und Umwelttechnik
    3. c) Maschinenbau
    4. d) Maschineningenieurwesen
    5. e) Mechatronik
  6. 6. Werkstoffe:
    1. a) Metallische Werkstofftechnik
    2. b) Metallurgie und Umwelttechnik
    3. c) Rohstofftechnik
    4. d) Werkstoffingenieurwesen
    5. e) Werkstofftechnik
  7. 7. Innenarchitektur/Holz:
    1. a) Innenraumgestaltung und Holztechnik
    2. b) Innenarchitektur und Holztechnologien
  8. 8. Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsingenieurinnen:
    1. a) Betriebsmanagement
    2. b) Technisches Management
    3. c) Wirtschaftsingenieure-Bekleidungstechnik
    4. d) Wirtschaftsingenieure-Betriebsinformatik
    5. e) Wirtschaftsingenieure-Holztechnik
    6. f) Wirtschaftsingenieure-Logistik
    7. g) Wirtschaftsingenieure-Maschinenbau
    8. h) Wirtschaftsingenieure-Technisches Management
    9. i) Wirtschaftsingenieure-Textiltechnik
    10. j) Wirtschaftsingenieure-Rohstoff- und Energietechnik
    11. k) Wirtschaftsingenieure-Informationstechnologie und Smart Production
    12. l) Wirtschaftsingenieurwesen
  9. 9. Sonstige Fachrichtungen:
    1. a) Bautechnik
    2. b) Flugtechnik
    3. c) Gebäudetechnik
    4. d) Ofenbautechnik
    5. e) Optometrie

§ 3. Im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens sind Praxistätigkeiten in wesentlichem Ausmaß aus zumindest einem der nachfolgend genannten Arbeitsbereiche in einem Berufsfeld, das einer der in Abs. 2 genannten Fachrichtungen entspricht, nachzuweisen.

Arbeitsbereiche

Praxistätigkeiten

Forschung und Entwicklung

  1. Selbständige Analyse komplexer Fragestellungen und Aufträge von Kunden bzw. Kundinnen auf Grundlage umfassender fachrelevanter sowie erforderlicher interdisziplinärer Kenntnisse und Erfahrungen,
  2. Verantwortliche Mitwirkung und Entwicklung von innovativen und marktgerechten Lösungen unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse aus der angewandten Forschung sowie unter Beachtung fachrelevanter Normen und Gesetze,
  3. Überprüfung und Bewertung von Lösungsansätzen im Hinblick auf Realisierungsmöglichkeiten,
  4. Abstimmung mit anderen Expertenteams über die Lösungsentwicklung,
  5. Weitgehend selbständiges Auswählen von geeigneten Alternativen im Rahmen der Lösungsfindung bei Auftreten unvorhersehbarer Herausforderungen,
  6. Selbständige Auswahl, Erstellung und entsprechende Einsetzung der für die Lösungsfindung erforderlichen Unterlagen und Dokumente (z. B. Checklisten),
  7. Analyse von Fehlern im Entwicklungsprozess, Feststellen der dafür maßgeblichen Ursachen sowie Behebung der Fehler,
  8. Eigenständige Erörterung von auftretenden Problemen mit Produzenten bzw. Produzentinnen und Lieferanten bzw. Lieferantinnen sowie Erarbeiten von Lösungsansätzen und Lösungen,
  9. Entwickeln und Testen prototypischer Lösungen,
  10. Testen und Weiterentwickeln von Neuentwicklungen,
  11. Planung, Durchführung und Überwachung von Simulationen und Versuchsreihen,
  12. Auswerten von Versuchsreihen, Dokumentation der Versuchsergebnisse und Ableiten der sich daraus ergebenden Konsequenzen,
  13. Aufbereiten der Forschungs- und Entwicklungsarbeit für die Produktion und Konstruktion, für den Marketing- und Verkaufsbereich und gegebenenfalls für Förderprojekte.

Produkt- und Systementwicklung; Konstruktion

  1. Berücksichtigung von Kundenwünschen und Kundenvorgaben, Prüfen der Vorgaben auf Machbarkeit unter Einhaltung bestehender Vorschriften und gegebenenfalls Darlegung von Alternativvorschlägen,
  2. Durchführung produkt- bzw. konstruktionsrelevanter Entwürfe, Berechnungen und Simulationen,
  3. Erstellung von Produkt-, Konstruktions- bzw. Softwareplänen und deren grafische Darstellung,
  4. Auswahl geeigneter Materialien unter Berücksichtigung der geltenden Normen,
  5. Durchführung produkt- bzw. konstruktionsrelevanter Prüfungen nach bestehenden Vorschriften bzw. gegebenenfalls deren interne oder externe Veranlassung,
  6. Erstellung von Produktionsunterlagen, die alle für die Fertigung des Produkts notwendigen Material-, Bearbeitungs-, Maß- und Toleranz-Angaben sowie die erforderlichen Prüfmittel enthalten,
  7. Abstimmung mit der Produktion für eine fertigungsgerechte Gestaltung,
  8. Definieren funktioneller und technologischer sowie ästhetisch-künstlerischer und ergonomischer Anforderungen in Zusammenarbeit mit Produktgestaltern bzw. Produktgestalterinnen und Designern bzw. Designerinnen zu und konstruktive Umsetzung.

Projekt- und Prozessmanagement

  1. Verantwortliche Mitwirkung bei der Festlegung eines Projektablaufes (Aufbau- und Ablauforganisation, Zeit- und Meilensteinpläne),
  2. Kalkulation von Projekten, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Projektteams und anderer Fachexperten bzw. Fachexpertinnen,
  3. Überwachung des Projektfortschrittes (z. B. Einhaltung der Zeitvorgaben, Kontrolle der Meilensteine, etc.) und Veranlassung von Änderungen im Projektverlauf gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Projektteam,
  4. Kommunikation mit Projektbeteiligten innerhalb und außerhalb des Betriebes,
  5. fachliche Dokumentation des Projekts,
  6. Durchführung von Kostenkontrollen,
  7. Überprüfung von Rechnungen von Produzent/innen und Lieferant/innen auf Übereinstimmung mit den Angeboten und gegebenenfalls deren Freigabe.

Materialwesen

und Beschaffung

  1. Analyse des nationalen und internationalen Beschaffungsmarktes,
  2. Planung und Ermittlung des Bedarfs an Ressourcen,
  3. Einholung von Angeboten bei Lieferant/innen hinsichtlich Kriterien wie z. B. Preise, Qualität, Sortiment, Lieferfähigkeit sowie der Vorgaben der Kunden bzw. Kundinnen und interner Vorgaben,
  4. Durchführung bzw. Beauftragung der technischen und kaufmännischen Wareneingangskontrolle,
  5. Durchführung von Kostenkontrollen und Eruierung von Einsparungspotenzialen,
  6. Definition von Qualitätskriterien für den technischen Einkauf und deren Weiterentwicklung,
  7. Überprüfung der technischen Lieferantenqualifizierung auf Basis von intern definierten Standards,
  8. Erfassung und Beschreibung von Problemen im technischen Bereich bei Konflikten mit Lieferanten bzw. Lieferantinnen sowie gegebenenfalls Unterbreitung von Vorschlägen bzw. Umsetzung betreffend Maßnahmen zur Problemlösung in Kooperation mit dem Projektteam und anderen Fachexperten bzw. Fachexpertinnen.

Arbeitsvorbereitung und Produktion

  1. Simulation der Machbarkeit eines möglichen Auftrages und Sicherstellung der notwendigen Produktionsfaktoren, Ermittlung des Bedarfs an Ressourcen entsprechend der Auftragslage zum richtigen Zeitpunkt und in ausreichender Menge in Kooperation mit der entsprechenden Organisationseinheit,
  2. Erstellung eines Produktionsplanes unter Berücksichtigung der Vorgabezeiten, Durchführung der Terminplanung der einzelnen Arbeitsvorgänge eines Produktionsauftrages,
  3. Durchführung der Kapazitätsplanung und im Fall von Kapazitätsengpässen gegebenenfalls in Kooperation mit dem Projektteam und anderen Fachexperten bzw. Fachexpertinnen Einleitung entsprechender Ausgleichsmaßnamen, Vornahme einer kontinuierliche Soll-Ist-Berechnung der Ressourcen, Ziehen entsprechender Schlüsse aus den Ergebnissen und Ableitung von Verbesserungen,
  4. Überwachung des Produktionsablaufs,
  5. korrigierender Eingriff bei Störungen im Produktionsablauf bzw. Vorschlagen von Ausweichstrategien,
  6. laufende Aktualisierung bzw. Anpassung von Termin- und Kapazitätsplanung,
  7. fachliche Dokumentation des Produktionsprozesses,
  8. Erstellung statistischer Auswertungen und Berichte zu abgeschlossenen Produktionsprozessen

Qualitäts-, Umwelt- und Sicherheitsmanagement (QUSM)

  1. verantwortliche Mitwirkung an QUSM-Systemen und -Prozessen bzw. deren Einführung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung,
  2. Definieren von QUSM-Kriterien für unternehmerische Prozesse,
  3. Überprüfen der Einhaltung von QUSM-Standards und gegebenenfalls Eruierung von Verbesserungspotenzialen,
  4. Vorschlagen von Maßnahmen zur Beseitigung von QUSM- bzw. Produkt-Mängeln und interne und externe Koordination der Durchführung dieser Maßnahmen,
  5. Erstellung von Arbeits- und Verfahrensanweisungen innerhalb des QUSM-Systems,
  6. Bearbeitung von Verbesserungsvorschlägen im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) und deren Abstimmung intern sowie extern mit den Beteiligten,
  7. Dokumentation von Prüfergebnissen und daraus Ableitung von entsprechenden Rückschlüssen für den QUSM-Prozess,
  8. Durchführung von QUSM-relevanten Gesprächen mit Lieferant/innen und Produzent/innen und Festlegung von Zielen, Errechnung von QUSM-Kennzahlen und daraus Ableitung entsprechender Schlüsse,
  9. Koordination und Durchführung von Produkt- und Systemaudits.

Marketing und Verkauf

  1. Zurverfügungstellung technischer Informationen über Produkte/Dienstleistungen für Marketing und Verkauf,
  2. Bewertung der Akzeptanz (z. B. Funktionalität) der eigenen Produkte/Dienstleistungen am Markt in technischer Hinsicht sowie im Verhältnis zu anderen Produkten/Dienstleistungen (Mitbewerberanalyse),
  3. Erstellung von Serviceanleitungen und Produktdatenblättern,
  4. Beraten von Kunden bzw. Kundinnen über Produkte und technische Dienstleistungen,
  5. Erkennen von Problemstellungen bzw. Kundenwünschen, Erfassung dieser und Vorschlagen von Lösungen in Kooperation mit anderen unternehmerischen Abteilungen, gegebenenfalls in Form eines Pflichtenheftes,
  6. Überprüfen der Machbarkeit von Kundenanfragen in technischer Hinsicht und interne Abklärung,
  7. Erstellung von Angeboten und Preiskalkulationen entsprechend der Kundenwünsche sowie der internen Vorgaben unter Beachtung technischer und kaufmännischer Kriterien gegebenenfalls in Kooperation mit anderen internen Abteilungen,
  8. Durchführung von Vertragsprüfungen in technischer und gegebenenfalls auch in wirtschaftlicher Hinsicht,
  9. Durchführung sachlicher Rechnungsprüfungen,
  10. Pflegen von Kundenbeziehungen und Teilnahme an Verkaufsaktivitäten (z. B. Teilnahme an Messen, Produktpräsentationen etc.).

Technisches Service und Kundendienst

  1. Vornahme bzw. Überwachung der Installation, Inbetriebnahme und Abnahme von Produkten, Anlagen und Dienstleistungen,
  2. Erstellen von Prüf- und Wartungsplänen sowie Instandhaltungsanweisungen in Kooperation mit der Entwicklungs- und Konstruktionsabteilung sowie mit Lieferanten bzw. Lieferantinnen,
  3. Koordination und Vorbereitung von Serviceeinsätzen,
  4. Durchführung bzw. Überwachung komplexer Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten,
  5. Vornahme und Dokumentation von Fehleranalysen gegebenenfalls mit Hilfe von Diagnosetools,
  6. Beratung von Kunden bzw. Kundinnen über Service- und Wartungserfordernisse sowie über Modernisierung, Aktualisierung und Erweiterungsmöglichkeiten bestehender Produkte und Dienstleistungen,
  7. Einschulung von Kunden bzw. Kundinnen auf Produkte und Dienstleistungen.

Inspektions- und Sachverständigentätigkeit

  1. Verantwortliche Mitwirkung bei Inspektionen bei Lieferanten bzw. Lieferantinnen und Produzenten bzw. Produzentinnen,
  2. Überprüfen der Einhaltung von Qualitätsstandards und Vorschriften,
  3. nachvollziehbare Dokumentation von Inspektionen und Ableitung entsprechender Schlüsse daraus,
  4. Mitwirkung bei der Evaluierung von technischen Problemstellungen,
  5. Mitarbeit an der Feststellung der Grundlagen von technischen Problemen, z. B. anhand der Durchführung von Untersuchungen, Messungen, Berechnungen, Besichtigungen,
  6. Einbringung und Begründung technischer Lösungsvorschläge zur Problembehebung,
  7. verantwortliche Mitwirkung bei der Erstellung von Gutachten.

Betriebswirtschaft und Unternehmensführung

  1. Entwicklung eines Businessplans sowie mittel- und langfristiger Geschäftspläne,
  2. Ermittlung des Investitions- und Finanzbedarfs des Unternehmens, Einschätzen der finanziellen Ressourcen und Auswahl adäquater Finanzierungswege,
  3. Implementieren betrieblicher Aufbau- sowie Ablaufstrukturen und -prozesse,
  4. Erstellen eines Marketingplans bzw. dessen Entwicklung mit Fachexperten bzw. Fachexpertinnen sowie Einsetzen von Marketing- und PR-Instrumenten,
  5. Planung des Personalbedarfs und Anwendung angemessener Methoden der Personalbeschaffung,
  6. Führung von Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen und Förderung von deren Entwicklung zu eigenständig agierenden Fachleuten in ihren Bereichen,
  7. Durchführung betriebsspezifischer Kostenkalkulationen,
  8. Ermittlung betrieblicher Kennzahlen und Einbeziehung dieser in unternehmerische Entscheidungen,
  9. Durchführung von Kostenkontrollen, Planung erforderlicher betrieblicher Maßnahmen sowie Minimieren der Auswirkungen möglicher Abweichungen.

Beratung und Consulting

  1. Mitwirkung bei der Analyse von technischen Problemstellungen durch die selbstständige Beschaffung bzw. Ermittlung von Informationen,
  2. Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten, die der Erreichung des Projektzieles bzw. der Kundenvorgaben entsprechen, unter Einbeziehung von technischem und betriebswirtschaftlichem Wissen gegebenenfalls in Kooperation mit dem Projektteam,
  3. Präsentation, Erläuterung dieser Lösungsmöglichkeiten für die Kunden bzw. Kundinnen sowie Aufzeigen der Auswirkungen,
  4. Beratung und Unterstützung der Kunden und Kundinnen bei der Umsetzung der Maßnahmen.

Lehr- und Vortragstätigkeit

  1. Festlegung der Schulungsziele auf Basis einer Bedarfsanalyse,
  2. Inhaltliche und methodische Planung der Schulung,
  3. Erstellung zielgruppenadäquater Schulungsunterlagen,
  4. Vermittlung technischen Wissens und technischer Fertigkeiten,
  5. Kontrolle der Erreichung der Schulungsziele,
  6. Feedback geben an Lernende; Einholen von Feedback von Lernenden.

§ 4. Diese Verordnung tritt mit 1. Mai 2017 in Kraft.

Mitterlehner

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