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Kriminologie, Kriminalsoziologie

Wissenschaftliche AbhandlungenArno PilgramJSt 2003, 9 Heft 1 v. 1.1.2003

Wenn sich ein neues Journal für Strafrecht für kriminalsoziologische Beiträge öffnet und auch dafür eine Plattform bieten möchte, ist dies nicht selbstverständlich und ein Signal für Veränderung. Auch wenn die Kriminalsoziologie in Österreich seit mittlerweile 30 Jahren im Wiener Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie zumindest außeruniversitär institutionalisiert ist, fehlt es in der spezialisierten Strafrechtswissenschaft und -praxis noch häufig an einer klaren Vorstellung von Kriminalsoziologie, von Konturen und Nutzen dieses Fachs. Eine die längste Zeit ungebrochene Dominanz der Rechtswissenschaften im gesellschaftlichen Steuerungs- und Kontrolldiskurs hat den Bedarf nach und das Interesse an sozialwissenschaftlicher Abklärung der Rolle von Recht und Justiz auf Seiten der juristischen Wissenschaften in Grenzen gehalten. So bestimmten etwa die Strafrechtsexperten die Kriminalpolitik lange nahezu exklusiv und nach ihren eigenen professionellen Kriterien. Die bloße Feststellung einer solchen Hegemonie zusammen mit der Identifikation von außerrechtlichen Bestimmungsfaktoren alltäglicher juristischer Praxis durch die Kriminal(rechts)soziologie hätte diese juristische Expertendominanz beschädigen können und Angriffsflächen für unerwünschte Korrekturversuche von außen eröffnet. Die empirische soziologische Erhellung von Rechtswirklichkeiten, von Prozessen der Normgenese und Praktiken der Rechtsanwendung, wurde daher anfänglich der großen Nähe zu externer politischer Einflussnahme verdächtigt, als Bedrohung von unabhängiger justizieller Entscheidung und Rechtsgestaltung wahrgenommen, als solche häufig beanstandet und abgewiesen.

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