Verschwiegenheitspflicht, Mitteilungspflicht und Anzeigepflicht
§ 45.
(1) Berufsangehörige, ihre Hilfspersonen sowie Personen, die zur Vorbereitung auf den Beruf oder im Rahmen der psychotherapeutischen Ausbildung psychotherapeutisch tätig sind, sind zur Verschwiegenheitspflicht über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes oder im Rahmen der psychotherapeutischen Leistung anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Dies gilt über den Tod der bzw. des Berufsangehörigen sowie der Patientin bzw. des Patienten hinaus.
(2) Hilfspersonen sowie Personen, die zur Vorbereitung auf den Beruf oder im Rahmen der psychotherapeutischen Ausbildung psychotherapeutisch tätig sind, sind über die gesetzliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit zu belehren. Dies ist schriftlich zu dokumentieren.
(3) Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht, insbesondere zum Zweck einer Zeugenaussage vor einem Gericht oder einer Behörde, ist als höchstpersönliches Recht nur durch die entscheidungsfähige Patientin bzw. den entscheidungsfähigen Patienten zulässig. Ist die Patientin bzw. der Patient nicht entscheidungsfähig, so kann ihre bzw. seine gesetzliche Vertretung unter den Voraussetzungen des § 250 ABGB von der Verschwiegenheit entbinden. Nach dem Tod kann eine Rechtsnachfolgerin bzw. ein Rechtsnachfolger von der Verschwiegenheitspflicht entbinden, soweit von der Erbschaft erfasste vermögensrechtliche Interessen betroffen sind, oder nur dadurch der Letze Wille der Patientin bzw. des Patienten durchgesetzt werden kann.
(4) Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht, soweit Berufsangehörige
- 1. der Anzeigepflicht gemäß Abs. 5 oder
- 2. der Mitteilungspflicht gemäß § 37 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 – BKJHG 2013, BGBl. I Nr. 69/2013,
- nachkommen.
(5) Berufsangehörige sind zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft verpflichtet, wenn sich in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit der begründete Verdacht ergibt, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung
- 1. der Tod, eine schwere Körperverletzung oder eine Vergewaltigung herbeigeführt wurde oder
- 2. Kinder oder Jugendliche misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind oder
- 3. nicht handlungs- oder entscheidungsfähige oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlose Volljährige misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind.
(6) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 5 besteht nicht, wenn
- 1. die Anzeige dem ausdrücklichen Willen der entscheidungsfähigen Patientin bzw. des entscheidungsfähigen Patienten widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für diese bzw. diesen oder eine andere Person besteht, oder
- 2. die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, oder
- 3. Berufsangehörige, die ihre berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausüben, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet haben und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
- Weiters kann in Fällen des Abs. 5 Z 2 die Anzeige unterbleiben, wenn sich der Verdacht gegen einen Angehörige bzw. einen Angehörigen (§ 72 StGB) richtet, sofern dies das Wohl des Kindes oder der bzw. des Jugendlichen erfordert und eine Mitteilung an die Kinder- und Jugendhilfeträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt.
(7) Die Verschwiegenheitspflicht der bzw. des Berufsangehörigen findet im Rahmen der Erstellung eines Gutachtens gegenüber der Auftraggeberin bzw. dem Auftraggeber des Gutachtens keine Anwendung im Zusammenhang mit Informationen und Tatsachen, die Thema der Begutachtung sind, wenn die zu begutachtende Person über diesen Umstand von der bzw. dem Berufsangehörigen vor der Begutachtung aufgeklärt worden ist und diese bzw. dieser der Begutachtung zugestimmt hat.
(8) Keine Verschwiegenheitspflicht besteht, falls eine Berufsangehörige bzw. ein Berufsangehöriger ihr bzw. ihm in Ausübung ihres bzw. seines Berufes anvertraute oder bekannt gewordene Geheimnisse in eigener Sache vorbringen muss, um sich in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren zu verteidigen oder behauptete Schadenersatzansprüche abzuwehren. Die bzw. der Berufsangehörige darf in diesem Fall Berufsgeheimnisse im unbedingt notwendigen Ausmaß gegenüber der Behörde oder dem Gericht preisgeben.
Zuletzt aktualisiert am
03.05.2024
Gesetzesnummer
20012578
Dokumentnummer
NOR40261816
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