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BGBl II 124/2005

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

124. Verordnung: Grundausbildung für den Kanzleidienst (Entlohnungsgruppe v4) in den Geschäftsstellen (Kanzleien) der Gerichte und Staatsanwaltschaften

124. Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Grundausbildung für den Kanzleidienst (Entlohnungsgruppe v4) in den Geschäftsstellen (Kanzleien) der Gerichte und Staatsanwaltschaften

Auf Grund der §§ 23 bis 31 und 281 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 176/2004, und des § 67 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr. 86, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 176/2004, wird verordnet:

Anwendungsbereich

§ 1. (1) Diese Verordnung regelt die Grundausbildung für den Kanzleidienst (Entlohnungsgruppe v4) in den Geschäftsstellen (Kanzleien) der Gerichte und Staatsanwaltschaften.

(2) Die Grundausbildung ist von allen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften aufzunehmenden v4-Bediensteten zu absolvieren.

(3) Die in dieser Verordnung verwendeten personenbezogenen Ausdrücke umfassen Frauen und Männer gleichermaßen. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.

Dienstverhältnis auf Probe

§ 2. Die Grundausbildung ist im Rahmen eines einmonatigen Dienstverhältnisses auf Probe (§ 4 Abs. 3 zweiter Satz des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr. 86) zu absolvieren.

Ziele der Grundausbildung

§ 3. Vorrangige Ziele der Grundausbildung sind es,

  1. 1. die Kenntnisse zu vermitteln, die zu einer qualitativ hochwertigen Erfüllung der Aufgaben des Kanzleidienstes erforderlich sind,
  1. 2. die Bediensteten mit dem Dienst im Justizressort im Allgemeinen und im Bereich der Kanzleien der Gerichte und Staatsanwaltschaften im Besonderen vertraut zu machen und
  1. 3. die erforderlichen Kenntnisse über die Aufbau- und Ablauforganisation der Gerichte und Staatsanwaltschaften einschließlich der Informationstechnik-Anwendungen der Justiz zu vermitteln.

Gestaltung der Grundausbildung

§ 4. (1) Die Grundausbildung ist als Ausbildungslehrgang in Blockform zu gestalten.

(2) Die Ausbildungsmodule haben alle zeitgemäßen und zweckmäßigen Formen der Wissensvermittlung, insbesondere auch e-learning-Systeme, zu nutzen.

Vortragende

§ 5. (1) Als Vortragende und Trainer in den einzelnen Modulen sind fachlich und pädagogisch qualifizierte Bedienstete des Justizressorts heranzuziehen, die über die erforderliche persönliche und soziale Kompetenz verfügen.

(2) Die Vortragenden haben über die Leistungen der Lehrgangsteilnehmer und ihre Mitarbeit während des Ausbildungslehrganges schriftliche Aufzeichnungen zu führen, die auf Aufforderung dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes vorzulegen sind.

(3) Die Vortragenden haben sich in ihrem Fachgebiet gemäß den Anforderungen der modernen Erwachsenenbildung unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse der Erwachsenenpädagogik und Lernpsychologie regelmäßig weiterzubilden.

Ausbildungslehrgang

§ 6. (1) Die Ausbildungslehrgänge sind von den Präsidenten der Oberlandesgerichte so einzurichten, dass jeder im Rahmen eines einmonatigen Dienstverhältnisses auf Probe (§ 4 Abs. 3 zweiter Satz VBG) neu aufzunehmende Bedienstete die Grundausbildung innerhalb dieses Probedienstverhältnisses absolvieren kann.

(2) Die Zuweisung zum Ausbildungslehrgang hat mit Beginn des Dienstverhältnisses auf Probe zu erfolgen. Dienstort im Sinne der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133, ist der jeweilige Ausbildungsort.

(3) Einem Ausbildungslehrgang sind nicht mehr Teilnehmer zuzuweisen, als in der vorgesehenen Schulungseinrichtung Bildschirmarbeitsplätze zu Ausbildungszwecken zur Verfügung stehen.

(4) Erforderlichenfalls hat mit Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz die Zuweisung zu einem vom Präsidenten eines anderen Oberlandesgerichtes veranstalteten Ausbildungslehrgang zu erfolgen.

(5) Im Ausbildungslehrgang sind die in der Anlage 1 angeführten Gegenstände - soweit sie für den Kanzleidienst von Bedeutung sind - im Umfang der dort ausgewiesenen Stundenzahlen mit den jeweils angeführten Ausbildungszielen zu unterrichten.

Gestaltung des Unterrichtes

§ 7. (1) Die Gestaltung des Unterrichtes hat nach modernen pädagogischen und didaktischen Gesichtspunkten zu erfolgen.

(2) Der Unterricht ist tunlichst, jedenfalls aber in den in Anlage 1 Z 4 bis 6 sowie 8 und 9 angeführten Gegenständen, mit praktischen Übungen zu verbinden.

(3) Die Gegenstände Textverarbeitung und Informationstechnik-Anwendungen (Anlage 1 Z 8 und 9) sind - unter besonderer Berücksichtigung der für die Verfahrensautomation Justiz bestehenden Verfahrensvorschriften - ausschließlich unter Verwendung von Bildschirmarbeitsplätzen tunlichst in Blockform zu unterrichten.

(4) Soweit dies zweckmäßig ist, sind auch e-learning-Systeme einzusetzen.

Kanzleiprüfung

§ 8. (1) Die Absolventen des Ausbildungslehrganges sind vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes, der den Ausbildungslehrgang veranstaltet hat, zur Kanzleiprüfung so zuzuweisen, dass diese noch innerhalb des Dienstverhältnisses auf Probe (§ 4 Abs. 3 zweiter Satz VBG) abgelegt werden kann.

(2) Die Kanzleiprüfung ist als praktische und als mündliche Prüfung abzuhalten.

§ 9. (1) Die praktische Prüfung ist als Klausurarbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz abzulegen, darf nicht länger als zwei Stunden dauern und hat die in der Anlage 2 genannten Aufgaben zu umfassen.

(2) Die mündliche Prüfung umfasst die in der Anlage 1 aufgezählten Gegenstände im Umfang des Unterrichtsstoffes und der Ausbildungsziele. Sie darf mit höchstens fünf Kandidaten gleichzeitig abgehalten werden.

(3) Nach Maßgabe der Bestimmungen des § 13 Abs. 2 können Teile der mündlichen Prüfung in Teilprüfungen abgelegt werden.

Benotung

§ 10. Die Benotung der Kanzleiprüfung erfolgt unter Einschluss der Ergebnisse allfälliger Teilprüfungen. Das Gesamtergebnis ist mit „bestanden“ (gegebenenfalls mit Auszeichnung aus bestimmten Gegenständen) oder mit „nicht bestanden“ zu beurteilen.

Prüfungskommission

§ 11. (1) Bei jedem Oberlandesgericht ist eine Prüfungskommission zu errichten.

(2) Vorsitzender der Prüfungskommission ist der Präsident des Oberlandesgerichtes. Die Bundesministerin für Justiz hat, nach Einholung eines Vorschlags des Präsidenten des Oberlandesgerichtes, seine Stellvertreter und die weiteren Mitglieder der Prüfungskommission unter Bedachtnahme auf deren fachliche und pädagogische Qualifikation auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen.

(3) Zu Stellvertretern des Vorsitzenden sind zum Richteramt befähigte Personen zu bestellen; zu weiteren Mitgliedern der Prüfungskommission können - neben zum Richteramt befähigten Personen - auch Beamte des Gehobenen Dienstes oder des Fachdienstes bestellt werden, die über mehrjährige Erfahrungen im Bereich der Justizverwaltung verfügen.

(4) Die Zugehörigkeit zur Prüfungskommission endet mit dem Ausscheiden aus dem Personalstand des Justizressorts. Sie ruht vom Tag der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss, während der Zeit der (vorläufigen bzw. einstweiligen) Suspendierung vom Dienst, eines Karenzurlaubes, der Dienstzuteilung zu einer anderen Dienststelle des Bundes außerhalb des Justizressorts oder bei einer Außerdienststellung.

(5) Bei Ausscheiden von Mitgliedern kann die Prüfungskommission für den Rest ihrer Funktionsdauer um neue Mitglieder ergänzt werden.

(6) Die Mitglieder der Prüfungskommission sind in Ausübung dieses Amtes selbstständig und unabhängig.

Prüfungssenat

§ 12. (1) Der Prüfungssenat (§ 29 Abs. 4 und 5 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333) besteht aus dem Vorsitzenden der Prüfungskommission oder einem seiner Stellvertreter und zwei weiteren Mitgliedern; ein Mitglied darf dem Fachdienst angehören.

(2) Die Auswahl der Aufgaben für die praktische Prüfung obliegt dem Vorsitzenden des Prüfungssenates oder dem von ihm beauftragten Mitglied dieses Senates. Der Vorsitzende oder das von ihm beauftragte Mitglied haben auch für die Beaufsichtigung bei der praktischen Prüfung zu sorgen.

(3) Die Aufteilung des Prüfungsstoffes bei der mündlichen Prüfung obliegt dem Vorsitzenden des Prüfungssenates; der Vorsitzende kann, jeweils im Umfang des Unterrichtsstoffes, Fragen aus dem gesamten Prüfungsstoff stellen.

Prüfungsordnung

§ 13. (1) Die in der Grundausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sind im Rahmen der Kanzleiprüfung (§§ 8 und 9) nachzuweisen. Der mündliche Prüfungsteil dieser Dienstprüfung (§ 9 Abs. 2, § 12 Abs. 3) ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 2, als Gesamtprüfung vor dem Prüfungssenat abzulegen.

(2) Aus Gründen der Zweckmäßigkeit können die Gegenstände Textverarbeitung und Informationstechnik-Anwendungen mit Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz auch als Teilprüfungen über den Inhalt dieser Ausbildungsmodule abgehalten werden. Eine solche Teilprüfung kann als Klausurarbeit, als praktische Prüfung und/oder als eine mündliche Prüfung stattfinden und ist vor einem Mitglied der Prüfungskommission als Einzelprüfer abzulegen.

(3) Über den Verlauf der Teilprüfung ist ein vom Prüfer zu unterfertigendes Protokoll zu erstellen, das dem Vorsitzenden des Prüfungssenates zu übermitteln ist. Im Prüfungsprotokoll ist anzugeben, ob die Teilprüfung als „bestanden“, „mit Auszeichnung bestanden“ oder „nicht bestanden“ zu qualifizieren ist.

(4) Die Zuweisung zur Dienstprüfung erfolgt von Amts wegen durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes. Voraussetzung für die Zulassung ist die Absolvierung aller vorgesehenen Ausbildungsmodule.

(5) Die Dienstprüfung gilt dann als erfolgreich abgelegt, wenn die mündliche Prüfung nach § 9 Abs. 2, die praktische Prüfung nach § 9 Abs. 1 und gegebenenfalls alle Teilprüfungen nach Abs. 2 bestanden wurden.

(6) Nach erfolgreicher Ablegung der Dienstprüfung ist die Grundausbildung abgeschlossen.

Zeugnis

§ 14. (1) Über die bestandene Dienstprüfung ist vom Vorsitzenden der Prüfungskommission ein Zeugnis auszustellen (Anlage 3). Im Zeugnis sind sämtliche Prüfungsmodule der Dienstprüfung zu bezeichnen und allfällige Teilprüfungen anzuführen; gegebenenfalls sind die Worte „mit Auszeichnung bestanden“ anzufügen (§ 31 Abs. 5 zweiter Satz BDG 1979). Allfällige Anrechnungen (§ 16) sind festzuhalten.

(2) Das Original des Zeugnisses ist dem Ausbildungsteilnehmer auszuhändigen. Eine Zweitschrift des Zeugnisses ist gemeinsam mit allfälligen Teilprüfungsprotokollen und den Ergebnissen der praktischen Prüfungsarbeit gemäß Anlage 2 Z 7 und 8 im Personalakt abzulegen.

Ausbildungscontrolling und Qualitätssicherung

§ 15. (1) Die tatsächlich erfolgte Ausbildung ist von den Dienstbehörden auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Überprüfung sind zu dokumentieren.

(2) Das Ausbildungscontrolling umfasst auch die Evaluierung der Tätigkeit der Vortragenden. Als geeignete Maßnahmen hiefür kommen neben der Evaluierung mittels Fragebogen beispielsweise die Hospitation und die Dokumentation der Ausbildungsschritte in Betracht.

Anrechungsbestimmungen

§ 16. (1) Aus Gründen der Zweckmäßigkeit können mit Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz auch von anderen Bundesdienststellen oder von Einrichtungen außerhalb des Bundes organisierte Ausbildungsmodule in Anspruch genommen werden.

(2) Der erfolgreiche Besuch solcher Ausbildungsmodule kann auf die Grundausbildung nach den Grundsätzen des § 30 BDG 1979 angerechnet werden. Die Anrechnung bedarf der Zustimmung durch das Bundesministerium für Justiz. Vor einer allfälligen Anrechnung hat die jeweilige Dienstbehörde eine Gleichwertigkeits- und Zweckmäßigkeitsprüfung durchzuführen.

(3) Anrechnungen sowie der Prüfungserfolg sind im Zeugnis festzuhalten.

Sonderregelungen für Bedienstete des Obersten Gerichtshofes

§ 17. Bedienstete des Obersten Gerichtshofes sind einem vom Präsidenten eines Oberlandesgerichtes veranstalteten Ausbildungslehrgang zuzuweisen.

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 18. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Mai 2005 in Kraft.

(2) Mit dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung tritt die Verordnung des Bundesministers für Justiz über die Grundausbildung für die Verwendungsgruppe D in den Geschäftsstellen (Kanzleien) der Gerichte und Staatsanwaltschaften, BGBl. Nr. 183/1987, außer Kraft.

(3) Die auf Grund der Kanzleipersonal-Verordnung, RGBl. Nr. 170/1897, bestandene erste Kanzleiprüfung oder die auf Grund der nach Abs. 2 aufgehobenen Verordnung erfolgreich abgeschlossene Grundausbildung ersetzen die Grundausbildung nach der vorliegenden Verordnung.

(4) Bedienstete, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Verordnung bereits in einem Dienstverhältnis zum Justizressort stehen, sind auf ihren Antrag - abweichend von § 2 - nach Maßgabe freier Lehrgangsplätze zur Grundausbildung nach dieser Verordnung zuzulassen.

Anlage 1

Ausbildungsgegenstände (Ausbildungsmodule) und Ausbildungsziele auf Basis der Stundenzahl (§ 6 Abs. 5) 

Anlage 2

Aufgaben der praktischen Prüfung (§ 9 Abs. 1) 

Anlage 3

Muster - Formblatt "Zeugnis" gemäß § 14 Abs. 1 

Miklautsch

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