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§ 1. StV St. Germain

Aktuelle FassungIn Kraft seit 16.7.1920

Anlage.

I. Allgemeine Vorschriften.

§ 1.

Im Sinne der Artikel 251, 252 und 253 gelten Vertragsparteien dann als Feinde, wenn der Handel zwischen ihnen verboten worden oder infolge von Gesetzen, Verordnungen oder Vorschriften, denen eine der Parteien unterworfen war, gesetzwidrig geworden ist. Der maßgebende Zeitpunkt ist der Tag, an dem der Handel verboten worden oder an dem er sonstwie gesetzwidrig geworden ist.

§ 2.

Unbeschadet der Rechte aus Artikel 249, Absatz b), des Abschnitts IV unter Vorbehalt ferner der Anwendung der während des Krieges von den alliierten oder assoziierten Mächten erlassenen Gesetze, Verordnungen oder inneren Vorschriften, schließlich unter Vorbehalt abweichender Vertragsbestimmungen, bleiben von der Aufhebung durch Artikel 251 ausgenommen und in Kraft:

  1. a) Verträge zum Zwecke der Übertragung von Eigentum, Gütern oder von beweglichen oder unbeweglichen Werten, wenn das Eigentum übertragen oder der Gegenstand ausgehändigt worden ist, bevor die Parteien Feinde wurden;
  2. b) Mietverträge, Mieten und Mietversprechen;
  3. c) Verträge über Hypotheken, Verpfändungen und Sicherstellungen;
  4. d) Konzessionen, betreffend Bergwerke und Gruben, Steinbrüche oder Lagerstätten;
  5. e) Verträge zwischen Privaten einerseits und Staaten, Provinzen, Gemeinden oder anderen ähnlichen Verwaltungskörperschaften andrerseits sowie Konzessionen, die von Staaten, Provinzen, Gemeinden oder anderen ähnlichen Verwaltungskörperschaften verliehen sind.

§ 3.

Sind gemäß Artikel 251 Bestimmungen eines Vertrages teilweise aufgehoben, lassen sich aber die aufgehobenen von den übrigen Vorschriften des Vertrages trennen, so bleiben die übrigen Vorschriften des Vertrages, vorbehaltlich der Anwendung der im § 2 bezeichneten Gesetze, Verordnungen und inneren Vorschriften, in Kraft. Lassen sie sich nicht trennen, so gilt der Vertrag als in seiner Gesamtheit aufgehoben.

II. Besondere Vorschriften über bestimmte Vertragsgattungen.

Verträge an der Effekten- und Produktenbörse.

§ 4.

  1. a) Bestimmungen, die während des Krieges von einer anerkannten Effekten- oder Produktenbörse bezüglich Abwicklung der von einer feindlichen Privatperson vor dem Kriege eingegangenen börsenmäßigen Verpflichtungen erlassen worden sind, werden durch die Hohen vertragschließenden Teile bestätigt, ebenso wie die in Anwendung dieser Bestimmungen getroffenen Maßnahmen, vorausgesetzt:
  1. 1. daß das Geschäft ausdrücklich in Gemäßheit der Bestimmungen der betreffenden Börse abgeschlossen worden war;
  2. 2. daß die Bestimmungen für alle Beteiligten verbindlich waren;
  3. 3. daß die Abwicklungsbedingungen gerecht und vernünftig waren.
  1. b) Der vorstehende Absatz findet auf Maßnahmen, die von Börsen in den vom Feinde besetzten Gebieten während der Besetzung erlassen worden sind, keine Anwendung.
  2. c) Die Abwicklung der am 31. Juli 1914 abgeschlossenen Termingeschäfte über Baumwolle, gemäß Entscheidung der Baumwollvereinigung in Liverpool, wird bestätigt.

Verpfändung.

§ 5.

Ist ein als Sicherheit für die Schuld eines Feindes bestelltes Pfand wegen mangelnder Zahlung verkauft worden, so soll selbst dann, wenn der Eigentümer nicht hat benachrichtigt werden können, der Verkauf als gültig angesehen werden, sofern der Gläubiger in gutem Glauben und mit Sorgfalt und Vorsicht gehandelt hat. In diesem Falle steht dem Eigentümer kein Ersatzanspruch auf Grund des Pfandverkaufs zu.

Diese Bestimmung findet auf Pfandverkäufe, die in den mit Krieg überzogenen oder vom Feind besetzten Gebieten während der Besetzung von einem Feinde vorgenommen worden sind, keine Anwendung.

Handelspapiere.

§ 6.

Soweit Mächte in Betracht kommen, die den Abschnitt III und seine Anlage angenommen haben, werden die Geldverbindlichkeiten zwischen Feinden aus der Ausstellung von Handelspapieren in Gemäßheit der genannten Anlage durch Vermittlung der Prüfungs- und Ausgleichsämter geregelt. Auf diese geht das Recht des Inhabers mit den verschiedenen ihm zustehenden Rechtsbehelfen über.

§ 7.

Hat sich jemand auf Grund der Zusage eines anderen vor oder während des Krieges zur Zahlung eines Handelspapiers verpflichtet und ist der andere später für ihn Feind geworden, so bleibt ihm trotz der Eröffnung der Feindseligkeiten der Rückgriff gegen den andern erhalten.

III. Versicherungsverträge.

§ 8.

Versicherungsverträge zwischen Personen, die später Feinde geworden sind, werden in Gemäßheit der folgenden Paragraphen geregelt:

Feuerversicherungen.

§ 9.

Verträge zur Versicherung von Eigentum gegen Feuersgefahr zwischen einer an dem Eigentum beteiligten Person und einer anderen, die später Feind geworden ist, gelten nicht durch die Eröffnung der Feindseligkeiten oder dadurch, daß die betreffende Person Feind geworden ist, oder deshalb, weil während des Krieges oder dreier Monate danach einer der Vertragschließenden eine Vertragsbestimmung nicht erfüllt hat, als aufgehoben. Sie werden aber mit Wirkung vom ersten, nach Ablauf einer Frist von drei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages eintretenden Fälligkeitstag der Jahresprämie aufgehoben.

Bezüglich der während des Krieges fällig gewordenen, unbezahlt gebliebenen Prämien oder der Ansprüche aus Schadensfällen, die während des Krieges eingetreten sind, findet eine besondere Regelung statt.

§ 10.

Ist eine vor dem Kriege abgeschlossene Feuerversicherung durch eine Verwaltungs- oder gesetzgeberische Maßnahme während des Krieges von dem ursprünglichen auf einen anderen Versicherer übertragen worden, so wird die Übertragung anerkannt; die Haftung des ursprünglichen Versicherers gilt seit dem Tage der Übertragung als erloschen. Der ursprüngliche Versicherer bleibt indessen berechtigt, auf Verlangen volle Auskunft über die Bedingungen der Übertragung zu erhalten. Ergibt sich, daß diese Bedingungen unbillig sind, so sind sie soweit abzuändern, daß sie den Ansprüchen der Billigkeit genügen.

Mit Zustimmung des ursprünglichen Versicherers ist ferner der Versicherte berechtigt, den Vertrag auf den ursprünglichen Versicherer mit Wirkung vom Zeitpunkt der Stellung des bezüglichen Antrages ab zurückzuübertragen.

Lebensversicherungen.

§ 11.

Lebensversicherungsverträge zwischen einem Versicherer und einer Person, die später Feind geworden ist, gelten weder durch die Kriegserklärung noch durch die Tatsache, daß die Person Feind geworden ist, als aufgehoben.

Jeder Betrag, der während des Krieges auf Grund eines nach dem vorstehenden Absatz als nicht aufgehoben geltenden Vertrages fällig geworden ist, ist nach dem Kriege zuzüglich fünf vom Hundert jährlicher Zinsen vom Tage der Fälligkeit bis zum Berichtigungstage zahlbar.

Ist der Vertrag während des Krieges mangels Prämienzahlung hinfällig oder infolge der Nichterfüllung von Vertragsbestimmungen unwirksam geworden, so sind der Versicherte oder seine Vertreter oder Rechtsnachfolger jederzeit berechtigt, binnen zwölf Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages vom Versicherer den Wert der Polizze am Tage ihres Hinfälligwerdens oder ihrer Unwirksamkeit zu fordern.

Beruht das Hinfälligwerden des Vertrages während des Krieges mangels Prämienzahlung auf der Anwendung von Kriegsmaßnahmen, so sind der Versicherte oder seine Vertreter oder Rechtsnachfolger berechtigt, ihn binnen drei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages dadurch wieder in Kraft zu setzen, daß sie die gegebenenfalls verfallenen Prämien zuzüglich fünf vom Hundert jährlicher Zinsen bezahlen.

§ 12.

Sind Lebensversicherungsverträge von der Zweigstelle einer Versicherungsgesellschaft geschlossen, deren Hauptniederlassung sich in einem in der Folge feindlich gewordenen Lande befindet, so unterliegt der Vertrag, falls er nicht selbst eine gegenteilige Bestimmung enthält, dem Gesetz des Ortes. Sind indes auf Ansprüche, die im Widerspruch zu den Bestimmungen des Vertrages selbst und den zur Zeit seines Abschlusses geltenden Gesetzen und Abkommen auf Grund von Kriegsmaßnahmen erhoben oder durchgesetzt sind, Zahlungen erfolgt, so ist der Versicherer berechtigt, deren Erstattung von dem Versicherten oder seinen Vertretern zu verlangen.

§ 13.

Sieht das auf den Vertrag anzuwendende Gesetz vor, daß der Versicherer trotz der Nichtzahlung der Prämien an den Vertrag gebunden bleibt, bis dem Versicherten von der Hinfälligkeit des Vertrages Mitteilung gemacht worden ist, so ist er in den Fällen, in denen er infolge des Krieges diese Mitteilung nicht machen konnte, berechtigt, von dem Versicherten die nicht bezahlten Prämien zuzüglich fünf vom Hundert jährlicher Zinsen zu fordern.

§ 14.

Als Lebensversicherungsverträge im Sinne der §§ 11 bis 13 gelten Versicherungsverträge dann, wenn die Berechnung der gegenseitigen Verpflichtung beider Parteien auf der Wahrscheinlichkeit der menschlichen Lebensdauer verbunden mit dem Zinsfuß beruht.

Seeversicherungen.

§ 15.

Seeversicherungsverträge unter Einschluß von Zeit- und Reisepolizzen, zwischen einem Versicherer und einer Person, die in der Folgezeit Feind wurde, gelten von diesem Augenblick an als aufgelöst, es sei denn, daß die im Vertrage vorgesehene Gefahr vor diesem Zeitpunkte begonnen hatte.

Hatte die Gefahr nicht begonnen, so hat der Versicherer die in Form von Prämien oder anderswie gezahlten Summen zu erstatten.

Hatte die Gefahr begonnen, so gilt der Vertrag als rechtsbeständig, obwohl die eine Partei Feind wurde; die Beträge, die auf Grund der Vertragsbestimmungen, sei es als Prämien, sei es für Seeschäden, zu zahlen sind, können nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages eingefordert werden.

Kommt es zu einem Übereinkommen über die Verzinsung der vor dem Kriege an feindliche Staatsangehörige oder von ihnen geschuldeten nach dem Kriege zur Zahlung gelangenden Summen, so sollen solche Zinsen bei Verlusten, die auf Grund von Seeversicherungsverträgen zu ersetzen sind, nach Ablauf eines Jahres vom Tage des Verlustes an laufen.

§ 16.

Kein Seeversicherungsvertrag mit einem Versicherten, der in der Folgezeit Feind wurde, begründet eine Haftung für Verluste durch Kriegshandlungen der Macht, der der Versicherer angehört, oder einer mit ihr alliierten oder assoziierten Macht.

§ 17.

Erweist es sich, daß jemand, der vor dem Kriege einen Seeversicherungsvertrag mit einem in der Folge Feind gewordenen Versicherer eingegangen ist, nach Eröffnung der Feindseligkeiten einen neuen Vertrag geschlossen hat, der dieselbe Gefahr bei einem nicht feindlichen Versicherer deckt, so tritt von dem Tage des Abschlusses an der neue Vertrag an die Stelle des ursprünglichen. Die verfallenen Prämien werden nach dem Grundsatz berechnet, daß der ursprüngliche Versicherer aus dem Vertrag nur bis zu dem Zeitpunkt haftet, wo der neue Vertrag geschlossen wurde.

Andere Versicherungen.

§ 18.

Solche vor dem Kriege zwischen einem Versicherer und einer Person, welche in der Folge Feind wurde, abgeschlossene Versicherungsverträge, die nicht unter §§ 9–17, fallen, erfahren in jeder Hinsicht dieselbe Behandlung, wie sie nach den genannten Paragraphen, Feuerversicherungsverträgen zwischen denselben Parteien zuteil würde.

Rückversicherungen.

§ 19.

Alle Rückversicherungsverträge mit einer Person, die Feind geworden ist, gelten als durch diese bloße Tatsache aufgehoben; jedoch bleibt im Falle der Haftung für eine Lebens- oder Seeversicherungsgefahr, die schon vor dem Kriege begonnen hatte, das Recht unberührt, nach dem Kriege die Zahlung der aus der Haftung für diese Gefahren geschuldeten Summen zu verlangen.

War es indessen infolge feindlichen Einfalls dem Rückversicherten unmöglich, einen anderen Rückversicherer zu finden, so bleibt der Vertrag bis zum Ablauf von drei Monaten seit Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages in Geltung.

Wird ein Rückversicherungsvertrag auf Grund dieses Paragraphen hinfällig, so findet zwischen beiden Parteien eine Abrechnung statt, die einerseits die bezahlten und zu bezahlenden Prämien, andrerseits die Ersatzpflicht für erlittene Verluste aus der Haftung für die vor dem Kriege in Lauf gekommenen Lebens- und Seeversicherungsgefahren berücksichtigt. Bei anderen als den in §§ 11–17 erwähnten Gefahren gilt als Stichtag für die Abrechnung der Zeitpunkt, an dem beide Parteien Feinde wurden; Ersatzansprüche für seitdem eingetretene Verluste bleiben außer Betracht.

§ 20.

Hat ein Versicherer in einem Versicherungsvertrag die Haftung für besondere Gefahren übernommen, die keine Lebens- oder Seeversicherungsgefahren sind, so erstrecken sich die Bestimmungen des vorstehenden Paragraphen gleichfalls auf die entsprechenden Rückversicherungen, die an dem Tage bestanden, wo die vertragschließenden Parteien Feinde geworden sind.

§ 21.

Die Rückversicherung eines Lebensversicherungsvertrages, die auf Grund eines besonderen Vertrages abgeschlossen worden und nicht in einem allgemeinen Rückversicherungsvertrag enthalten ist, bleibt in Kraft.

§ 22.

Ist vor dem Kriege ein Seeversicherungsvertrag rückversichert worden, so bleibt die Übertragung der Gefahr auf den Rückversicherer gültig, wenn diese Gefahr vor Eröffnung der Feindseligkeiten begonnen hatte; der Vertrag bleibt trotz der Eröffnung der Feindseligkeiten in Kraft. Nach dem Kriege kann die Zahlung der auf Grund des Rückversicherungsvertrages geschuldeten Beträge für Prämien oder erlittene Verluste verlangt werden

§ 23.

Die Vorschriften der §§ 16 und 17 und der letzte Absatz des § 15 finden auf Rückversicherungsverträge für Seeversicherungsgefahr Anwendung.

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2023

Gesetzesnummer

10000044

Dokumentnummer

NOR12001161

alte Dokumentnummer

N1192019807S

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